Dr. Karamba Diaby Wird er der erste Schwarze im Bundestag?
Wir sind ja inzwischen alle Weltbürger, reisen viel, haben Kontakt mit Menschen jeder Hautfarbe, alles normal. Aber waren Sie schon einmal in einem Raum voller schwarzer Menschen? Hunderter Schwarzer? Allein, als einziger Weißer? Aller Wahrscheinlichkeit nach wird Karamba Diaby bald sehr viel Zeit in einer großen Masse Weißer verbringen. Über 600, wenn alle da sind. Das Ereignis ist gleichzeitig historisch - und so banal: Dr. Diaby könnte als erster Abgeordneter mit afrikanischen Wurzeln in den Deutschen Bundestag einziehen.
Vorausgesetzt, nichts geht mehr schief. Der Direktkandidat der SPD in Halle könnte durchaus seinen Wahlkreis 72 gewinnen. Die Linke hat ihn zwar vor vier Jahren erobert, aber er ist traditionell eine SPD-Hochburg - und die Linke hat in letzten Umfragen für Sachsen-Anhalt stark verloren.
Diabys großer Pfand ist aber der dritte Platz auf der SPD-Landesliste. 2009 zogen drei Sozialdemokraten aus Sachsen-Anhalt über die Liste in den Bundestag ein – bei einem katastrophalen Partei-Ergebnis von 16,9 Prozent. In der jüngsten Umfrage von Infratest dimap kommen die Sozialdemokraten auf 20 Prozent. Der promovierte Chemiker und Geoökologe hat also schon einen Fuß in der Tür zum Berliner Reichstag.
Nur 21 MdBs haben ausländische Wurzeln
Josef Winkler, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der Grünen im Bundestag, hat eine dunkle Hautfarbe; seine Mutter kommt aus Indien. Der Schauspieler Charles M. Huber, Sohn eines senegalesischen Diplomaten und einer deutschen Mutter, tritt in Darmstadt als Direktkandidat an. Ist es endlich Zeit für einen Afrikaner im Bundestag?
Der gebürtige Senegalese lacht: “Es ist Zeit für mehr Vielfalt im Bundestag – ganz allgemein, ob schwarz oder nicht schwarz. Immerhin leben wir in einem Land, in dem 20 Prozent der Menschen einen Migrationshintergrund haben; und diese Zahl sollte sich auch in den politischen Gremien widerspiegeln.“ In den Kommunalparlamenten der Großstädte hätten beispielsweise nur vier Prozent der Abgeordneten ausländische Wurzeln, im Bundestag ganze 21 von 620 Parlamentariern. Das sind ärmliche drei Prozent.
Der 51-Jährige ist vor knapp 28 Jahren zum Studium nach Deutschland gekommen – lebt also schon länger in Deutschland, als er im Senegal war. Inzwischen ist er seit 20 Jahren in der Integrationspolitik tätig, Mitglied des Stadtrats von Halle und hat die Stadt nie länger als vier Wochen verlassen. Wieviel Senegal bringt er noch in den Bundestag? „Ich bin eine Symbiose aus unterschiedlichen kulturellen Prägungen: Senegal, DDR und Bundesrepublik Deutschland. In Prozentzahlen kann ich das aber nicht abwiegen.“
Diaby wurde von Nazis geschlagen
Natürlich sehe er aber Sachen auch anders als die hier geborenen Deutschen, vielleicht eher wie die 500.000 anderen Schwarzen, die hier leben: „Jeder Mensch, der eine Migrationserfahrung hat, gewinnt natürlich einen anderen Blick auf die Dinge – das empfinde ich als sehr wertvoll und möchte diese Erfahrungen auch in meine Arbeit einfließen lassen.“
Dabei hatte er es in Halle nicht immer einfach: Im Mai 1991 haben ihn Rassisten angegriffen und geschlagen – seine Brille ging zu Bruch. Im Umfeld der Stadt gibt es immer noch rechte Aktivitäten, wie der Landesverfassungsschutz berichtet – ist es nicht schwierig für einen Schwarzen in einem solchen Klima zu kandidieren? „Ich war damals nur zur falschen Zeit am falschen Ort“, sagt Diaby, „diese Menschen sind nicht repräsentativ für diese Gesellschaft. Ohne Ausländerfeindlichkeit verharmlosen zu wollen: Halle hat sich sehr verändert und ist heute eine moderne, internationale und offene Stadt geworden“, betont Diaby.
"Für meine Arbeit spielt die Hautfarbe keine Rolle"
Im Bundestag würde er sich nicht so sehr um die Integrationspolitik selbst kümmern, sondern um das, was er als ihr Fundament begreift: „Wenn wir den Menschen die Chance geben, dass aus ihnen etwas wird, werden sie sie nutzen. Deshalb werde ich mich vor allem um das Thema Bildung kümmern. Wir müssen auch den Immigranten die Möglichkeit geben, sich voll in diese Gesellschaft einzubringen.“ Vor allem müssten ausländische Ausbildungen schneller anerkannt werden, damit die Migranten sofort arbeiten könnten. Als Geoökologe interessiert ihn aber auch ein zweites großes Thema: Der Umweltschutz.
Bis dahin will er eigentlich nur einen normalen Wahlkampf führen: „Vor allem die Medien interessieren sich für meine Hautfarbe. Ich kann verstehen, dass sie für manche Menschen etwas Besonderes ist – aber für meine Arbeit spielt das überhaupt keine Rolle. Es geht mir nicht um die Hautfarbe, es geht mir um Themen.“ Sprechen ihn die Leute auf die Hautfarbe an? „Das ist minimal und meistens ja einfach auch nur aus Interesse. Rassismus ist zwar auch heute in Deutschland und Europa ein Problem, aber ich erlebe ihn sehr, sehr selten.“