Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.
Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet."Krieg gegen Russland" Das ist brandgefährlich
Außenministerin Baerbock hat in Straßburg gesagt, dass sich Europa im Krieg mit Russland befindet. War das eine riskante Formulierung?
Eigentlich wollte sie um Zusammenhalt werben. Doch was Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) am Dienstag im Europarat in Straßburg sagte, sorgt inzwischen international für Aufsehen. Nach ihrer Rede wurde sie von dem britischen Abgeordneten Christopher Chope gefragt, was man tun könne, um die deutsche Regierung zu einer schnelleren Unterstützung der Ukraine zu bewegen. Chope bezog sich dabei explizit auf das lange zögerliche Verhalten Deutschlands beim Thema Panzerlieferungen.
Baerbock wollte das nicht so stehen lassen. "Ja, wir müssen mehr tun für die Verteidigung der Ukraine, auch im Bereich der Panzer", antworte sie, mahnte dann aber weiter: "Aber das Wichtigste ist, dass wir es gemeinsam tun – und dass wir uns nicht gegenseitig die Schuld zuweisen in Europa. Denn wir kämpfen einen Krieg gegen Russland und nicht gegeneinander."
Das Auswärtige Amt relativierte die Formulierung anschließend. Russlands Krieg gegen die Ukraine sei auch ein "Krieg gegen die europäische Friedensordnung und das Völkerrecht". Doch da war die Diskussion schon entbrannt.
Sind Baerbocks Äußerungen gefährlich?
Moskau wird sich freuen
"You had one job!" (Du hattest EINEN Job!) ist eine Formulierung aus dem Englischen, die in den sozialen Netzwerken häufig verwendet wird. Sie soll zum Ausdruck bringen, dass jemand im Beruf grandios gescheitert ist. Annalena Baerbock hatte am Dienstag einen solchen "You had one job!"-Moment.
Als Chefdiplomatin ist ihre wichtigste Aufgabe die der Vermittlerin. Dazu können auch deutliche Worte gehören. Aber diese sollten immer strategisch durchdacht sein und dem Ziel dienen, eine Lösung herbeizuführen.
Genau das hat Baerbock aber vor dem Europarat nicht getan. Sie hat damit ihre wichtigste Aufgabe verfehlt.
Es mag auf den ersten Blick mutig klingen, einmal sehr deutlich zu sagen, wie sich der Ukraine-Krieg auch für viele Deutsche anfühlt. In der politischen Wirkung ist die Äußerung brandgefährlich. Es ist der Kern der russischen Propaganda, zu erzählen, man befinde sich keineswegs im Krieg mit der Ukraine. Vielmehr habe sich der Westen zu einem Krieg gegen Russland mit dem Ziel entschieden, das Land zu vernichten. Diese Opferlyrik verbreitet Putin bereits seit mehreren Jahren.
Baerbock liefert ihm nun einen vermeintlichen "Beweis", dass sein Lügennarrativ zutrifft. Damit spielt sie ihm ungewollt in die Hände. Klüger wäre gewesen, zu betonen, dass man sich keinesfalls mit Russland im Krieg befinde. Sondern zu wiederholen, dass Russland sich zu einem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen die Ukraine entschieden hat und Deutschland gemeinsam mit vielen anderen Ländern die Ukraine dabei unterstützt, sich dagegen zu verteidigen. Und dass es Russland jederzeit offenstehe, an den Verhandlungstisch und zu einer Friedenslösung zurückzukehren.
Natürlich wird Moskau von seiner Propaganda nicht lassen, egal, wie sich der Westen verhält. Aber eine deutsche Außenministerin sollte dem nicht auch noch Nahrung geben.
Es ist nur das Offensichtliche
Baerbocks Äußerung ist nicht gefährlich. Gefährlich ist der russische Angriffskrieg. Gefährlich sind die permanenten Bestrebungen des Kremls, sein Einflussgebiet nicht nur auf die Ukraine, sondern nach Ost- und Mitteleuropa auszuweiten.
Der Kreml sieht sich im Krieg mit der Nato, mit Europa, mit Deutschland. Deswegen unterstützen die Demokratien der Welt die Ukraine selbstverständlich nicht ausschließlich selbstlos in ihrem Kampf gegen den russischen Terror. Sie tun es auch um ihrer selbst willen.
Wieso soll das die Außenministerin Deutschlands nicht sagen dürfen?
Es heißt, das zahle auf die russische Erzählung ein. Der Kreml könne damit Propaganda betreiben. Das kann der Kreml aber auch völlig anlasslos – und tut es auch. Die Vorwände für seine Invasion entbehren jeglicher Grundlage. Nichts wird ihn davon abhalten, dies auch in Zukunft zu tun.
Abschreckung bedeutet auch: Sich nicht einschüchtern zu lassen. Sich nicht das Wort verbieten zu lassen. Und keinen Zweifel daran zu lassen, dass EU und Nato zur Verteidigung bereit sind – wenn Russland seinen täglichen Drohungen von Angriffen auf Europa Taten folgen lassen sollte.
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