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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Inkognito-Berichte aus Ostritz Antifa schildert: So war es als Besucher auf dem Neonazi-Festival
Radikale Linke auf einem Festival, bei dem sich der harte Kern der Neonazi-Szene trifft? Ein Interview mit Antifa-Twitterern, die nach ihren Angaben "nach den Rechten sehen" wollten und dann angeblich zum Bier eingeladen wurden.
Es wäre eine beispiellose Aktion, die von Linken gefeiert wird: Mehrere Twitterer behaupten, sie hätten sich als Antifa-Aktivisten beim "Schild & Schwert"-Festival im ostsächsischen Ostritz inkognito unter die Neonazis gemischt. Zu dem Festival zum Hitler-Geburtstag waren nach Angaben der Polizei 1.200 Besucher angereist. Die linken Twitterer berichten im Interview mit t-online.de, wie sie sich unter sie mischen konnten und was ihren Besuch bei "Ostritz inside" ausgelöst hat. Einen Beweis bleiben sie im Interview mit t-online.de allerdings schuldig.
Das Interview wurde über Privatnachrichten auf Twitter geführt, die Beteiligten hatten sich nicht auf ein Telefonat einlassen wollen. Die Antworten auf Fragen ließen jeweils kurz auf sich warten, angeblich wurden sie innerhalb der Gruppe besprochen.
Ihr behauptet, euch vom Festival gemeldet zu haben und wurdet in der linken Szene dafür gefeiert. Habt ihr auch Belege, dass ihr wirklich dort wart?
Fotografieren konnten wir nicht, das wäre zu auffällig gewesen. Aber wir haben zum Beispiel eine Warnung auf dem Festival mitbekommen, dass wenig später T-Shirts der "Arischen Bruderschaft" mit verbotenen Symbolen beschlagnahmt werden und Fabian, einer von uns, hat das getwittert.
Der MDR hat das schon zwölf Minuten früher getwittert. Das beweist also nichts. Gibts denn nicht jemanden in der linken Szene, der bestätigen könnte, dass ihr dort wart?
Auf dem Festival haben wir wenig auf Twitter lesen können, wir durften nicht zu viel aufs Handy schauen. Wir haben es dort von Leuten erfahren und wollten mit dem Tweet zeigen, dass wir dort sind. Normalerweise fahren wir einfach im schwarzen Block zu Demos mit, haben mit den Organisatoren nichts zu tun. Hätten wir die Aktion geplant, hätten wir uns wahrscheinlich mit irgendwem abgesprochen. Aber es war ja wirklich ein Selbstläufer. Anfangs wollten wir ja nur kurz "nach den Rechten sehen".
Es hat sich einfach so ergeben, aufs Festival der Neonazis zu gehen?
Zuerst war Fabi nur kurz mit einem Genossen im Camp außerhalb des Festivalgeländes. Nach der Nachricht, dass es dort klar geht, wenn man nicht gerade wie ein Punk aussieht, haben wir uns dann nach und nach angeschlossen. Weil es im Camp so locker war, kamen wir dann auf die Idee, auch aufs eigentliche Festivalgelände zu gehen.
Angeblich mit mehreren Gruppen ...
Am Anfang waren wir zu zweit. Als wir merkten, dass es klappt, kamen immer mehr Leute dazu. Am Ende waren es fünf Gruppen aus circa drei bis vier Personen jeweils.
Ihr hattet das nicht vorbereitet und es haben sich mehr als 15 Leute gefunden? Wirklich?
Die anderen in der Gruppe sagen gerade, ich soll ehrlich korrigieren. Wir waren zwei Gruppen bestehend aus insgesamt sieben Leuten. Die Zahl war höher gegriffen, um den Nazis Angst zu machen.
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Einige Linke haben die Insider-Tweets als Einblicke ausdrücklich empfohlen, ich habe auch gesehen, dass alle Tweets zumindest von Android-Handys gesendet wurden. Aber es könnte ja auch Ziel gewesen sein, mit der bloßen Behauptung Misstrauen unter den Neonazis zu säen ...?
Ziele hatten wir nicht wirklich. Wir waren lustig drauf und wollten mal "nach den Rechten sehen". Also sind wir ins Camp gegangen. Dass unsere Berichterstattung von dort etwas bei den Nazis auslöste, merkten wir erst daran, dass die misstrauischer untereinander wurden. Wer uns glaubt, ist uns eigentlich egal.
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Veranstalter Thorsten Heise antwortet nicht, ob ihr auf dem Gelände gewesen sein könntet, und ein Dementi hätte wohl auch begrenzte Aussagekraft. Mal angenommen, es stimmt: Wie wird man als Antifa-Mitglied zum glaubwürdigen Rechtsextremen?
Klamotten mussten wir teilweise ausziehen, aber wirklich kostümiert haben wir uns nicht. Wir tragen eben keine Iros, als Redskin fällt man da gar nicht auf ohne linke Symbole am Körper.
Redskins sind linke Skinheads.
Ja, und manche Festivalbesucher kamen auch eher bürgerlich in Karohemd oder T-Shirt. Wir beschreiben uns aber nicht näher. Leute wie die von der Identitären Bewegung haben vielleicht für eine lockerere Kleiderordnung gesorgt, die sehen ja auch nicht aus wie Hammerskins. Als wir uns vom Festival gemeldet haben, waren Leute in unauffälliger Kleidung auch diejenigen, denen dann eher misstraut wurde.
Und Ihr hattet keine Angst, dass Ihr auffliegt?
Brenzlige Momente gab es immer wieder. Mal schaut einer über deine Schulter auf dein Handy, mal wird die ganze Gruppe kritisch beäugt. Entweder haben sie eh Fotos von uns von früheren Demos oder wir fallen nicht auf. Und wir sind ja unerkannt rausgekommen. Riskant war es trotzdem. Der Horrormoment war, als ein Genosse verschwunden war. Da wollten wir gerade gehen.
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Was hätte denn passieren sollen? Glaubt Ihr, die hätten euch auf ihrem Festival ernsthaft etwas angetan?
Genau damit haben wir und viele unserer Leser*Innen gerechnet. Dass wir, wenn wir auffliegen, zumindest übel verprügelt und dann rausgeworfen werden. Deshalb ja die Panik, als einer weg war. Wir dachten an alles Mögliche. Nervenkitzel pur ...
Muss man sich auf einem Neonazi-Festival auch ideologisch verstellen, um nicht aufzufallen?
In erster Linie muss man versuchen, nett zu sein, obwohl man deren Einstellung kennt. Und man darf nicht widersprechen. Wenn die erzählen, dass die Reichsflugscheibe Haunebu mehrere Ausführungen hatte, dann musst du eben mitspielen. Wir haben darauf bestanden, dass es drei Modelle gab. Außerdem darf man keine Scheu vor Alkohol mitbringen. Trinkst du nicht, bist du auffällig. Und dann drückt dir einer ein Nazishirt mit einem Reichsadler in die Hand, und du darfst es nicht wegwerfen. Ein Genosse hat sich darauf beschränkt, die meisten Dinge mit "genau" zu beantworten. Das ist irgendwie ... naja ...
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Dann schickt mir doch schnell ein Bild von diesem T-Shirt mit dem Reichsadler drauf.
Sorry, Fabian hat es einfach liegen gelassen und gehofft, dass keiner sagt: "Ey, du hast dein Shirt vergessen."
Wie militant seid ihr?
Wir waren zumindest nicht militant genug, um dort auch nur einen einzigen Antifa-Sticker anzubringen ... Wir hatten ganz kurz mit dem Gedanken gespielt, war uns aber zu heikel. Da waren überall Nazis, mitunter Typen, die jahrelang im Knast saßen. Wir wollten da lieber heile rauskommen. Also haben wir den Gedanken lieber sofort verworfen.
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Wie schätzt man die Gefahr durch diese Leute ein, wenn man wie einer von ihnen unter ihnen war?
Gerade Organisationen, die sonst nirgendwo öffentlich in Erscheinung treten können, weil sie verboten sind, tummelten sich dort in Massen. Es haben sich neue Rechte mit den üblen Neonazis der 90er zusammengetan. Wer sich nicht schon vorher kannte, hat nun neue Kontakte bis runter in das Terrorismusspektrum des NSU. "Saugefährlich", um einen Genossen zu zitieren. "Combat 18", "Blood & Honour" oder "Arische Bruderschaft" sind kein Kindergarten.