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Corona in den USA: Impfstoff ein Erfolg für Donald Trump – und den Staat


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Operation "Warp Speed"
Trumps guter Kampf

  • Johannes Bebermeier
Von Johannes Bebermeier, Washington

27.11.2020Lesedauer: 4 Min.
Donald Trump: Die Erforschung von Impfstoffen und Medikamenten ist seine einzig wirkliche Strategie in der Corona-Pandemie. Zumindest das scheint zu funktionieren.Vergrößern des Bildes
Donald Trump: Die Erforschung von Impfstoffen und Medikamenten ist seine einzig wirkliche Strategie in der Corona-Pandemie. Zumindest das scheint zu funktionieren. (Quelle: Susan Walsh/ap)
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Die Corona-Pandemie ist in den USA außer Kontrolle, auch wegen des Präsidenten. Einen Impfstoff wird es trotzdem so früh wie nirgends sonst geben. Ein Erfolg für Donald Trump – und den Staat.

Im Büro von General Gustave Perna in Washington hängt eine Tafel an der Wand. Mit Filzstiften ist dort eine Zeitleiste aufgemalt, so ist es auf einem Video zu sehen. Der erste Eintrag in einer langen Reihe lautet: "D-Day".

Gustave Perna, 60 Jahre alt, plant keine Invasion. An seinem D-Day werden keine Truppen in der Normandie anlanden, um Europa zu befreien. An Pernas D-Day wird eine der größten Logistikoperationen in der US-Geschichte beginnen: die Verteilung eines Corona-Impfstoffs an 330 Millionen Amerikaner.

Die USA werden wohl der erste Staat der Welt sein, der seine Bürger großflächig gegen das Coronavirus impfen kann. Es wäre ein riesiger Erfolg für die Regierung von Präsident Donald Trump, wenn auch sein einziger im Kampf gegen die Pandemie. Und es wäre ein Beweis für die Fähigkeiten des Staates – ausgerechnet in den traditionell staatskritischen USA.

Die große Wette

Impfstoffe und Medikamente waren in der Corona-Krise die einzigen Mittel, für die sich Donald Trump langfristig begeistern konnte. Im Mai hatte er die Operation "Warp Speed" ins Leben gerufen. Es ist ein typischer Trump-Name – übergroß. Er stammt aus der Science-Fiction-Serie "Star Trek" und steht für die märchenhafte Geschwindigkeit, mit der Raumschiffe dort von Planet zu Planet fliegen.

Doch der Name beschreibt die Dimension der Herausforderung gar nicht schlecht. Was sonst viele Jahre dauert, darf jetzt nur einige Monate in Anspruch nehmen. Der Staat hilft dem Markt dafür in praktisch jeder Phase. Experten aus dem Gesundheitsministerium, der Seuchenschutzbehörde CDC, dem Verteidigungsministerium und vielen anderen Behörden arbeiten mit den Pharmariesen zusammen.

Die USA haben sechs Unternehmen ausgesucht, die an einem Impfstoff arbeiten. Schon lange bevor einige davon jetzt Erfolge in der Entwicklung vermeldeten, haben sie ihnen viele Millionen Dollar gezahlt. Für die Forschung selbst, für klinische Tests, für den Aufbau und Ausbau von Produktionsfabriken.

Auch der Impfstoff selbst wird längst in großen Mengen hergestellt und ist schon vom Staat bezahlt – obwohl er noch gar nicht zugelassen ist. Rund zehn Milliarden Dollar sind für Operation "Warp Speed" bisher genehmigt, doch schon jetzt ist klar, dass es viele Milliarden mehr werden.

Es ist eine gewaltige Wette.

Keine Army-Trucks, sondern Bullis von UPS und FedEx

Eine Wette, die sich an General Pernas D-Day auszahlen dürfte. Mit dem schlichten Kommando "Ausführen" will Perna dann die Verteilung starten, wie er in der Fernsehsendung "60 Minutes" erzählte. 24 Stunden später sollen die ersten Impfdosen ausgeliefert sein.

Rund 20 Millionen Amerikaner könnten so schon im Dezember geimpft werden. Zunächst Senioren und andere Hochrisikogruppen. In den ersten Monaten danach sollen es jeweils 25 bis 30 Millionen sein – möglichst mit stark steigender Tendenz, wenn mehr Impfstoffe bereit sind.

Die Logistik dahinter wird vom Militär aus einem Büro in Washington koordiniert, mit General Perna an der Spitze der Operation. Jede Impfdose soll zusammen mit Spritzen und Alkoholtupfern verteilt werden. Transportiert werden die Impf-Kits nicht in Army-Trucks, auch wenn bewaffnete Wachen die kostbare Ware sichern sollen.

Bullis von UPS und FedEx werden sie verteilen, nicht anders als das Weihnachtsgeschenk aus dem Onlineshop. Das Unternehmen McKesson, das auch den Grippeimpfstoff in den USA verteilt, wird für fünf der sechs potenziellen Impfstoffe den zentralisierten Transport übernehmen – mit den Versandriesen als Subunternehmern.

Transport bei minus 70 Grad

Der Pharmariese Pfizer, der mit dem deutschen Biontech kürzlich den ersten Durchbruch verkündet hatte, greift auf seine eigene Logistik zurück. Die beiden Unternehmen stehen vor einer besonderen Herausforderung. Denn ihr Impfstoff braucht zur Lagerung minus 70 Grad Celsius, um nicht nach wenigen Tagen unbrauchbar zu werden.


General Perna und sein Team müssen sich also auch darum kümmern, dass im ganzen Land genügend geeignete Kühlschränke verfügbar sind. In 95 Prozent der Fälle sei schon ausreichend Kühlung gewährleistet, sagte er dem Radiosender NPR. Für alle anderen Fälle und den Transport dorthin hat Pfizer einen speziellen Container entwickelt.

Rund 1.000 bis 5.000 Impfdosen können in dem Container mit mehreren Kühlschichten transportiert werden. Heruntergekühlt werden die Container mit großen Mengen an Trockeneis. Ungeöffnet sollen sie den Impfstoff bis zu zehn Tage kühl halten. Ein spezielles Thermometer überwacht die Temperatur.

Jeder Bundesstaat impft für sich

Sind die Impfdosen in den Bundesstaaten und Großstädten angekommen, übernehmen die dortigen Behörden alles Weitere. Wo Expertise fehlt, sollen Mitarbeiter der Operation "Warp Speed" helfen. Es ist der Teil der Logistikaktion, der einigen Experten Sorgen bereitet, weil hier die zentralisierte Strategie zu einer dezentralisierten wird.

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Wenn alles nach Plan läuft, sollen General Perna und sein Team aber selbst hier noch einen genauen Überblick darüber haben, wo genau wie viele Impfdosen ankommen. Möglich werden soll das mit der IT-Plattform Tiberius, die Transportdaten der verschiedenen Firmen in eine große bunte USA-Karte verwandelt.

Wo sich die Amerikaner dann kostenlos impfen lassen können, darüber entscheidet ihr Wohnort. Zum Teil soll es spezielle Covid-Impfzentren geben, zum Teil soll in Krankenhäusern geimpft werden, zum Teil will man mit Apothekenketten wie CVS und Walgreens zusammenarbeiten.

Warten auf den D-Day

Doch zunächst muss General Perna auf seinen D-Day warten. Wann genau der sein wird, das hat er nicht in der Hand. Es hängt damit zusammen, wann die Behörde für Lebensmittel und Arzneimittel, die FDA, die erste Notfallzulassung für einen Impfstoff ausstellt. Pfizer-Biontech hat diese Zulassung am vergangenen Freitag beantragt. Die FDA will sich für die Prüfung etwa drei Wochen Zeit nehmen. Entschieden werden könnte bei einem Treffen unabhängiger Experten am 10. Dezember.

Und noch etwas anderes hat General Perna nicht in der Hand. Selbst wenn bei der Operation "Warp Speed" alles nach Plan läuft und Millionen von Impfdosen in Rekordzeit in allen Winkeln der USA zur Verfügung stehen: Die Amerikaner müssen sich auch impfen lassen. Eine Umfrage des Instituts Gallup von Ende Oktober zeigt, dass derzeit nur 58 Prozent dazu bereit sind.

Es sind deshalb auch nicht falsch fahrende UPS-Bullis oder verdorbene Impfstoffe, die General Perna in seinen Albträumen verfolgen. Sondern genau dieses Szenario, wie er "60 Minutes" erzählte: "Wir bringen den amerikanischen Bürgern Impfstoffe, und sie nehmen sie nicht."

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