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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Andreas Scheuer nach Kritik an US-Trip "Das mag einige schockieren"
Der CSU-Politiker Andreas Scheuer verteidigt seine Reise zu Trumps möglichem Nachfolger, Floridas umstrittenem Gouverneur und Ron DeSantis. Er teile dessen Analysen für konservative Politik.
Diese Reise hat einen Sturm der Entrüstung ausgelöst: Der ehemalige Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer hat gemeinsam mit den CSU-Bundestagsabgeordneten Dorothee Bär und Florian Hahn den rechtskonservativen Republikaner Ron DeSantis besucht. Nachdem die Politiker Fotos von sich und dem Gouverneur aus Florida verbreitet hatten, wurden schnell Vorwürfe laut, die CSU hofiere ohne Not einen amerikanischen Rechtsextremisten.
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Ron DeSantis gilt in den USA als aussichtsreichster Nachfolger von Donald Trump. Insbesondere seine Gesellschaftspolitik in Bezug auf Homosexuelle, Transgender und Abtreibungsrechte ist bei politischen Gegnern hochumstritten. Noch ist offen, ob DeSantis sogar als Präsidentschaftskandidat für die Republikaner und gegen Trump kandidieren wird.
Im Interview mit t-online wehrt sich Andreas Scheuer nun gegen die erhobenen Vorwürfe gegen ihn und lobt den Gouverneur aus Florida für seine Politik.
t-online: Herr Scheuer, Sie waren in den USA und haben den republikanischen Gouverneur von Florida, Ron DeSantis, getroffen. Warum haben Sie diese Reise unternommen?
Andreas Scheuer: Gemeinsam mit Dorothee Bär und Florian Hahn bin ich für mehrere Tage nach Florida gereist, um wichtige politische Termine in Florida wahrzunehmen. Es ging dabei unter anderem um Digitalisierung sowie Bildungspolitik, Wirtschafts- und Steuerpolitik und ganz besonders um Sicherheits- und Geopolitik. Wir haben Thinktanks besucht und Finanzminister Jimmy Patronis getroffen. Der Termin mit Ron DeSantis war ein echter Höhepunkt dieser Reise. Der Gouverneur hat sich viel Zeit genommen, um mit uns zu sprechen.
Öffentlich kam die Frage auf, ob die Reise über Ihre Fraktion organisiert und bezahlt wurde oder ob Sie die privat unternommen haben. Was stimmt?
Es war keine private Reise, sondern dienstlich, mit offiziellem Programm.
Warum musste es ausgerechnet Ron DeSantis sein?
Er regiert als Republikaner seinen Bundesstaat ausgesprochen erfolgreich. Ron DeSantis wurde mit großer Mehrheit wiedergewählt und hat große Unterstützung in der Bevölkerung. Wie der Gouverneur selbst herausstellt, ist Florida im landesweiten Vergleich gerade beispielsweise in der Bildungspolitik sehr erfolgreich. Der deutsche Bundeskanzler ist sehr eng an US-Präsident Joe Biden und den Demokraten dran. Der nächste Präsident kann 2024 aber auch wieder ein Republikaner sein. Ron DeSantis gilt dafür neben Donald Trump als möglicher Hauptfavorit. Ich finde es extrem wichtig, in einer Zeit so großer globaler Herausforderungen und Probleme, dass deutsche Politiker den Kontakt zu Spitzenpolitiker in den USA pflegen. Dies sollten wir auch wieder mehr mit hochrangigen Republikanern tun.
Ging es nicht darum, ein Zeichen nach Hause zu senden, also um den bayerischen Landtagswahlkampf? Sie hätten ja auch ohne all die Fotos ein diskretes Treffen im deutschen Interesse abhalten können.
Ich halte es für vollkommen legitim, einen Besuch unter befreundeten Ländern als solchen auch öffentlich zu dokumentieren. Sonst würde es ja wieder als Geheimtreffen hochstilisiert. Nein, da gibt es nichts zu verbergen. Grundsätzlich: Wir sind Partner in der Nato. Wir sind von den USA in jeder Sekunde militärisch abhängig. Wir haben Krieg in Europa. Wir brauchen deshalb enge Kontakte über die Parteigrenzen hinweg. Die Bundesregierung ist mir da viel zu einseitig nur bei den Demokraten unterwegs.
Sie wissen, dass es gerade die Bildungspolitik von Ron DeSantis ist, die sowohl im Ausland als auch in den USA selbst sehr umstritten ist. Sie gilt als rassistisch, homophob und transphob. Die Gesetze, die er verabschiedet, deuten in Richtung Autoritarismus. Will sich die CSU auf diesen Weg eines Kulturkampfs begeben?
Ohne zu wissen, was überhaupt Gesprächsinhalt war, ist die linke Erregungskultur wieder intensiv am Start. Kontroverse, Debatte, Kritik gehören zur Demokratie. Man darf schon mal dieses Demokratieverständnis hinterfragen, anderen vorschreiben zu wollen, mit wem man reden und sich treffen darf, nur weil einem das selber nicht passt. Das sind genau die, die immer selbst mit dem moralischen Zeigefinger unterwegs sind, selbst gleich die Definition mitliefern und die Regeln sowie Verbote festlegen wollen. Ich mache Politik für die überwiegende große Mehrheit der Menschen, für die normalen Menschen. Einfach eine Politik einer Person oder Partei eines anderen Landes übernehmen zu wollen, nur weil man sich zu Gespräch trifft – diese Mutmaßung ist doch realitätsfern!
Halten sie Homosexuelle für nicht normal?
Sorry, falsche Frage. Homosexualität ist ein ganz normaler Teil unseres Zusammenlebens und unserer Gesellschaft. Jeder, der mich kennt, weiß, ich bin der liberalste Mensch. Ich bin Bayer, die Liberalitas Bavariae ist für mich Lebenseinstellung. Jeder, wirklich jeder soll so glücklich werden, wie er oder sie gerne leben möchte. Wir haben in Bezug auf Gleichberechtigung und Gleichstellung in den vergangenen Jahren viel erreicht. Gut so! Aber die Lautstärke, mit der ganz andere Minderheiten derzeit ihre Forderungen vortragen und damit die Debatten bestimmen, das halte ich gegenüber der großen Mehrheit für keine gute Entwicklung.
Was sind für Sie normale Menschen, wie Sie es nennen?
Wenn sich fünf Leute auf die Straße kleben, dann steht auch die Mutter im Stau. Die steht ganz hinten, hat früh die Kinder in den Kindergarten und in die Schule gebracht, muss zur Arbeit kommen wie alle anderen. Sie will nicht von Sozialleistungen leben, sie will was leisten. Über die wird aber nicht gesprochen. Die normalen Menschen kommen in den Debatten zu kurz. Ich sage Ihnen, die Menschen, die ich treffe, haben ganz andere Sorgen als Klimahysterie oder Genderfragen. Ich habe Angst vor einer Spaltung Deutschlands und vor Zuständen, wie sie schon heute in den USA existieren. Wir können nicht nur Politik für Washington, New York und Kalifornien machen und auch nicht nur für die Berliner Bundesbubble. Die Ampel kümmert sich zu wenig um die Leistungsträger, den Mittelstand, die Familienunternehmen und die arbeitende Bevölkerung. Ron DeSantis spricht hierzu eine sehr klare Sprache und hat damit wie gesagt großen Erfolg. Man muss nicht seiner Meinung sein, aber darüber mal vorurteilsfrei diskutieren.
Wozu Politik gegen Minderheiten machen, wenn man das eine machen kann, ohne das andere zu lassen?
Es gibt aktuelle Fragen, zum Beispiel bezüglich des sogenannten Geschlechterwechselgesetzes der Ampel, die ich sehr kritisch sehe. Auch DeSantis adressiert das in anderem Kontext klar. Er warnt davor und will bestimmte Zeitgeistentwicklungen unterbinden. Ich teile die Analysen von DeSantis. Das mag einige schockieren. Aber dazu stehe ich. Ich halte das für vollkommen legitim und richtig. Wir brauchen wieder Grundsatzdiskussionen. Es geht um die Gewichtung der Themenauswahl. Man muss nicht alles teilen, was DeSantis und die Republikaner machen. Aber es ist wichtig, konservative Politik zu machen und darüber im Gespräch zu sein.
Muss man sich dazu Rechtsextremen andienen?
Wer dient sich an? Ich bin weit davon entfernt. Vorsicht auch mit solchen Begriffen! Wir haben uns zum Gespräch mit dem demokratisch gewählten Gouverneur des Bundesstaates Florida getroffen? Grundsätzlich gilt: Wenn wir nach vielen anstehenden Wahlen in Deutschland wieder dastehen und uns wundern, dass Protestwähler mehr werden, dann kommen wieder die großen Erklärungen. Wir wären mit unseren Inhalten nicht durchgedrungen, ist so eine Phrase. Aber das stimmt nicht. Die Wähler sind viel intelligenter, als manche Politiker und Journalisten denken. Wir müssen Politik machen, die die Sorgen und Anliegen der Menschen wirklich aufgreift.
Andreas Scheuer, Jahrgang 1974, war ehemaliger Bundesverkehrsminister und CSU-Generalsekretär. Er ist seit 2002 Abgeordneter des Deutschen Bundestages.
Die Meinung von DeSantis in Bezug auf den Ukraine-Krieg ist, vorsichtig ausgedrückt, doppeldeutig. Er hat den völkerrechtswidrigen Angriffskrieg der Atommacht Russlands gegen die Ukraine als Territorialkonflikt bezeichnet, der nicht im Interesse der USA liege. Teilen Sie auch das?
Mir war es als Mitglied im Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union im Deutschen Bundestag extrem wichtig, über genau diese Fragen mit dem Gouverneur zu sprechen – übrigens auch für Florian Hahn, einem absoluten Experten im Bereich Verteidigungs- und Außenpolitik. Wir haben Ron DeSantis in diesen Fragen als sehr positiv wahrgenommen. Sowohl seine außenpolitischen als auch seine strategischen Einschätzungen waren kompetent und er zeigte sich sehr gut informiert. Wir brauchen die USA gegen die Aggression Russlands. Ich habe wahrgenommen, dass der Gouverneur sehr aufgeschlossen für unsere Sichtweise und unsere Informationen war.
Aber DeSantis scheint zu jenen zu gehören, die Russland eher als europäisches Problem sehen und ihren Fokus lieber ganz auf China richten wollen.
Ich habe Ron DeSantis in dieser Frage als sehr viel differenzierter erlebt, als es etwa Donald Trump zu sein scheint. Wir haben bei ihm explizit für ein weiteres Engagement der USA in der Ukraine geworben. Es war uns wichtig, dafür ein Gefühl aufzubauen. Die Amerikaner haben recht damit, dass wir Europäer eine viel klarere China-Strategie brauchen. Was mich bewegt, ist, dass wir eine solche Strategie viel besser gemeinsam mit den USA abstimmen müssen. Dabei geht es auch um den chinesischen Einfluss in den Nachbarstaaten. Als Präsident der Asienbrücke habe ich das Miteinander im Vorgehen klar definiert. Bei DeSantis rennen wir damit offenen Türen sein. Wir brauchen eine gemeinsame Asia-Pazifik-Strategie.
Welchen Eindruck haben Sie von DeSantis insgesamt. Tritt er nun gegen Donald Trump an oder nicht?
Ich habe DeSantis als sehr offen erlebt. Als ruhig, taff und zielorientiert. Alles andere war kein Thema.
Werden Sie Ihre Florida-Erfahrungen mit Ihrer Fraktion oder gar der Bundesregierung teilen?
Natürlich mit unserer eigenen Fraktion. Wenn an unserer Einschätzung die Bundesregierung oder andere Fraktionen im Bundestag Interesse haben, dann bin ich offen und bereit. Wir sind ja Demokraten.
- Telefonisches Interview mit Andreas Scheuer