Brisante Einladung Erste Merz-Ankündigung sorgt für Empörung

Die Linke tobt, der mögliche Koalitionspartner SPD übt verhalten Kritik. Es geht um eine brisante Einladung von Friedrich Merz.
Einen Tag nach der Bundestagswahl, aus der die CDU als stärkste Partei hervorgegangen ist, hat der Parteivorsitzende Friedrich Merz mit einem Vorstoß auf internationalem Parkett gleich für Wirbel gesorgt. Der 69-Jährige, der den geschäftsführenden Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) demnächst wohl im Amt ablösen wird, positionierte sich klar zu einem möglichen Besuch des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu in Deutschland.
Bei einem Telefonat am Sonntagabend habe er Netanjahu versichert, dass dieser in Deutschland nicht festgenommen werden würde. Laut israelischen Angaben kündigte Merz in dem Gespräch bereits eine Einladung für Netanjahu an.
Ein solcher Besuch ist nicht unumstritten, denn gegen Netanjahu liegt ein Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag (IStGH) vor. CDU-Chef Friedrich Merz betonte nun jedoch, dass er Netanjahu gern in Deutschland willkommen heiße und dieser ohne Konsequenzen einreisen könne. Diese Aussage löste umgehend Kritik aus.
SPD: "Unabhängigkeit des IStGH von zentraler Bedeutung"
Die Linkspartei warf dem CDU-Chef "Doppelmoral" vor. Deutschland habe immer darauf bestanden, dass internationale Haftbefehle umgesetzt werden müssten, sagte Linken-Co-Chef Jan van Aken. "Wenn Wladimir Putin nach Deutschland kommt, dann muss dieser Haftbefehl umgesetzt werden. Das Gleiche gilt für Netanjahu", sagte er. "Mit zweierlei Maß zu messen, ist eine Katastrophe." Zugleich betonte van Aken, dass Israels Existenzrecht "unverhandelbar" sei.
Auch der Den Haager Gerichtshof selbst schaltete sich ein. Demnach sei es nicht die Sache von Mitgliedstaaten, die Entscheidungen des Gerichtshofs einseitig zu beurteilen. Der Den Haager Gerichtshof wies darauf hin, dass auch Deutschland seit dem Römischen Statut verpflichtet sei, die Entscheidungen anzuerkennen und umzusetzen. Alle 27 EU-Staaten haben das Statut unterzeichnet. Israel erkennt den Gerichtshof dagegen ebenso wenig wie die USA an.
"Die Unabhängigkeit des IStGH ist dabei von zentraler Bedeutung, und wir respektieren seine Verfahrensabläufe sowie die Entscheidungen seiner Organe. Dies gilt ausnahmslos", sagte der SPD-Außenpolitiker Nils Schmid. Allerdings fügte er hinzu, dass "das Gebot kluger Diplomatie" erfordere, dass die Bundesregierung "geeignete Mittel und Wege finden wird, auch in Zukunft enge Beziehungen zur israelischen Regierung zu pflegen, ohne die Autorität des IStGH zu untergraben".
Die SPD gilt als möglicher Koalitionspartner der CDU. Nach der Bundestagswahl kommt für Merz eigentlich nur ein Bündnis mit den Sozialdemokraten oder eine Kenia-Koalition mit SPD und Grünen infrage. Entsprechende Verhandlungen zur Regierungsbildung werden in den kommenden Wochen erwartet. Merz hatte angekündigt, er wolle bis Ostern einen Koalitionsvertrag aushandeln, um sich danach zum Kanzler wählen zu lassen.
Deutschland ist den Statuten des IStGH verpflichtet
Netanjahu hatte Merz am Sonntag zu dessen Wahlsieg gratuliert. Am Montag verkündete sein Büro, dass Merz dabei eine Einladung ausgesprochen habe – trotz der "skandalösen Entscheidung des Internationalen Strafgerichtshofs, den Ministerpräsidenten als Kriegsverbrecher zu bezeichnen".
Der IStGH hatte Netanjahu dafür verantwortlich gemacht, den Krieg im Gazastreifen gegen die radikal-palästinensische Hamas-Bewegung mit ungerechtfertigter Härte geführt zu haben. Er weist dies zurück. Deutschland gehört zu den Unterzeichnern des Statuts des Gerichtshofs, müsste sich eigentlich an dessen Vorgaben halten und gilt als Verfechter der Autorität internationaler Organisationen und des Völkerrechts.
Von Seiten des CDU-Chefs hieß es, er habe Netanjahu gesagt, "dass wir uns bald sehen sollten nach der Regierungsbildung", berichtete Merz vor Journalisten. "Und für den Fall, dass er einen Deutschlandbesuch plant, habe ich auch zugesagt, dass wir Mittel und Wege finden werden, dass er Deutschland besuchen kann und auch wieder verlassen kann, ohne dass er in Deutschland festgenommen worden ist." Merz sagte weiter, er halte es "für eine ganz abwegige Vorstellung", dass ein israelischer Ministerpräsident die Bundesrepublik nicht besuchen könne.
Der SPD-Politiker Schmid deutete einen Ausweg an und verwies darauf, dass Israel als demokratischer Rechtsstaat "mit einer starken, unabhängigen Justiz", in der Lage sei, Vorwürfe hinsichtlich möglicher Völkerrechtsverstöße selbst aufzuklären. Dies steht im Einklang mit dem Komplementaritätsprinzip des IStGH, das die Zuständigkeit nationaler Gerichte betont, wenn diese entsprechende Verfahren durchführen. "Diese Möglichkeit steht den israelischen Behörden jederzeit und unverändert offen." Die Union und die SPD stehen vor der Aufnahme von Sondierungsgesprächen für die Bildung einer neuen Bundesregierung.
- Mit Material der Nachrichtenagenturen dpa und Reuters
- mdr.de: Geschäftsführend im Amt. Was die alte Bundesregierung noch darf – und was nicht