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AfD und Daniel Halemba: Der Putsch der Burschen


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Junge Rechtsextremisten
Halemba und der Putsch der Burschen


Aktualisiert am 20.11.2023Lesedauer: 13 Min.
Burschenschaftler: Daniel Halemba ist mit nicht immer legaler Unterstützung aus der Prager Teutonia in Würzburg zu seinem Landtagsmandat gekommen.Vergrößern des Bildes
Burschenschafter: Daniel Halemba ist mit Unterstützung aus der Verbindung Teutonia Prag in Würzburg zu seinem Landtagsmandat gekommen. (Quelle: IMAGO/Future Image, Montage: Heike Aßmann/imago-images-bilder)

Sie spinnen Intrigen, paktieren, schüchtern ein: Junge Rechtsextreme kapern in der AfD Bayern Mandate mit dubiosen Methoden – und mithilfe einflussreicher Unterstützer.

Sein Zimmer soll er mit einem SS-Befehl von Himmler geschmückt haben, wegen Volksverhetzung ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen ihn, auf der Flucht vor der Justiz tauchte er tagelang unter – und doch sitzt AfD-Politiker Daniel Halemba jetzt im bayerischen Landtag.

Dabei war Halemba ein Unbekannter, bevor er bundesweit Schlagzeilen machte: 22 Jahre alt, kein abgeschlossenes Studium, keine Berufserfahrung, keine nennenswerten Erfolge in der Partei. Ein Niemand, auch für die allermeisten in der AfD.

Nach allen Spielregeln der Politik dürfte er eigentlich keinen Spitzenposten besetzen. Und gerade in der AfD sind solche Plätze hart umkämpft.

t-online ist der Frage nachgegangen, wie Halemba das geschafft hat. Und ist auf ein Netzwerk junger Rechtsextremisten in Bayern gestoßen, das von Burschenschaftern aus Würzburg und der Jugendorganisation der AfD dominiert wird. Es hat einflussreiche Förderer in den Spitzen der Landes-AfD, von denen viele zum rechtsextremen Flügel der Partei zählen. Die Mitglieder dieses Netzwerks kämpfen mit unlauteren Methoden, sie intrigieren, paktieren und machen Kritiker mundtot. Das Hauptziel: Männer wie Halemba auf lukrative Posten mit Macht zu hieven.

Wer gegen sie vorgeht, wer zu ihnen recherchiert, bei dem melden sich rasch Anwälte in aggressivem Ton. Viele Gesprächspartner in der Recherche wollen deswegen nicht öffentlich reden, nicht mit ihrem Namen genannt werden.

Die jungen Rechten schüchtern ein – und haben mit ihren Methoden enormen Erfolg.

Kapitel 1: Das Überraschungskommando

Es ist der 26. November 2022 im Alten Rathaus in Bad Kissingen. Der AfD-Kreisverband Unterfranken Nord will für den Stimmkreis 604 seine Kandidaten für die Landtagswahl in Bayern küren. Plötzlich geht die Tür auf, herein kommt Daniel Halemba mit drei Mitgliedern der Familie S. – zwei junge Männer mit ihrer Mutter.

Was Halemba und seine Begleiter zu sagen haben, kommt für einige im Raum überraschend: Der 22-Jährige will kandidieren. Und seine drei Begleiter wollen bei der Aufstellungsversammlung mitstimmen.

Es ist der Moment, in dem Freia Lippold-Eggen erkennt, dass der Abend ganz anders verlaufen wird als gedacht. Sie ist aus dem nahen Bad Kissingen, engagiert sich seit Jahren in der AfD, ist stellvertretende Vorsitzende des Kreisverbandes Unterfranken Nord und war schon Bundestagskandidatin. Jetzt sollte sie im Stimmkreis 604 für den Landtag kandidieren. Der Kreisvorstand habe es sich in einer Vorstandsbesprechung so gewünscht, sagt Lippold-Eggen. Alternativen habe es bis dahin keine gegeben.

Denn die AfD hat im Stimmkreis 604 kaum aktive Mitglieder. Der Verband sei "völlig verwahrlost", berichten Mitglieder übereinstimmend. Die alten Vorsitzenden hätten selten Veranstaltungen ausgerichtet und neue Anträge auf Mitgliedschaft oft länger als ein Jahr liegenlassen.

Und nun steht da ein anderer Kandidat mit Gefolge, das keiner kennt, das aber mitwählen will. "Das war ein Überraschungskommando", heißt es. Eine gute Handvoll Stimmberechtigte sind es jetzt ohne Halemba und Lippold-Eggen, die beide nicht wählen dürfen, weil sie anderen Stimmkreisen angehören.

Lippold-Eggen geht im Kopf durch, wer sicher zu ihrem Lager zählt. Schnell kommt sie zu dem Schluss: Wenn Halembas Begleiter mitwählen dürfen, hat sie keine Chance mehr.

Lippold-Eggen und Tanja Ehrensberger, die seit September 2022 Beisitzerin im Kreisvorstand Unterfranken Nord ist, protestieren. Sie vermuten Betrug, wollen die Familie S. von der Wahl ausschließen oder die Wahl vertagen, bis die Hintergründe geklärt sind. Doch ihr Protest wird von mehreren Seiten niedergemacht.

Zuerst, so schildert es Lippold-Eggen, reicht einer der jungen Männer ihr sein Handy. Am anderen Ende ist Thomas L., ein Burschenschafter aus Würzburg. Sein richtiger Name ist t-online bekannt, in diesem Text aber soll er anders heißen.

Thomas L. ist angehender Jurist, seit Jahren eng mit Halemba befreundet und wie er Mitglied der Jungen Alternative (JA), der Jugendorganisation der AfD, sowie der Burschenschaft Teutonia Prag in Würzburg. In dem Haus der Burschenschaft wird die Staatsanwaltschaft bei einer Razzia später NS-Devotionalien, antisemitische Schriften und Waffen sicherstellen.

Thomas L. scheut die Öffentlichkeit, vermeidet es, im Internet mit Namen genannt oder auf Fotos gezeigt zu werden. Obwohl er kein Amt in der AfD innehat, besitzt er viel Macht. Aus der zweiten Reihe heraus ziehe er die Strippen für die jungen Rechtsextremen in Bayern, heißt es.

Er und Halemba bilden ein effizientes Duo, auch dank Unterstützung von ganz oben, wie diese Geschichte zeigen wird: Halemba – der Mann für die Ämter. Thomas L. – der Mann für dubiose Winkelzüge im Hintergrund.

Thomas L. habe sie bedrängt, schildert Lippold-Eggen das Telefonat mit ihm. "Wenn ich die Familie S. nicht mitwählen lasse, dann würde ich mit Gerichtsprozessen überzogen."

Auf der Versammlung ergreift auch der anwesende AfD-Bezirksvorsitzende Richard Graupner für Halemba und Familie S. Partei. Graupner gilt als Unterstützer des rechtsextremen Flügels in der AfD und als Förderer der extrem rechten Jungen Alternative. Seit 2018 sitzt er für die AfD im Landtag, zuvor war er Polizist.

Graupner und Halemba sitzen zusammen im Bezirksvorstand Unterfranken, Graupner als Chef, Halemba seit 2020 als stellvertretender Schatzmeister. Und sie verstehen sich gut.

Graupner ruft zur Abstimmung auf, ob die drei Mitglieder der Familie S. mitwählen dürfen. Die Mehrheit im Raum stimmt zu.

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Für das Lager von Lippold-Eggen ist die Wahl damit gelaufen. Sie zieht ihre Kandidatur zurück. "Rechtsextreme haben Halemba auf unsere Liste geputscht", sagt sie t-online. "Das war von langer Hand geplant, die haben unseren Verband gekapert."

Von einem "extrem dubiosen" Vorgehen spricht auch ein anderer Teilnehmer der Versammlung. Er bereut heute, dass er der Wahl überhaupt zugestimmt hat.

Halemba muss sich nur noch einer Ja/Nein-Abstimmung stellen. Gegen ihn als Kandidaten stimmt nur ein Mitglied bei fünf Ja-Stimmen.

Die Parteimitglieder wissen an dem Abend nicht, dass mindestens einer der Brüder der Familie S. ebenfalls Mitglied in der extrem rechten Burschenschaft Teutonia Prag in Würzburg sein soll. Auf Fotos posieren beide Brüder S. mit Halemba und Thomas L. in einem Würzburger Club, der ältere Bruder formt seine Finger dabei zum "White Power"-Zeichen - ein Erkennungszeichen unter Rechtsextremisten, gerne genutzt in der vom Verfassungsschutz beobachteten Identitären Bewegung.

Kapitel 2: Meldeverstoß im Teutonen-Haus

Nach der Versammlung stehen zwei Fragen im Fokus: Wo kommen jene her, die für Halemba stimmten? Und wie kommen sie in die Partei?

Recherchen von t-online zeigen: In die AfD aufgenommen wurden der jüngere Bruder und die Mutter der Familie S. erst wenige Wochen vor der Wahl – und zwar nicht im für sie und den Stimmkreis 604 zuständigen Kreisverband Unterfranken Nord, sondern im AfD-Kreisverband Würzburg. Im Kreisverband Würzburg heißt der stellvertretende Vorsitzende zu dieser Zeit: Daniel Halemba. Inzwischen ist er aufgestiegen und selbst der Vorsitzende.

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Die Aufnahmegespräche mit Bruder und Mutter S. haben Halemba und Thomas L. im Oktober 2022 geführt. Die entsprechenden Dokumente liegen t-online vor, auf ihnen prangen die Unterschriften der beiden Burschenschafter.

Als Adresse auf den Mitgliedsanträgen vermerkt ist für Mutter wie Bruder S. die Lortzingstraße 29 in Würzburg – es ist die Adresse des Verbindungshauses der Teutonia Prag. Das Haus, in dem Halemba zu diesem Zeitpunkt wohnte.

Die Burschenschaft aber ist ein Männerbund. Dass Mutter S. in deren Domizil leben soll, erscheint als unwahrscheinlich. Und auf den Ausweisen der beiden, die für die Mitgliederverwaltung fotografiert werden, steht keine Würzburger Adresse.

Der Verdacht: Die beiden Mitglieder der Familie S. wurden unter falscher Adresse von Halemba und seinen Freunden in Würzburg im Schnellverfahren aufgenommen, um zu garantieren, dass sie pünktlich zur bald bevorstehenden Wahl stimmberechtigt sind. Erst kurz vor der Wahl wurden sie im Parteimanager, einem Computerprogramm zum Mitgliedermanagement, rübergebucht in Stimmkreis 604. Familie S. soll an der Wahl teilnehmen können, um jeden Preis.

Der Verdacht erhärtet sich in den folgenden Wochen. Nachdem Kritik parteiintern laut und auch in mehreren regionalen Medien aufgegriffen wurde, will jemand die beiden Mitglieder der Familie S. bei der Stadt Würzburg nachträglich für sechs Wochen auf die Lortzingstraße 29 in Würzburg ummelden. Was auf den Mitgliedsanträgen vermerkt wurde, soll so offenbar nachträglich Realität, die Aufnahme im fremden Kreisverband plausibel werden.

Die Stadt Würzburg aber spielt das Spiel nicht mit, sie recherchiert und stellt zwei Verstöße gegen das Bundesmeldegesetz fest. "Eine rückwirkende melderechtliche Anmeldung auf die Anschrift Lortzingstraße 29 in Würzburg stellte sich als unrichtig heraus", teilt die Stadt t-online auf Nachfrage mit. Mitte Februar seien Unregelmäßigkeiten aufgefallen und Nachforschungen angestrengt worden, Mitte April und Anfang Mai habe die Stadt Bußgelder gegen zwei Personen aus dem Ort in Stimmkreis 604 erlassen, die nach Aussage der Stadt beglichen wurden.

Kapitel 3: Unterschreib' – oder zahl'!

Als sich Kritik an Halembas Wahl regt und Protestbriefe geschrieben werden, rüstet das Netzwerk auf. Die jungen Rechten und ihre Unterstützer beginnen, gegen ihre Kritiker vorzugehen – mit aggressiven Anwaltsschreiben, mit Lügen und Intrigen.

Als Erstes trifft es einen Teilnehmer der Versammlung im November, der mit einer eidesstattlichen Versicherung dafür bürgen soll, dass die Wahl korrekt abgelaufen sei. Das ist ein Standardverfahren bei solchen Versammlungen, bei Wahlen werden aus dem Kreis der Anwesenden für solche Bürgschaften Personen bestimmt.

Doch der Mann zweifelt an der Rechtmäßigkeit der Abläufe massiv, keinesfalls will er mit seiner Unterschrift Falsches bezeugen. Weil er sich weigert, erhält er im Januar im Auftrag von Richard Graupner Post von Rechtsanwalt Rene Dierkes. Auch der 32-jährige Dierkes ist Mitglied der AfD, wie Graupner Anhänger des rechtsextremen Flügels in der Partei und schaffte wie Halemba vor wenigen Wochen erstmals den Einzug in den Landtag.

Dierkes droht mit hohen Rechnungen. Sollte die Versammlung wegen der fehlenden Unterschrift wiederholt werden müssen, warnt er den Mann, "dass Sie sich in diesem Falle für den aus der Wiederholung der Aufstellungsversammlung resultierenden Schaden haftbar machen und daher auch im eigenen Interesse der Aufforderung nachzukommen haben!". Außerdem soll der Mann schon jetzt die Anwaltskosten für Graupner, also Dierkes' Honorar, zahlen: 540,50 Euro. Aber, so stellt Dierkes in Aussicht: Sollte der Mann binnen vier Tagen die eidesstattliche Erklärung liefern, müsse er nichts zahlen.

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"Das war extremer Druck, das war total irre", sagt der Mann t-online. Er bleibt aber hart und liefert die Unterschrift nicht. Die Vorgänge im Kreisverband Unterfranken Nord seien für ihn der Grund gewesen, um Ende 2022 aus der AfD auszutreten. "Da sind ein paar junge Hanseln scharf auf die Posten im Landtag, um fett Kohle zu machen in den nächsten Jahren. Herr Graupner als Polizeibeamter a.D. sollte so einen Mist meiner Meinung nach nicht dulden."

Die Realität in der AfD aber ist eine andere: Die Alten protegieren und umgarnen die jungen Rechtsextremen. Weil sie ihre Ideologie teilen – oder ihre Karriere von ihnen abhängt. "Die sind darauf angewiesen, dass sie die Stimmen von der JA bekommen", sagt Tanja Ehrensberger. "Die Partei ist im Arsch, die ist von denen komplett unterwandert."

Von ähnlichen Zuständen in anderen Kreisverbänden in Bayern berichten auch Gesprächspartner, die ihren Namen nicht in der Presse lesen wollen. Die Burschenschafter und Mitglieder der JA seien rechtsextrem, ideologisch ein Problem. Aber sie seien gerade bei Wahlen bestens organisiert – auch, weil sie skrupellos vorgingen. Und ihre Macht sei inzwischen so groß, dass jeder, der sie öffentlich kritisiere, eine Karriere in der Partei vergessen könne.

Kapitel 4: Schweig – oder wir lügen!

Tanja Ehrensberger bekommt Methoden und Macht der jungen Rechten am eigenen Leib zu spüren. Sie ist eine der schärfsten Kritikerinnen der jungen Rechtsextremen und hat – im Gegensatz zu vielen Parteikollegen – keine Angst vor ihnen und ihren Juristen. Auf Versammlungen hakt die Beisitzerin des Kreisverbands Unterfranken Nord nach und sagt deutlich ihre Meinung.

Im Kampf gegen Ehrensberger bedienen sich die Burschenschafter einem in der AfD beliebten Mittel: Sie holen drei eidesstattliche Versicherungen gegen sie ein. Diese liegen t-online vor. Darin wird behauptet: Ehrensberger habe bei einer Versammlung signalisiert, man gehe mit den Informationen an die Presse, wenn die Parteispitze nicht reagiere. Die Schreiben sind fast wortgleich formuliert, schon das fällt auf.

Drei Männer haben die eidesstattlichen Versicherungen unterzeichnet – einer von ihnen ist ehemaliges Vorstandsmitglied im Kreisverband Unterfranken Nord, eng mit Halemba vertraut und Angestellter von Richard Graupner. Der zweite Mann ist noch sehr jung, auch er stammt aus dem Umfeld von Halemba, Thomas L. und den Teutonen; auch er feiert auf dem Foto mit ihnen im Würzburger Club.

Ehrensberger weist die Vorwürfe im Gespräch mit t-online zurück, auch andere Teilnehmer der Versammlung sagen: Ehrensberger habe sich nicht derartig geäußert.

Die Folge: Im Februar werden Ehrensberger überraschend die Mitgliedsrechte in der AfD entzogen. Das ist ungewöhnlich, in der Regel dauern die Prozesse vor den Schiedsgerichten der AfD Monate, manchmal Jahre. Bei Ehrensberger aber geht plötzlich alles ganz schnell – ähnlich wie bei der Aufnahme der Familie S. in die Partei. Parallel wird sie in Chats als "irre" und "asozial" beschimpft. Perfide: Ehrensberger ist zu diesem Zeitpunkt hochschwanger.

Ehrensberger sagt, sie sei über die Skrupellosigkeit erstaunt gewesen, mit der man gegen sie in der Schwangerschaft vorgegangen sei, "nur um ans bezahlte Mandat zu kommen". Dabei sei man als Frau in dieser Partei schon einiges gewohnt: "Frauen sind in der AfD Menschen zweiter Klasse."

Der dritte Unterzeichner hat nichts mit den Teutonen und Halemba zu tun – und lässt kurz darauf eine Bombe platzen: Er zieht seine eidesstattliche Versicherung beim Landesschiedsgericht der Partei zurück und bezichtigt Halemba und Thomas L. in einem Brief an Bezirkschef Graupner, ihn überredet zu haben, Ehrensberger fälschlicherweise zu diffamieren. Das Schreiben liegt t-online vor.

Halemba und Thomas L. seien auf ihn zugekommen, Thomas L. habe "eindringlich um eine Gefälligkeit für ihn und Herrn Halemba" gebeten: Er solle eine eidesstattliche Versicherung unterzeichnen, auch andere würden das tun. "Frau Ehrensberger sei eine äußerst unbequeme Person und Viele (sic!) streben an, diese dringlichst aus der Partei zu entfernen."

Thomas L. habe ihm die Versicherung vorgefertigt, Halemba habe sie bei ihm zu Hause abgeholt. Inzwischen aber bereue er, dass er sich "zögernd und aus falsch verstandener 'Gefälligkeit'" auf "diese dubiose Angelegenheit" eingelassen habe, schreibt er.

Das Geständnis ist bedeutend, es zieht auch die anderen eidesstattlichen Versicherungen in Zweifel. Doch Ehrensberger erhält ihre Mitgliedsrechte noch monatelang nicht zurück. Später erklärt das Schiedsgericht der Partei eine weitere der eidesstattlichen Versicherungen in einem Schreiben explizit als "eher unglaubwürdig".

"Das ist eine psychische Grausamkeit einem Parteimitglied gegenüber, ich kann mich davor nur ekeln", sagt Lippold-Eggen über die Methoden, die Halembas Unterstützer gegen Tanja Ehrensberger angewandt haben.

Aus Sicht der Burschenschafter dürfte sich das schmutzige Spiel gelohnt haben: Sie haben so nicht nur eine ihrer größten Kritikerinnen diffamiert. Sie haben auch dafür gesorgt, dass eine Person weniger gegen Halemba stimmen kann, als die Aufstellungsversammlung wiederholt werden muss.

Kapitel 5: Rechtsextrem und siegesgewiss

Wegen Beschwerden der Halemba-Kritiker empfiehlt die Wahlaufsicht bei der Bezirksregierung nämlich, die Aufstellungsversammlung zu wiederholen. Im März 2023 kommt der Kreisverband Unterfranken Nord erneut zusammen.

Die Verhältnisse aber haben sich nicht im Sinne der Halemba-Kritiker geändert, im Gegenteil: Tanja Ehrensberger ist nun nicht stimmberechtigt – die Mitglieder der Familie S. schon. Dieses Mal erscheint außerdem Gustav M.

Auch dieser junge Mann ist im Kreisverband Unterfranken Nord unbekannt, auch hier gibt es erhebliche Zweifel daran, dass er wahlberechtigt ist. Und auch er ist tief mit der Teutonia verwoben: Zum in der Szene bedeutenden Wartburgfest 2017 war er es, der zehn Teutonen zur Teilnahme anmeldete.

Unterstützt wird Halemba bei der Wiederholungswahl außerdem von mehr als einem Dutzend Mitglieder der JA, die "Stimmung machen", wie es Teilnehmer der Versammlung schildern. Sie tragen Trachten, Cordhosen, Anzüge. Sie laufen durch die Reihen, geben Wahlempfehlungen, grölen, klatschen. Manche trinken Alkohol, viel davon. Man ist siegesgewiss. Zu Recht.

Dieses Mal kandidiert Lippold-Eggens Ehemann Peter Eggen gegen Halemba. Er unterliegt – mit 6:3 Stimmen fällt die Wahl wieder für Halemba aus.

Kurz darauf wird Halemba bei der Aufstellung der Liste für die Landtagswahl für den aussichtsreichen Platz zwei vorgeschlagen – laut mehreren Teilnehmern von Bezirkschef Richard Graupner. Graupner selbst kandidiert auf der 1, der selbst in der Partei unbekannte Polit-Neuling Halemba soll direkt danach folgen.

Der Einzug in den Landtag ist ihm damit so gut wie sicher.

Kapitel 6: Die Spitze bleibt stumm

All diese Vorgänge werden den AfD-Spitzengremien in Land wie Bund gemeldet, vom Bezirks- über den Landesvorstand bis zur Bundesgeschäftsstelle. Lippold-Eggen und ihr Mann schildern ihre Zweifel im Detail, sie fordern, Halemba und Thomas L. aus der Partei auszuschließen, der Familie S. die Mitgliedsrechte zu entziehen und Tanja Ehrensberger beizustehen.

Doch vergeblich. In den meisten dieser Gremien ist die Zahl derer hoch, die dem rechtsextremen Flügel anhängen oder mit Rechtsextremen und ihren Methoden kein Problem haben. Lippold-Eggen sagt, sie habe in der Regel gar keine offizielle Reaktion erhalten, nicht einmal eine Eingangsbestätigung.

Für sie wie Ehrensberger ist das ein weiterer Beweis, wie weit die Unterstützung für Halemba reicht. Die Teutonen, die Junge Alternative, der rechtsextreme Flügel – die hingen alle zusammen. "Einer von oben gibt den Befehl und alle folgen. Egal wie zweifelhaft, egal wie illegal das Geforderte ist", sagt Ehrensberger. "Das ist eine rechtsextreme Sekte."

Auch auf einen umfangreichen Fragenkatalog von t-online reagiert der Landesvorstand Bayern nicht. "Eine unmittelbare Prüferfordernis von Seiten des Bundesverbandes hat nicht vorgelegen", heißt es aus der Bundesgeschäftsstelle. Schließlich seien die erhobenen Vorwürfe in Bayern geprüft und laut Aussage des Landesvorsitzenden juristisch aufgeklärt worden.

Daniel Halemba antwortet: Zu parteiinternen Vorgängen erteile er grundsätzlich keine Auskunft. Die von Lippold-Eggen erhobenen Vorwürfe seien "unzutreffend, leicht durchschaubar" und "von den zuständigen Parteigremien geprüft und zurückgewiesen" worden. "Bekannterweise" seien die Behauptungen sowie weitere Anschuldigungen "unterlegener Kandidaten" auch von der unterfränkischen Wahlkreisleitung verworfen und die Listen der AfD zur Wahl einstimmig zugelassen worden.

In Details "parteiinterner Vorgänge" gehen will auch Bezirkschef Richard Graupner nicht. Alle Angelegenheiten seien satzungskonform behandelt worden, schreibt er. Der Fragenkatalog lasse den sicheren Rückschluss zu, dass er auf "falschen beziehungsweise selektiven Informationen und Verschwörungstheorien" beruhe. Zudem habe bereits die Wahlleitung der Regierung von Unterfranken "zahlreiche von unterlegenen Kandidaten vorgebrachte Beschwerden geprüft und ausnahmslos zurückgewiesen".

Tatsächlich hat die Wahlleitung die Liste der AfD zur Landtagswahl zugelassen. Das aber verwundert wenig: Über die Meldeverstöße, die vom Teutonenhaus ausgegangen sind, ist dort wenig bekannt. "Bei der Stadt Würzburg wurden zwei Bußgeldverfahren aufgrund melderechtlicher Tatbestände betrieben", antwortet die Wahlkreisleitung auf Anfrage von t-online. "Inhaltlich liegen uns hierzu keine weiteren Informationen vor."

Entscheidend für die Wahlkreisleitung bei der Landtagswahl ist außerdem vor allem, dass die Wählenden ordentliche Parteimitglieder sind und ihren Wohnsitz für "mindestens drei Monate in Bayern" haben. Unter welchen Umständen und wo sie genau in die AfD aufgenommen wurden, ob sie von einem Kreisverband in den anderen geschoben wurden, scheint für sie keine Rolle zu spielen.

Nicht satzungsgemäße Aufnahme von Mitgliedern, falsche Angaben auf Anträgen, zweifelhafte eidesstattliche Versicherungen, dubiose Drohschreiben von Anwälten, Angriffe in den sozialen Medien – das alles sind eben keine Fälle für die Wahlkreisleitung, sondern für die Schiedsgerichte und Vorstände der AfD. .

Die Kritiker dieser Methoden sind in der Partei schon jetzt fast verstummt, mit jeder Aktion werden sie weniger: Im Fall Halemba wurden nur wenige Mitglieder laut. Davon sind mehrere nun ausgetreten.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherchen
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