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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Biografin über Melania Trump Eine Fernbeziehung im Weißen Haus
Was will Melania Trump? Biografin Mary Jordan berichtet von einer First Lady, die hinter den Kulissen großen Einfluss auf den US-Präsidenten ausübt – und offenbar über ihre Deutschkenntnisse schwindelt.
Auf Melania Trump schaut ein großer Teil der Welt mit einer Mischung aus Spott, Mitleid und Unverständnis – jahrelang gab es etwa "Befreit Melania"-Aufrufe. Doch über die amerikanische First Lady ist letztlich wenig bekannt, schließlich gibt sie selbst so gut wie nichts über sich in der Öffentlichkeit preis.
Die "Washington Post"-Journalistin Mary Jordan beschreibt in einer neuen inoffiziellen Biografie die 50-Jährige als einflussreiche Figur im Weißen Haus, die ihre Macht für eigene Interessen einsetzt, aber auch ihrem Mann entscheidende Unterstützung gewährt. Liebe, sagt Jordan im Interview mit t-online.de, "ist bei den Trumps außerordentlich kompliziert".
Sie spricht über die Beziehung des Ehepaars, das extrem viel Zeit getrennt voneinander verbringt, aber doch eine besondere Beziehung verbindet, über ihren Einfluss in Personalfragen und sie äußert Zweifel an der Behauptung der First Lady, dass sie Fremdsprachen wie Deutsch beherrsche.
t-online.de: Frau Jordan, Sie beschreiben in Ihrem Buch, wie Melania Trump nach dem Wahlsieg ihres Mannes 2016 ihren Ehevertrag neu verhandelte und sich durchsetzte. Wer übt in dieser Beziehung eigentlich die Macht aus?
Mary Jordan: Alles dreht sich um Macht. Trump selbst spricht ja in diesen Kategorien, wenn er sich als weltgrößter Dealmaker feiert. Er sagt, man muss etwas in der Hand haben, was der andere will oder besser noch unbedingt braucht. Das Faszinierende ist, dass Melania sehr geduldig gewartet hat, auf den Moment, in dem sie die größte Macht über ihren Ehemann hatte, um ihren Ehevertrag neu zu verhandeln.
Was hat sie getan?
Sie hat sehr genau studiert, was über die Eheverträge Trumps mit seinen ersten beiden Ehefrauen bekannt war. Nach seinem Wahlsieg blieb sie in New York. Er brauchte sie im Weißen Haus. Das Büro der First Lady sollte nicht mehr leer stehen, er wollte keine peinlichen Bilder mehr, wie sie seine Hand wegschlägt.
Mary Jordan, 59, ist Politik-Reporterin der "Washington Post" und frühere Auslandskorrespondentin. Mit ihrem Ehemann gewann sie einen Pulitzer-Preis für die Berichterstattung über die Zustände in mexikanischen Gefängnissen. "The Art of Her Deal", ihr Buch über Melania Trump, erschien Mitte Juni in den USA.
Und jetzt?
Jetzt ist sie glücklich. Sie wollte, dass ihr Sohn Barron versorgt wird. Trumps ganze Aufmerksamkeit ist auf seine drei Kinder aus erster Ehe gerichtet: Ivanka, Donald Jr. und Eric. Die beiden jüngeren, Tiffany aus Ehe Nummer zwei, und Barron stehen immer hinten an. Melania wollte Barron absichern, so formulierte sie es. Melania ist Mama Bär. Bei so ziemlich allem, was sie tut, denkt sie an ihren Sohn.
Wie setzt sie ihre Macht im Weißen Haus ein?
Sie mischt sich nicht in einzelne Vorhaben ein. Ihre Macht liegt in Personalfragen. Wer Trump beraten will oder nicht von ihm entlassen werden will, der braucht Melanias Zustimmung. Die wird immer wichtiger, je weniger Trump seinem Umfeld vertraut. Ihrem Urteil vertraut er. Mir haben einige Berater erzählt, dass sie zu vertraulichen Gesprächen in die White-House-Residenz gerufen wurden, wo dann nicht nur Trump wartete, sondern auch seine Frau. Viele sehen etwa Melania als entscheidend dafür an, dass Trump damals Mike Pence zu seinem Vizepräsidentschaftskandidaten machte. Sie verfügt also über große Macht.
Wie wichtig ist die First Lady für den politischen Erfolg ihres Mannes?
Sie ist die beliebteste der Trumps. Sie ist entscheidend für seine Wiederwahl. Die Hälfte der Wähler sind Frauen. Als sie 2016 auftrat und ihn lobte, haben viele Wählerinnen gesagt: "So schlecht kann er ja doch nicht sein". Das habe ich im Wahlkampf 2016 immer wieder gehört. Sie ist auch deswegen so wichtig, weil er ja bereits zwei Mal geschieden ist. Es sähe für ihn wirklich schlecht aus, wenn er sich ein drittes Mal trennen würde.
Liebt Melania ihren Donald denn?
Liebe ist für viele Menschen kompliziert und bei den Trumps außerordentlich kompliziert. Zwei Dinge sind hierbei wichtig: Zum einen verbringen sie anders als so gut wie jedes andere Ehepaar außerordentlich viel Zeit getrennt. Sie haben getrennte Terminkalender, sie stehen getrennt auf. Trump steht um fünf in seinem eigenen Schlafzimmer auf, sie deutlich später in ihrem. Sie essen nicht zusammen, sie verbringen keine Freizeit miteinander. Wie verbringt Trump seine Freizeit? Auf dem Golfplatz und nicht mit seiner Ehefrau.
Eher nicht das, was man gemeinhin unter Liebe versteht.
Ich denke, die Beziehung hat sich verändert, nachdem es die Berichte über Trumps Affären mit Stormy Daniels und Karen MacDougal gab. Und nachdem ihr Sohn Barron geboren war. Trump hatte seine Affären interessanterweise gleich nach der Geburt. Aber sie haben nach wie vor eine besondere Verbindung, wenn sie denn mal zusammen sind oder wenn sie telefonieren, wie sie es nach öffentlichen Auftritten des Präsidenten oft tun.
Wie sieht diese Verbindung aus?
Er vertraut ihr und sie hilft ihm. Und sie bewundert ihn für das, was er geschafft hat: Wie er Präsident geworden ist. Wie er bei seinen Auftritten eine unmittelbare Verbindung zum Publikum aufbaut, während sie selbst nicht gern öffentlich spricht. Deshalb bewundert sie insbesondere, wie ihm seine Anhänger bei den Auftritten zujubeln. Und er bewundert, dass sie niemals so impulsiv ist wie er. Also: Sie haben eine Beziehung, wenn auch eine komplizierte.
Frau Trump hat behauptet, sie spreche neben Englisch auch Französisch, Italienisch und Deutsch. In vielen Biografien steht diese Information auch. Spricht die First Lady wirklich Deutsch?
Dafür gibt es keine Belege. Ich habe diesen Behauptungen monatelang nachrecherchiert und dafür mit vielen Leuten in Deutschland gesprochen. Sowohl deutsche Fotografen, die Stunden mit ihr verbrachten, als sie in ihren Zwanzigern modelte, als auch deutsche Muttersprachler, die sie als First Lady trafen, sagten, sie habe niemals Deutsch mit ihnen gesprochen und sie hätten sie niemals Deutsch mit anderen sprechen hören. Ähnliches gilt für Französisch und Italienisch.
2017 trafen die Trumps Papst Franziskus, der die First Lady auf Italienisch ansprach.
Ja, und sie konnte nicht reagieren, bis die Frage übersetzt wurde. Ich habe im Weißen Haus nachgefragt, ob denn irgendein Moment festgehalten worden ist, in dem sie tatsächlich Deutsch, Französisch oder Italienisch spricht über ein "Ciao" oder "Bonjour" hinaus. Es gibt ja sogar Aufnahmen von Jackie Kennedy, die ihr fließendes Französisch belegen. Das war in den Sechzigern. Heute, wo jeder mit dem Telefon filmen kann, müsste es doch Aufnahmen geben.
Und?
Ich bekam keine Antwort. Die Frage ist ja nur deshalb interessant, weil sie das selbst über sich behauptet hat und weiter behaupten lässt. Es ist eine der Eigenschaften der First Lady, die am meisten erwähnt werden. Sie habe zwar diesen schweren Akzent, wenn sie Englisch spreche, heißt es dann, aber sie spreche diese ganzen anderen Sprachen.
Sie lügt also über ihre Deutschkenntnisse?
Nun, wir wissen, dass Donald Trump übertreibt. Er übertreibt bei seiner Körpergröße, bei der Anzahl der Stockwerke seines Trump Towers in New York, er übertreibt bei allem. Es scheint, als ob Melania auch bei Teilen ihres Lebenslaufes übertreibt und dazu gehören offenbar die Sprachkenntnisse.
Kommen wir zurück zum Weißen Haus. Gelegentlich hat die First Lady dem Präsidenten widersprochen, zum Beispiel im Streit um die Familientrennungen an der Südgrenze zu Mexiko. Was steckt dahinter: Meldet sie sich aus eigener Überzeugung zu Wort? Oder spielen die beiden eine Variante von "Good Cop/Bad Cop"?
Oft ist das tatsächlich eine "Good Cop/Bad Cop"-Strategie und geschieht also in Absprache mit dem Präsidenten, beispielsweise wenn er einen Fehler gemacht hat und etwas korrigieren will. Es ist dann praktischer zu sagen, "Meine Frau hat mich überzeugt", als einzugestehen, dass seine politischen Kritiker und Gegner Recht hatten. So war es bei den Familientrennungen, wo der Präsident wusste, dass er einen Fehler begangen hat. Tatsächlich stimmte Melania allerdings auch nicht mit dieser Politik überein. Es gibt Momente, in denen sie ihm klar widerspricht, weil sie einfach etwas anderes für richtig hält. Sie koordinieren das also nicht ständig, aber viel öfter als man annimmt.
Interessieren Sie sich für US-Politik? Unser Washington-Korrespondent Fabian Reinbold schreibt über seine Arbeit im Weißen Haus und seine Eindrücke aus den USA unter Donald Trump einen Newsletter. die dann einmal pro Woche direkt in Ihrem Postfach landet.
Mit Ihren Interviewanfragen für das Buch sind Sie bei der First Lady abgeblitzt. Sie haben nur einmal, noch im Wahlkampf 2016, ausgiebig telefoniert. Was war Ihre Erkenntnis aus diesem persönlichen Gespräch?
Damals kam sie sehr warmherzig rüber, ganz anders als es ihr Image nahelegen würde. Sie hat das Image einer Eiskönigin. Damals wirkte sie sehr anders auf mich. Sie lachte, sie war schlau, es wirkte, als ob ich mit einer ganz anderen Person spreche als der, die man in der Öffentlichkeit sieht.
Das Weiße Haus und die First Lady selbst geben sich äußerst verschlossen.
Ja, ich habe ans Weiße Haus sehr viele einfache Faktenfragen gerichtet – doch bin mit allem abgeblitzt. Ich finde es faszinierend, dass Melania nicht über ihre Geschichte spricht. Deshalb denken viele, sie habe etwas aus ihrer Vergangenheit zu verbergen. Doch als ich ihrem Leben in Paris, Mailand und Ljubljana nachrecherchierte, fand ich heraus, dass sie eigentlich ein sehr normales Leben geführt hat. Sie hat einfach sehr hart und diszipliniert gearbeitet. Sie kam mit 26 Jahren als Einwanderin in die USA und war 20 Jahre darauf First Lady. Das ist eine außergewöhnliche Geschichte, die zu Amerika passt. Ich finde es faszinierend, dass sie nicht darüber spricht und sich selbst zu einem Mysterium gemacht hat.
Der Präsident steckt politisch in der Krise. Die Umfragewerte sind schlecht, auf die Krisen rund um Corona und Rassismus findet er keine Antwort. Was rät ihm die First Lady in solch einer Lage?
Melania verbringt einen großen Teil ihres Tages damit, alles zu lesen, was über Trump und sie geschrieben wird. Das irritiert manche Berater im Weißen Haus. Weil sie ihn auf Kritiker hinweist und er dann schlechte Laune bekommt. Sie weiß also ganz genau Bescheid, wie groß der Zorn gerade ist. Während des Impeachments gab es bei ihr eine Art Bunkermentalität, die sie und ihren Mann zusammengeschweißt hat. Sie fühlte, dass der Name Trump zu Unrecht beschmutzt wird. In der aktuellen Lage wird ihr Verhalten sehr interessant. Sie denkt stets vor allem daran, was für ihren Sohn Barron gut ist. Es wird spannend zu sehen, wie viel Wahlkampf sie machen wird und wie sehr sie wirklich im Weißen Haus bleiben will.
Frau Jordan, vielen Dank für das Gespräch.
- Telefonisches Gespräch mit Mary Jordan
- MSNBC: Interview, in dem Trump über ihre Sprachkenntnisse spricht (2016)