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Leser über Armut: "Das Gefühl ist übel"


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t-online.de-Leser über das Leben in Armut
"Das Gefühl, arm zu sein, ist übel“


02.12.2018Lesedauer: 4 Min.
Alleinerziehende Mütter müssen verhältnismäßig oft mit sehr wenig Geld auskommen. (Symbolfoto)Vergrößern des Bildes
Alleinerziehende Mütter müssen verhältnismäßig oft mit sehr wenig Geld auskommen. (Symbolfoto) (Quelle: Nadezhda1906/getty-images-bilder)

Wir haben Leser gefragt, wie es ist, mit sehr wenig Geld auszukommen. Viele alleinerziehende Frauen kämpfen für ihre Kinder, fühlen sich dabei aber oft im Stich gelassen.

Armut ist ein Problem, das eine große Zahl von Menschen in Deutschland betrifft. Mehr als wir denken, denn viele wissen ihre prekäre Lebenssituation gut zu verstecken. Die Armut ist ihnen unangenehm. Über Geld redet man in Deutschland ohnehin ungern und entsprechend selten. Einige Leser haben uns trotzdem geschildert, wie sie in die Armut geraten sind, wie es ist, mit einem sehr geringen Einkommen leben zu müssen – und teilweise auch, wie sie es geschafft haben, sich aus der Armut herauszukämpfen.

Nichts darf kaputt gehen

Wer uns geschrieben hat, verfügt nicht unbedingt über weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens. Das ist die Grenze, ab der man in Deutschland nach dem meist verwendeten Begriff der relativen Armut, als armutsgefährdet gilt. Wie viel Geld diesen Lesern wirklich zur Verfügung steht, können wir nicht überprüfen. Auch sind die Angaben nicht repräsentativ.

Die Geschichten zeigen aber deutliche Gemeinsamkeiten. Es ist die prekäre Lebenssituation, die diese Menschen teilen. Ein sehr unangenehmes Gefühl ist das, wie uns Leserin Sandra Cramer* schreibt: "Das Gefühl, arm zu sein, ist übel. Die Gesellschaft zeigt einem sehr genau, wie sie das verachtet." Unvorhergesehene Kosten dürfen nicht entstehen, können nicht gedeckt werden. Steffen Bauer* fährt jeden Tag mit seinem 15 Jahre alten Toyota Corolla zur Arbeit – 180 Kilometer. "Kaputt gehen darf natürlich nichts. Sonst habe ich ein Problem – Werkstattkosten!“

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Geld ist der essentielle Faktor. Aus den Zuschriften wird klar: Besonders Hartz IV bedeutet für die meisten Armut. Aber auch ein sehr geringer Lohn oder eine unzureichende Rente bringen Menschen an das Existenzminimum. Die Umstände des eigenen Lebens sind zusätzlich von entscheidender Bedeutung. Krankheit und Scheidung werden von unseren Lesern häufig als Ursachen für ihr Abrutschen in die Armut genannt. Mal kommt beides zusammen. Wer dann noch Kinder hat, muss besonders kämpfen.

Eine Kindheit wie andere

Bildung ist teuer, Geschenke zu Weihnachten nicht finanzierbar, an gutes oder gar genug Essen ist nicht zu denken – ihren Kindern keine Chancen und keinen ausreichenden Lebensstandard bieten zu können, ist die größte Sorge unserer Leser. Toni* schreibt: "Es gibt zu viele Verlierer. Familien mit Kindern sind finanziell stark benachteiligt. Die nachfolgenden Generationen sind doch immer das Fundament unserer gesellschaftlichen und lebensnotwendigen Grundbedürfnisse." Daher schlägt der Leser vor: "Öffentliche Einrichtungen sollten für Kinder und Jugendliche kostenfrei sein. Die sozial schwächeren kämen somit leichter aus ihrer sozialen Isolation. Im Scheidungsfall, was ja immer häufiger vorkommt, spitzt sich die Lage zusätzlich zu."

Tatsächlich haben uns zum Thema "Armut" besonders viele Einsendungen von alleinerziehenden Frauen erreicht. Viele unter ihnen fühlen sich von der Gesellschaft entwürdigt und medial falsch repräsentiert. Nadja Gähler* fragt: "Warum werden im Fernsehen nicht die Mütter gezeigt, die sich abmühen und es schaffen, ihren Kindern zu helfen, einen Weg aus der Armut zu finden? Es gibt nicht nur arbeitsscheue Eltern, die arm sind, sondern auch welche, die krank sind und deshalb nicht mehr arbeiten können." Sie müht sich ab, ihrer Tochter den Besuch des Gymnasiums zu ermöglichen. Doch das ist nicht leicht. In Bezug auf Hartz IV kritisiert Nadja Gähler*: "Bildung und Teilhabe ist viel zu gering bemessen. Es werden 10 Euro pro Monat gezahlt aber die tatsächlichen Kosten liegen bei 100 Euro, plus Kleidung, plus Fahrtkosten."

Alleinerziehende haben ein besonders hohes Armutsrisiko. Obwohl sich ihre Situation in den letzten Jahren etwas verbessert hat, ist unter ihnen knapp ein Drittel von Armut betroffen. Elke Paulsen* lebt in Trennung und ist auf Hartz IV angewiesen. Sie schreibt: "Ich will, dass meine Kinder zum Großteil eine Kindheit wie andere Kinder erleben mit Ostern, Geburtstag, Nikolaus und Weihnachten." Paulsen* formuliert ganz klar, dass sie sich in Ihrer Situation alleingelassen fühlt.

Leserin Valeria Dreher*, ebenfalls alleinerziehende Mutter, leidet unter einer schweren Schilddrüsenerkrankung. Sie würde viel lieber arbeiten als Hartz IV zu beziehen. Mit ihrer Krankheit ist das aber nicht möglich. "Von Hartz IV kann man nicht leben. Kindergeld wird angerechnet sowie der Unterhaltsvorschuss auch.“ Ihr Wunsch ist es, ihrer Tochter mehr bieten zu können: "Ich würde auch mal gerne mit meiner Tochter in den Urlaub fahren oder einen Freizeitpark besuchen aber es ist einfach nicht drin, also bleibt nur der Spielplatz oder alle zwei Monate mal ein Schwimmbadbesuch. Mehr geht nicht." Eines ist für die Mütter ganz klar: Sie selbst verzichten, um ihren Kindern möglichst viel bieten zu können.

Der Weg aus der Armut

Die Leserinnen und Leser, die uns geschrieben haben, wollen ihren Lebensunterhalt durch Arbeit sichern. Der Weg aus der Armut ist mühsam und nicht immer machbar. Langfristige Erkrankungen führen zur Arbeitsunfähigkeit. Trennungen führen zum finanziellen Ruin.

Sabrina Rehfeld* sorgte lange für Haushalt und Kindererziehung, ging daher keiner Berufstätigkeit nach. Dann kam die Trennung. "Da ich seit 20 Jahren aus meinem erlernten Beruf raus war und ich durch Umzüge nicht mehr in meinem Geburtsort lebte, bekam ich keine Stelle mehr in meinem erlernten Beruf." Für Rehfeld* war der berufliche Wiedereinstieg schwierig. Dennoch schaffte sie es, sich langsam einzugliedern. "Zwei Jahre nach der Trennung konnte ich stundenweise als Haushaltshilfe arbeiten, bekam dann die Möglichkeit als Wohnbereichshilfe im Seniorenheim für 15 Stunden wöchentlich zu arbeiten (bis hierhin bekam ich ergänzendes Hartz IV) und bin inzwischen als Telefonistin mit 20 Wochenstunden (plus Wohngeld) beschäftigt." Eine Vollzeitanstellung hat sie bisher jedoch nicht gefunden.

Auch Leserin Sandra Cramer* hat nach einer langen leidvollen Krankengeschichte und einigen Umzügen wieder Arbeit gefunden: "Vor einem Monat habe ich mich in Leipzig beworben. Als Honorarkraft für Coaching von Langzeitarbeitslosen. Ich bin in die Firma, ohne Parfum und schon lange ohne rot lackierte Fingernägel. Mein Pullover ist alt, meine Hose ausgeleiert. Dafür hab ich ein strahlendes Lächeln dabei gehabt. Ich hab den Job bekommen. Ich kann meine Rechnungen wieder bezahlen."

Für viele andere gilt es aber weiterhin, sich Tag für Tag mit sehr geringen finanziellen Mitteln durchzukämpfen.

*Die Namen der in diesem Text zitierten Leserinnen und Leser wurden von der Redaktion geändert.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherchen
  • Statistisches Bundesamt: Alleinerziehende in Deutschland 2017, vom 2.8.2018
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