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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Überraschende Studie So stark schneiden die Parteien auf TikTok ab
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Die Videoplattform TikTok spielt im Wahlkampf eine wachsende Rolle. Eine neue Studie zeigt nun, welche Parteien das soziale Netzwerk am besten nutzen – und wie sie das anstellen.
In den Umfragen muss er bis zum Schluss zittern, im Netz aber ist er der Spitzenreiter: FDP-Frontmann Christian Lindner hat nach einer Auswertung des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) auf TikTok die meisten Aufrufe mit einem einzelnen Wahlkampf-Video eingefahren. Darin zu sehen: die Schaumtorten-Attacke auf Lindner, unterlegt mit einem musikalischen Klassiker der US-Rapper Dr. Dre und Snoop Dogg. Insgesamt 36,8 Millionen Mal wurde das Video aufgerufen, so viel wie kein anderes eines deutschen Spitzenpolitikers im Bundestagswahlkampf.
Für die Studie, die t-online exklusiv vorliegt, haben die Forscher die Reichweite sämtlicher Bundestagsabgeordneten auf der Kurzvideo-Plattform TikTok im Zeitraum vom 1. November bis 16. Februar verglichen und inhaltlich ausgewertet. Das Ergebnis: Trotz Lindners One-Hit-Wonders ist es die AfD, die in dem sozialen Netzwerk die meisten Video-Aufrufe einfährt, nämlich rund 98,5 Millionen. Ähnliches war schon in früheren Wahlkämpfen zu beobachten.
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Auf dem zweiten Platz folgt die Reichweite aller SPD-Abgeordneten mit 73,3 Millionen Aufrufen, dahinter liegt die FDP mit 69 Millionen Views, wobei das Tortenwurf-Video hier mehr als die Hälfte der Aufrufe ausmacht. Die Linkspartei konnte ihre TikTok-Präsenz zuletzt stark ausbauen: Ebenfalls einen Hit landete deren Spitzenkandidatin Heidi Reichinneck mit ihrer emotionalen Rede im Bundestag zur gemeinsamen Mehrheit von Union und AfD. Die Partei holte im Beobachtungszeitraum 54,5 Millionen Videoviews.
BSW und Unionsparteien auf den hinteren Plätzen
Auf Platz vier schaffen es die Grünen – obwohl deren Frontmann Robert Habeck es nicht mit einem einzigen seiner Videos in die Top 10 der klickstärksten Clips schafft. "Stattdessen ist ein Video des Abgeordneten Robin Wagener auf Platz neun vertreten" schreiben die IW-Forscher. "Es zeigt einen Ausschnitt von Alice Weidels Auftritt in der ZDF-Sendung 'Klartext', in dem sie von dem Leiter eines Pflegeheims mit den aus seiner Sicht mangelhaften Plänen der AfD im Bereich Pflege konfrontiert wird." Versehen hat Wagener das Video mit dem Titel "Pflegeheimleiter entlarvt Alice Weidel". Ganz hinten im Ranking landen das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) sowie die Unionsparteien CDU und CSU mit 31,1 Millionen beziehungsweise 19,7 Millionen Aufrufen.
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Interessant an der Studie ist neben der reinen Reichweite in Aufrufzahlen auch, welche Themen für welche Partei gut funktionieren. Wenig überraschend ist bei der AfD die innere Sicherheit eines der beherrschenden Themenfelder, das ihr Klicks bringt. Linke und Grüne setzen dagegen stärker auf Videos zu Bürgerrechten und Demokratie, ebenfalls ein zentrales Thema auf TikTok.
Auffällig: Nicht etwa die FDP hat die größte Reichweite bei Wirtschafts- und Finanzthemen – sondern die SPD. Das wiederum liegt vor allem daran, dass Kanzler Olaf Scholz (SPD) mit zwei Videos zu diesem Thema unter den zehn reichweitenstärksten Videos gelandet ist. Im ersten reagiert Scholz auf den Appell des bekannten Influencers Brooklyn, der ihn aufruft, die Preise zu senken – im zweiten sind die beiden bei einem Treffen am Rande des SPD-Parteitags zu sehen.
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Davon abgesehen sind es vor allem Inhalte, die das IW unter "Persönliches & Memes" zusammenfasst, die auf TikTok viral gehen. Damit gemeint sind unter anderem lustige Clips wie jener von Lindner und der Torte, die keine eindeutige politische Botschaft haben. Aber auch ein Video von AfD-Chefin Alice Weidel, in dem sie US-Milliardär Elon Musk für seine Unterstützung im Wahlkampf dankt.
Bemerkenswert sei die Abwesenheit des Themenfelds "Klima & Umwelt" in den Reichweiten aller Parteien, heißt es in der Studie. Trotz seiner Bedeutung als Zukunftsthema habe es dieses Thema nach der Anzahl der Aufrufe nicht einmal unter die zehn Themen mit der größten Reichweite geschafft.
Das Fazit der IW-Forscher Hendrik Böhmer, Jan Engler und Luca Schröder: "TikTok funktioniert auch im Bundestagswahlkampf nach anderen Spielregeln als im politischen Diskurs üblich." Und angesichts der Millionen junger Menschen, die auf der Plattform unterwegs sind, werden diese Spielregeln wohl künftig noch wichtiger.
- IW-Kurzbericht: "TikTok im Bundestagswahlkampf: Zwischen Selbstdarstellung und politischer Botschaft"