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Springer-Chef Döpfner: "Er zeigt ein Verlegerverhalten nach Gutsherrenart"


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Kritik an Springer-Chef Döpfner
"Er verletzt grundsätzliche Regeln"

InterviewVon Lisa Becke

Aktualisiert am 14.04.2023Lesedauer: 4 Min.
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Mathias Döpfner (Archivbild): "Diese Ressentiments hat er offenbar nicht unter Kontrolle", sagt Volker Lilienthal von der Universität Hamburg. (Quelle: Bernd von Jutrczenka/dpa)
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Eine neue Veröffentlichung bringt Springer-Chef Döpfner in Bedrängnis. Sein Verhalten sei aus der Zeit gefallen, sagt Medienwissenschaftler Volker Lilienthal.

Ein Bericht der "Zeit" sorgt für Aufsehen: Die Zeitung hat am Donnerstag interne Nachrichten von Mathias Döpfner veröffentlicht. Diese soll der Vorstandsvorsitzende der Verlagsgruppe Axel Springer SE an seinen engsten Führungskreis geschickt haben; ein Teil davon ging offenbar an den damaligen "Bild"-Chefredakteur Julian Reichelt.

In den E-Mails und Chatnachrichten äußert sich der Springer-Chef abfällig über Ostdeutschland ("Ossis sind Kommunisten oder Faschisten"), wünscht sich vor der Bundestagswahl 2021 eine parteiliche Berichterstattung ("Kann man noch mehr für die FDP machen? Die sollten 16 Prozent mindestens kriegen") und begrüßt den Klimawandel ("Ich bin sehr für den Klimawandel"). Hier lesen Sie mehr zu den Enthüllungen.

Groß verwundert hätten die Ergebnisse den Medienwissenschaftler Volker Lilienthal von der Universität Hamburg nicht. Dennoch finde er die Recherche bemerkenswert. Im Gespräch mit t-online erklärt er, warum ihn Döpfners Verhalten nicht nur an das eines Gutsherren erinnere, sondern es auch unternehmerisch unklug sei.

t-online: Herr Lilienthal, wie viele Andere haben Sie heute Vormittag den "Zeit"-Bericht gelesen. Was dachten Sie?

Volker Lilienthal: Ich war mäßig überrascht. Aus anderen Veröffentlichungen der jüngeren Zeit wussten wir bereits, dass Mathias Döpfner ein Manager ist, der erratisch agiert und etwas verschroben denkt. Aber die Tiefenschärfe, die der "Zeit"-Recherche gelungen ist, ist bemerkenswert.

Volker Lilienthal.
Volker Lilienthal. (Quelle: Volker Lilienthal/privat)

Volker Lilienthal

ist Professor für "Praxis des Qualitätsjournalismus" an der Universität Hamburg. Anfang des Jahres hat er die Untersuchung "Medienethik bei Bild" veröffentlicht. Dazu hat er 2020 unter anderem an Redaktionskonferenzen bei "Bild" teilgenommen und Journalistinnen und Journalisten des Blatts befragt.

Inwiefern?

Es ist bemerkenswert, von wie vielen Ressentiments Döpfner – der ohne Zweifel ein hochintelligenter Mensch ist – sich leiten lässt. Diese Ressentiments hat er offenbar nicht unter Kontrolle. Er müsste diese aber kontrollieren, wenn er einen milliardenschweren, internationalen Medienkonzern leiten will. Schließlich hat er eine Verantwortung für seine Mitarbeitenden und für das Publikum.

Sind Döpfners Aussagen Privatsache oder gehen die nun geleakten Nachrichten die Öffentlichkeit etwas an?

Döpfner äußert sich hier nicht privat. Es geht um Medien, die Politik in Deutschland und seine unternehmerischen Kalkulationen im Hinblick auf die USA. All das geht uns als Gesellschaft an, weil wir hier intim nachvollziehen können, wie Entscheidungsträger in Medienkonzernen bestimmte Entscheidungen vorbereiten oder auch erzwingen. Wir sind als Öffentlichkeit potenziell von den Folgen eines solchen Agierens betroffen.

Überschreitet der Springer-Chef Ihrer Meinung nach auch eine moralische oder journalistische Grenze?

Als Verleger kann er seinen Redaktionen durchaus eine Linie vorschreiben. Also wenn er etwa sinngemäß sagt "Tut mehr für die FDP", ist das grundsätzlich rechtlich erlaubt. Die Frage ist allerdings, ist es verlegerisch und unternehmerisch klug, das zu tun.

Was wäre Ihre Antwort?

Nein. Über zwei Jahrhunderte der Professionalisierung haben die Medien eigentlich diese komplett parteilichen Einstellungen hinter sich gelassen. Es geht heute um eine professionelle Beurteilung der Geschehnisse mit gleichem Abstand zu allen politischen Lagern. Das ist nicht nur journalistisch besser, sondern auch kaufmännisch klüger.

Mathias Döpfner bei einer seiner zahlreichen öffentlichen Auftritte: Mit seinen Aussagen würden andere sich schnell auf dem Abstellgleis befinden. Schützt ihn die deutsche Medienlandschaft?
Mathias Döpfner. (Quelle: imago-images-bilder)

Mathias Döpfner

ist Vorstandsvorsitzender der Verlagsgruppe Axel Springer SE mit Sitz in Berlin, zu der unter anderem "Bild", "Welt", "Business Insider" und "Politico" gehören. Bis Ende 2022 war er Präsident des Bundesverbands Digitalpublisher und Zeitungsverleger. Er gilt als enger Vertrauter der Witwe des Konzerngründers, Friede Springer.

Warum?

Weil man dann nicht größere Gruppen in der Gesellschaft verprellt. Wenn er eine Zeitung wie "Bild" so politisch funktionalisiert, ist das etwas, bei dem viele Teile des Publikums nicht mitgehen. Am drastischen Auflagenrückgang bei "Bild" können wir auch sehen, dass genau das passiert: Ein Teil der Leute wendet sich ab.

Und das liegt auch direkt an seinem Verhalten als Verleger?

Ja, er zeigt ein Verlegerverhalten nach Gutsherrenart, das eher zum 19. als zum 21. Jahrhundert passt. Ein Verleger darf die politische Linie eines Mediums vorgeben, aber er sollte sich nicht in das Tagesgeschäft einmischen. Das müsste er seiner Chefredaktion überlassen, also die konkrete Frage, wie diese Linie jeden Tag neu umzusetzen ist. Er schickt hingegen offenbar digitale Tagesbefehle an seine Chefredakteure oder andere Befehlsempfänger.


Quotation Mark

Offenbar bildet sich Döpfner in Verkennung der Wirklichkeit ein, in Berlin sei dergleichen noch möglich.


Volker Lilienthal


Döpfner soll bei "Bild" eine Kampagne gegen Adidas initiiert haben, weil das Unternehmen während der Corona-Pandemie keine Miete mehr bezahlen wollte. Laut einer Recherche der "Financial Times" besitzt Döpfner mit anderen ein Haus in Berlin, in dem Adidas Mieter ist. Wie bewerten Sie das?

Er verletzt damit grundsätzliche journalistische Regeln. Die muss Döpfner kennen, weil er ja auch selbst als Journalist gearbeitet hat. Und er muss sie als Manager internationaler Medien kennen. Nehmen wir das Beispiel USA, wo es äußert selbstbewusste Journalistinnen und Journalisten gibt. Da würde eine solche Einflussnahme niemals akzeptiert werden. Offenbar bildet sich Döpfner in Verkennung der Wirklichkeit ein, in Berlin sei dergleichen noch möglich.

Was heißt das für die deutsche Medienlandschaft, wenn ein so mächtiger Verleger sich offenbar abfällig über Ostdeutschland äußert oder den Klimawandel lobt?

Wir haben das Glück, dass es in Deutschland eine große Medienvielfalt gibt, mit starken und unabhängigen Stimmen, auf die wir uns verlassen können. Dadurch werden Verirrungen, wie wir sie bei Döpfner gerade erleben und wie man sie auch in der "Bild"-Zeitung immer wieder beobachten kann, verdünnt. Das wird also relativiert durch den großen Chor der Vernünftigen. Wenn so etwas ans Tageslicht kommt, ist in einer freien Gesellschaft immer die Möglichkeit zur Korrektur gegeben. Im konkreten Fall könnten auch Aufsichtsgremien Konsequenzen ziehen.

Gehen Sie davon aus, dass das passieren wird?

Ich vermute, dass sich der Aufsichtsrat der Axel Springer SE seinen Reim darauf machen wird.

Heißt?

Das heißt zunächst einmal, dass sich Döpfner in den nächsten Wochen unangenehme Nachfragen wird gefallen lassen müssen und sich in den unternehmerischen Gremien rechtfertigen muss. Schließlich ist es so: Wenn ein Vorstandsvorsitzender als Einzelperson sich so teilweise irrational äußert, gefährdet das auch den Geschäftserfolg gerade in den USA.

Verwendete Quellen
  • Telefonisches Gespräch mit Volker Lilienthal am 13.04.2023
  • zeit.de: "Mathias Döpfner: Aber das ist dennoch die einzige Chance, um den endgültigen Niedergang des Landes zu vermeiden"
  • Volker Lilienthal: "Medienethik bei BILD: Eine Befragung, eine Inhaltsanalyse und eine Bibliografie der Forschung zu BILD (1967-2022)"
  • ft.com: "Axel Springer boss was landlord to Adidas during campaign against sports brand" (englisch, kostenpflichtig)
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