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USA: Das ist Donald Trumps neue, perfide Zerstörungsstrategie


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Juristische Attacken
Trumps neue, perfide Zerstörungsstrategie


Aktualisiert am 08.07.2021Lesedauer: 7 Min.
Golfclub statt Weißes Haus: Trump klagt gegen Facebook, Twitter und GoogleVergrößern des Bildes
Golfklub statt Weißes Haus: Trump klagt gegen Facebook, Twitter und Google. (Quelle: imago-images-bilder)

Donald Trump verklagt Facebook, Twitter und Google, weil sie ihn stumm geschaltet haben. Das Vorgehen gegen die Konzerne folgt einem viel größeren Plan: Der Ex-Präsident will auf dem Rechtsweg auch die neue Regierung in die Knie zwingen.

Als Donald Trump am Mittwochnachmittag seine Kampfansage gegen die drei Tech-Giganten Google, Facebook und Twitter verkündet, scheint es fast, als sei er noch immer Präsident. Er steht vor einem weiß getünchten Hauseingang mit runden Säulen. Vor ihm ein Rednerpult, geschmückt mit dem Siegel der Vereinigten Staaten. Hinter ihm die Sternenbanner-Standarten und Menschen, die wichtig wirken.

Alles soll vergessen machen, dass der Ex-Präsident nicht in Washington, D.C., sondern in seinem Golfklub in Bedminster, New Jersey, in die Kameras spricht. Immerhin geht es gegen Mark Zuckerberg, Jack Dorsey und Sundar Pichai, die Chefs von Facebook, Twitter und Google. Sie haben Donald Trump von ihren Social-Media-Plattformen verbannt, indem sie seine Profile sperrten. Den Ex-Präsidenten haben sie damit seiner stärksten Waffe beraubt. Sein direkter Draht zum Volk ist seit dem Sturm aufs Kapitol im Januar durchtrennt.

"Wenn sie das mir antun können, können sie es jedem antun", richtet Donald Trump seine Worte jetzt an die Öffentlichkeit. Drei Klagen habe er deshalb in Florida eingereicht. Denn nicht weniger als die Redefreiheit hätten die drei Konzerne verletzt. Dies sei verfassungswidrig und außerdem vollkommen unamerikanisch, so Trump. Ein "korruptes Zensurregime" sei das, gar die "Zensurabteilung" der aktuellen US-Regierung.

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Geflecht aus alten Gefährten und neuen Organisationen

Trump erreicht mit diesem Auftritt den vorläufigen Höhepunkt seiner längst laufenden Agenda. Er will den Rechtsstaat mit den eigenen Mitteln in die Knie zwingen. Egal, wie erfolgversprechend seine Klagen vor Gericht sein mögen. Trump wählt den Rechtsweg zum Weiterregieren. Denn was für ihn zählt, ist vor allem, im Gespräch zu bleiben. Und sei es durch reine Symbolpolitik.

Er, der Mann des Volkes, gegen die da oben – ob in Washington, D.C. oder im Silicon Valley. So sieht Trump das.

Sollte ein Gericht gegen ihn entscheiden, wird er den Richtern zur Not Befangenheit vorwerfen. Die landesweit zahlreichen, bislang erfolglosen Klagen wegen vermeintlichen Wahlbetrugs zeugen von dieser Strategie.

Um seine zahlreichen juristischen Kriege mit den Mitteln des demokratischen Rechtsstaates zu führen, hat Trump inzwischen ein Geflecht aus alten Gefährten und neuen Organisationen gesponnen. Sie alle sind seiner America-First-Agenda verpflichtet. Im ganzen Land sollen sie US-Gerichte aufmischen und das Volk aufmerksam machen auf den Kampf für die vermeintliche gerechte Sache.

Rechtshilfe von rechts

In seinem Statement im Bedminster Golfklub sagt der Ex-Präsident nicht ohne Grund, er reiche seine Klagen zusammen mit dem "America First Policy Institute" ein, einer Organisation, die bereits 2017 gleich nach seiner Amtseinführung gegründet worden war. Vor allem Spenden werden hierüber eingesammelt und wieder verteilt für Trumps Projekte. Im Zuge der Kapitol-Proteste berichtete der Fernsehsender CNBC, dass Trump-Anhänger mithilfe des "America First Policy Institute" über versteckte Kanäle an Geld gekommen sein sollen, um etwa Busfahrten nach Washington, D.C. zu organisieren.

Eine andere solche America-First-Organisation wurde von Anhängern Trumps erst im April dieses Jahres in enger Absprache mit dem Ex-Präsidenten gegründet: "America First Legal" (AFL). Sie ist darauf angelegt, die Gesetzgebung der Biden-Administration vor den Gerichten des Landes mit Klagen zu bekämpfen. "America First Legal" soll dabei als Anwalt des kleinen Mannes gegen den übermächtigen Staat auftreten.

Mit dabei ist Trumps ehemaliger Planungschef im Weißen Haus, der ultrakonservative Mark Meadows. Sein einstiger Generalstaatsanwalt Matt Whitaker ist ebenfalls an Bord. Ein Mann, der schon als Patentanwalt die Anliegen von Männern vertreten wollte – etwa mit der Erfindung einer speziell an männliche Bedürfnisse angepassten Toilette.

Comeback des rhetorischen Flammenwerfers

Die wohl schillerndste Figur bei "America First Legal" aber ist Stephen Miller. Lange galt er als der Mann, der einst den Hass in Donald Trumps Reden brachte. Andere bezeichneten ihn währenddessen Präsidentschaft gar als seinen rhetorischen Flammenwerfer. Gemeinsam mit dem rechtsradikalen Steve Bannon schrieb Miller 2017 etwa die düstere Amtsantrittsrede von Donald Trump. Bannon und Miller schürten darin die Erzählung vom vergessen Volk und den abgehobenen politischen Eliten in Washington, D.C.:

"Zu lange hat eine kleine Gruppe in der Hauptstadt unseres Landes die Früchte der Regierung geerntet, während das Volk die Kosten getragen hat", rief Trump damals von den Stufen des Kapitols, während sein Vorgänger Barack Obama den Moment stoisch sitzend ertragen musste. Während Arbeitsplätze verschwinden und Fabriken schließen würden, hätte sich das Establishment selbst geschützt, aber nicht die Bürger des Landes, so Trump damals weiter. Das alles aber ändere sich nun mit ihm, Donald Trump. "Dies ist euer Tag. Dies ist eure Feier, und dies, die Vereinigten Staaten von Amerika, das ist euer Land", sagte Trump. Das "Gemetzel" am amerikanischen Volk – es ende hier und jetzt.

Rund vier Jahre später spinnt Donald Trump mit Stephen Miller und seinen anderen Gefolgsleuten weiter an dieser Geschichte: Die Amerikaner seien ein Volk der durch politische und digitale Eliten Entrechteten.

Miller, Trumps einstiger engster Berater und Redenschreiber, unterhält nach wie vor enge Freundschaften ins rechtsextreme Milieu. Beispielsweise mit dem White-Supremacy-Aktivisten Richard B. Spencer, dem Mitbegründer der Alt-Right-Ideologie. So wundert es nicht, dass Miller auch keinen Zweifel daran lässt, wer mit Trumps vergessenem Volk gemeint ist, nämlich vornehmlich die weißen, männlichen Amerikaner.

"Anti-Amerika-Kreuzzüge der radikalen Linken"

Die Selbstbeschreibung der "America First Legal Foundation" ist Miller-Sound pur. Die Prinzipien von Trumps America-First-Ideologie seien derzeit "under attack" wie nie zuvor, ist dort zu lesen. Sicherheit, Freiheit, Souveränität und die grundlegendsten Rechte und Werte würden systematisch demontiert "von einer unheiligen Allianz aus korrupten Sonderinteressen, Big-Tech-Titanen, den Fake-News-Medien und liberalen Washingtoner Politikern". "America First Legal" sei gegründet worden, um das Land vor dieser angeblich koordinierten Kampagne zu retten. Miller wirbt um Spenden für die angestrebten Gerichtsverfahren gegen die "Anti-Amerika-Kreuzzüge der radikalen Linken".

Tatsächlich können Trumps Gehilfen erste Erfolge vorweisen. Im Juni unterstützte die Organisation von Miller, Whitaker und Meadow die weißen Besitzer der Restaurantkette "The Lost Cajun" in Texas bei einem Rechtsstreit gegen die für kleine und mittlere Unternehmen zuständige US-Bundesbehörde "Small Business Administration" (SBA). Der Grund: Die SBA verteilte rund 29 Milliarden Dollar aus einem staatlichen Fonds für Corona-Hilfen an Restaurants. Zuerst sollten dabei aber Inhaber unterstützt werden, die "sozial und wirtschaftlich benachteiligt" sind – darunter Frauen, Veteranen oder Menschen mit nicht weißer Hautfarbe. "America First Legal" argumentierte, dieses Vorgehen sei nicht verfassungsgemäß und "Rassendiskriminierung" gegen Weiße.

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"America First Legal" siegte: Ein Richter setzte die Auszahlung der Hilfsgelder per einstweiliger Verfügung aus. Zugleich ließ er die Auszahlung an andere, also weiße, Inhaber zu. Miller twitterte: "Dies ist erst der Anfang unseres Kampfes gegen institutionellen Rassismus. Unterstützen Sie noch heute unseren Rechtsstreit." In einem weiteren Statement griff er den Präsidenten direkt an: "Die Biden-Regierung hat unzähligen Amerikanern unnötiges Leid zugefügt." Deren verfassungswidriges System habe Restaurantbesitzer aufgrund ihrer Rasse ans Ende der Warteschlange gesetzt. Tatsächlich gab es noch weitere solcher Fälle, bei denen Gerichte sich gegen diese Praxis aussprachen.

Geschickt machen sich Miller und seine Mitstreiter auf diese Weise zu Anwälten von jenem Teil des Volkes, das sie in Stellung bringen wollen in einer Zeit, in der sie von ihrer Macht im Weißen Haus abgeschnitten sind. Zuletzt verkündete Miller Anfang Juli einen neuerlichen Sieg. Gerichte in Florida, Wisconsin und Texas haben Hilfen für schwarze Landwirte ausgesetzt, weil "America First Legal" dagegen geklagt hatte. "Die AFL hat eine einstweilige Verfügung gegen Bidens illegale 'Equity'-Initiative gewonnen, die Landwirten einen Schuldenerlass allein aufgrund ihrer Rasse verweigert hat."

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Deutungskampf um eine Anti-Rassentheorie

Und noch ein alter Bekannter Donald Trumps macht von sich Reden: Russell Vought. Auch er war einst als Direktor des Office of Management and Budget ein hochrangiges Mitglied der Trump-Regierung. Auch er sitzt inzwischen einer Pro-Trump-Organisation vor: dem "Center for Renewing America". Ziel ist es nach eigenen Angaben, den Kampf für die Freiheit und gegen die großen Tech-Unternehmen, gegen unsichere Grenzen und gegen die staatsgläubige Biden-Regierung zu führen.

Ein ganz besonderes Anliegen auch in dieser Trump-Organisation ist es, die Rechte und Privilegien der weißen amerikanischen Bevölkerung schützen zu wollen. So kämpft Vought in vielen Bundesstaaten gegen die bereits 40 Jahre alte, sogenannte Critical Race Theory. Es ist eine wissenschaftliche Sicht auf Rassismus in den USA, die versucht, den Blick auf strukturelle Benachteiligung von bestimmten Gruppen zu lenken und darauf, dass "Rassen" vor allem soziale Konstrukte sind. Vought und seine konservativen Mitstreiter hingegen versuchen, Rassismus als ein individuelles Problem von einzelnen Personen darzustellen, das individuell gelöst werden müsse.

Insgesamt sollen lokale Initiativen an inzwischen mehr als 160 Orten gegen die angebliche Vermittlung der "Critical Race Theory" etwa an Schulen oder Universitäten vorgehen. Inwiefern diese Theorie überhaupt unterrichtet wird, ist dabei kaum belegt. Russell Vought aber unterstützt, wo er kann – auch staatliche Gesetzgeber beim Ausarbeiten und Fördern von Gesetzentwürfen gegen die Theorie. In 22 Bundesstaaten soll es inzwischen Gesetzesvorhaben geben, die sich auf Voughts Anliegen stützen. Auf der Webseite des "Center for Renewing America" findet sich seit Anfang Juni ein "A bis Z Leitfaden", mit dessen Hilfe der Kulturkampf wider die "Critical Race Theory" in jeder Kommune gelingen soll.

Vought kann sich der Unterstützung von Trump sicher sein, denn er ist von zentraler Bedeutung in dem großen Organisationsgeflecht des Ex-Präsidenten. Und sei es, um Spenden einzusammeln. "Russel Vought hat in meiner Verwaltung einen fabelhaften Job gemacht, und ich habe keinen Zweifel daran, dass er weiterhin großartige Arbeit machen wird bei unserem Streben danach, Amerika wieder großartig zu machen", sagt Trump über ihn. Vought dankt es ihm, indem er auch Trumps neuesten Kampf gegen "Big Tech" unterstützt.

"Das 'Center for Renewing America' ist der Auffassung, dass der eiserne Griff der Big-Tech-Oligarchie gelockert werden und – wenn nötig – zerschmettert werden muss", heißt es auf seiner Webseite. Nur so könne sichergestellt werden, "dass die amerikanische Idee auch für zukünftige Generationen weiterlebt". Dass es vor allem um das politische Überleben von Donald Trump geht, steht dort nicht.

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