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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Tod des Hisbollah-Chefs "Das könnte China oder Russland auf den Plan rufen"
Mit einem Luftschlag auf die libanesische Hauptstadt Beirut hat Israel am Freitag den Chef der Hisbollah ausgeschaltet. Was das für den Nahostkonflikt bedeutet, erklärt ein Experte.
Der Generalsekretär der libanesischen Hisbollah, Hassan Nasrallah, ist am Freitagabend bei einem israelischen Luftangriff getötet worden. Nasrallah sei auf die "Seite seines Herrn" gewechselt und habe sich seinen "großen und unsterblichen Märtyrern angeschlossen", teilte die Terrororganisation auf Telegram mit.
Bereits einige Stunden zuvor hatte das israelische Militär den Tod des 64 Jahre alten Hisbollah-Anführers bekanntgegeben. "Hassan Nasrallah wird nicht länger in der Lage sein, die Welt zu terrorisieren", teilte das Militär mit. Doch welche Auswirkungen hat der Tod des Islamistenführers auf die Region? Könnte er eine Ausweitung des Nahostkonflikts zur Folge haben? Darüber hat t-online mit dem Politikwissenschaftler Christian Mölling gesprochen.
t-online: Herr Mölling, der Chef der Hisbollah, Hasan Nasrallah, ist durch israelische Luftschläge getötet worden. Was bedeutet das für den Konflikt zwischen Israel und der Terrormiliz sowie den Nahen Osten allgemein?
Christian Mölling: Für den Moment zeigt es, dass die israelische Strategie weiter funktioniert. Nachdem die Armee einigermaßen den Gazastreifen kontrolliert, widmet sich Israel jetzt dem Norden und der Hisbollah.
Was bedeutet das?
Israel versucht, die Stärke seiner Gegner zu minimieren. Wir haben in den letzten Wochen und Monaten gesehen, dass das Land sehr tief in die Strukturen seiner Gegner eingedrungen ist. Das ist eine gefährliche Strategie. Denn wir wissen nicht, wie der Iran darauf reagiert und was in Zukunft noch alles möglich ist.
Die Hisbollah wurde durch die Attacken auf Pager, Funkgeräte und massive Luftangriffe der letzten Tage schon deutlich geschwächt. Sehen wir, wie diese Organisation gerade zerfällt?
Nein, das glaube ich nicht. Es wird einen neuen Anführer der Hisbollah und ein Wiedererstarken der Gruppe geben. Es gehört zum Nahostkonflikt dazu, dass jeder kurzfristige Erfolg zu neuem Hass und neuen Kämpfern führt. Die Hamas und die Hisbollah werden neue Mitglieder finden. Langfristig ist das kein Weg aus der Gewalt.
Zur Person
Christian Mölling ist Direktor des Programms "Europas Zukunft" der Bertelsmann-Stiftung. Davor war er für die "Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik" (DGAP) tätig. Er studierte Politik-, Wirtschafts- und Geschichtswissenschaften an den Universitäten Duisburg und Warwick und promovierte an der Ludwig-Maximilians-Universität München.
Warum setzt Israel dann diesen Weg fort?
Da Israel offensichtlich davon ausgeht, dass Drohungen zur Abwehr nicht reichen und kein Frieden und Ende der Gewalt möglich ist, kann man Militärschläge als Strategie verstehen. Gleichzeitig geht die Regierung auch aus innenpolitischen Gründen so vor, weil sie von ihren eigenen Problemen ablenken kann.
Selbst wenn es keinen langfristigen Frieden geben kann: Führen solche Aktionen nicht dazu, dass sich die Gewaltspirale in der Region immer weiter zuspitzt?
Die Gewalt wird weitergehen. Aber das Bild der Spirale ist falsch. Die Kämpfe können sich nicht unendlich weiter hochschaukeln. Irgendwann ist ein Maximum erreicht. Ob wir schon an diesem Punkt sind, weiß ich nicht. Aber die Frage sollte eher lauten: Welche Wahl hat überhaupt Israel? Das Land könnte natürlich die Kämpfe einstellen und hoffen, dass es nicht angegriffen wird. Diese Hoffnung ist in Israel aber nach den Attacken des 7. Oktober dahin. Also lautet die israelische Antwort: Wenn ohnehin schon alles in Flammen steht, gehen wir gegen alle Akteure vor, die unseren Staat zerstören wollen. Dafür nimmt Israel ja sogar in Kauf, dass es sich international isoliert und selbst die USA vor den Kopf stößt.
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Ist durch den Tod von Nasrallah ein Waffenstillstand zwischen Israel und Hisbollah unmöglich geworden?
Das ist schwer zu sagen. Ein Waffenstillstand könnte für die Hisbollah taktisch sinnvoll sein, weil sie so stark geschwächt ist. Aber wie soll das den Mitgliedern gerade jetzt vermittelt werden? Im Moment würde das wie eine Kapitulation wirken.
Die USA haben zuletzt immer wieder gesagt, sie seien über die militärischen Pläne Israels nicht informiert worden. Wie stark kann der Westen derzeit noch auf diesen Konflikt einwirken?
Israel ist nicht die Marionette der USA. Gleichzeitig kann das Land auch nicht vollständig alleine handeln. Joe Biden misst dem Selbstverteidigungsrecht Israels offensichtlich viel Bedeutung bei. Gleichzeitig fehlt den USA gerade der Hebel, um Israel unter Druck zu setzen, ohne das Land gegenüber seinen Feinden zu schwächen. Deswegen kann es auch jetzt sein, dass die USA auf die aktuelle Lage nicht reagieren. Mit einem Geiselaustausch und einem Waffenstillstand sind sie bis jetzt gescheitert. Solange sich der Iran nicht einmischt und damit eine rote Linie überschreitet, glaube ich nicht, dass sich die Amerikaner stärker in dem Konflikt einbringen werden.
Abzuwarten und zu merken, dass man gerade nichts tun kann, muss für die US-Regierung eine unbefriedigende Situation sein.
Aus der Sicht der Amerikaner ist das dramatisch. Joe Biden konnte dort bisher keinen Erfolg verbuchen. Er ist noch nicht vollständig gescheitert, aber dass der Konflikt weitergeht und vielleicht eskaliert, könnte ihm in Zukunft möglicherweise angelastet werden.
Der Iran hatte sich zuletzt zurückgehalten, auch nach dem Tod des Hamas-Chef Hanijah. Kann er diese Attacke einfach ignorieren?
Ignorieren wird der Iran die Vorfälle nicht. Aber das bedeutet nicht, dass sich das Land tiefer in den Konflikt wagen muss. Dieser Krieg ist für jede Partei gefährlich und der Ausgang ist ungewiss. Das sehen wir auch in der Ukraine: Der Krieg dauert dort eben nicht drei Tage, sondern mittlerweile bald drei Jahre. Der Iran muss sich jetzt überlegen, wie ernst er es mit der Unterstützung seiner Partner meint: Lässt er Hamas und Hisbollah alleine oder greift er ein? Das könnte dann wieder zu einer neuen Reaktion Israels führen. Es gibt aktuell keine Lösung, um dieses Buch "Nahostkonflikt" zuzuklappen. Es geht immer mit einem neuen Kapitel weiter.
Der israelische Generalstabschef Herzi Halevi hat angekündigt, dass das Militär weiter hinter den Feinden des Staates her ist. Wäre nach dem Tod der Chefs von Hamas und Hisbollah nicht aus israelischer Logik das iranische Staatsoberhaupt Ali Chamenei das nächste Ziel?
Ich würde nicht darauf wetten, dass Israel es wagt, sich dem Iran stärker zu nähern. Das könnte die gesamte regionale Balance auseinanderbringen. Möglicherweise würde das Akteure wie China oder Russland auf den Plan rufen. Wenn Israel den Iran aus dem Spiel nehmen will, gibt es viel höhere Risiken als bei seinen Stellvertretern.
- Interview mit Christian Mölling