Umstrittener Milliardär Elon Musk beleidigt Robert Habeck – das ist der Hintergrund
Seit Wochen rufen Äußerungen von Elon Musk über die deutsche Regierung bei deutschen Politikern Unmut hervor. Nun schießt Musk gegen Vizekanzler Habeck.
Der umstrittene US-Milliardär Elon Musk hat den deutschen Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) in einem Tweet beleidigt. Der X-Chef und Trump-Berater schrieb: "Wow, what a dick this guy is!" – wörtlich übersetzt heißt das auf Deutsch: "Wow, was ist der Typ nur für ein Pimmel!"
Musks abfällige Äußerungen über die deutsche Regierung und seine offene Unterstützung für die AfD lösen seit Wochen Unmut bei Scholz, Habeck und anderen Regierungsvertretern aus. Die jüngste Verbalattacke stellt jedoch einen neuen Höhepunkt im Streit dar.
Habeck hatte Musk kritisiert
Hintergrund dieser Beleidigung ist ein Wahlkampfspot von Habeck. Darin kritisiert er unter anderem Musk und dessen Nähe zu US-Präsident Donald Trump. Im Spot wird gefordert, sich den "Tech-Oligarchen" entgegenzustellen und für die Demokratie zu kämpfen. Der Spot beginnt mit einer Attacke auf Elon Musk. Es werden Bilder von Trumps Amtseinführung gezeigt, ebenso wie Musk bei einer AfD-Veranstaltung zugeschaltet wird oder US-Präsident Donald Trump die Hand schüttelt.
Habeck kommentiert dazu: "Diese Bilder habe ich gesehen. Und ich habe mir gedacht: Demokratie ist doch nicht die Macht der Reichen. Sondern ein besseres Leben für die Vielen. Trump sitzt mit den Milliardären zusammen. Ich möchte mich den Menschen verpflichten." Später im Spot heißt es: "Stellen wir uns den Tech-Oligarchen in den Weg und kämpfen wir für unsere Demokratie, echte Meinungsfreiheit und unsere Zukunft."
Das war Elon Musk offenbar zu viel. Er zitierte den Beitrag einer rechten Influencerin, die auf X Folgendes geschrieben hatte: "Robert Habeck hat über 800 "HATE CRIME"-Beschwerden gegen Bürger eingereicht. Jetzt erstellt er einen ganzen Wahlkampfspot auf der Grundlage der Herabwürdigung von Elon Musk und behauptet, er verteidige die 'echte Meinungsfreiheit'."
Woher kommen die zahlreichen Anzeigen?
Doch stimmt diese Zahl? Und was hat es mit den Anzeigen auf sich? Tatsächlich ist die Zahl korrekt. Wie aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der AfD-Fraktion aus dem vergangenen August hervorgeht, wurden zum damaligen Stand in der Legislaturperiode 805 Strafanzeigen gestellt.
Bekannt ist die Zahl, weil Mitglieder der Bundesregierung das offenlegen müssen, anders als andere Politiker. Auch andere Spitzenpolitiker gehen gegen Beleidigungen vor, so etwa AfD-Chefin Alice Weidel.
Die hohe Zahl der Anzeigen von Habeck rührt indes daher, dass er die Dienste eines darauf spezialisierten Start-ups in Anspruch nimmt: "So Done". Das Unternehmen wurde 2022 von der FDP-Politikerin und JuLi-Vorsitzenden Franziska Brandmann, dem früheren FDP-Landtagsabgeordneten und Anwalt Alexander Brockmeier sowie dem Datenwissenschaftler Marcel Schliebs gegründet. 2024 erhielt das Unternehmen den 3. Platz beim Gründungspreis NRW, gewann 10.000 Euro.
Eine KI-gestützte Software des Start-ups erkennt strafrechtlich relevante Kommentare im Internet, die Kanzlei legt Betroffenen Anzeigen zum Unterzeichnen vor und geht gegen die Kommentarschreiber straf- und zivilrechtlich vor und finanziert sich aus deren Zahlungen.
Die Firma erhält nach eigenen Angaben 50 Prozent der Geldentschädigung, die einer von den Kommentaren betroffenen Person zugesprochen wird. Habeck spende seinen Teil der Entschädigungen an eine gemeinnützige Organisation, die sich für Zivilcourage im Netz engagiert, teilte sein Bundestagsbüro dem "Spiegel" mit.
Klöckner: "Es bleibt nicht ohne Wirkung"
Auch die CDU-Politikerin Julia Klöckner nutzt die Dienste des Start-ups. Klöckner sagte dem "Spiegel" dazu, Hassnachrichten vorzulesen, gebe Personen Genugtuung und eine Bühne. Anders bei Anzeigen: "Es bleibt nicht ohne Wirkung, wenn sie digital anonym hemmungslos vom Leder ziehen und dann analog juristische Post bekommen. Das sitzt."
Die Praxis war bereits vor Wochen in den Schlagzeilen, Musk greift das Thema jetzt aber noch einmal auf. Im Herbst vergangenen Jahres hatten rechte Medien über eine Hausdurchsuchung bei einem Rentner berichtet. Dem Mann wird vorgeworfen, im Frühjahr 2024 auf X eine Bilddatei hochgeladen zu haben, die ein Porträtfoto Habecks zeigte. Darunter war demnach zu lesen: "Schwachkopf PROFESSIONAL". Offenbar eine Wortspiel mit dem Namen des Haarprodukte-Herstellers "Schwarzkopf Professional".
Laut Staatsanwaltschaft war der Durchsuchungsbeschluss bereits vor Habecks Anzeige wegen möglicher volksverhetzender Inhalte beantragt worden. In dem Beschluss war dann aber zur Begründung ausschließlich das Posting gegen Habeck angegeben.
Der Verdächtige sieht sich laut Staatsanwaltschaft aber noch mit einem anderen Vorwurf konfrontiert: Demnach soll er im Frühjahr 2024 auf X ein Bild mit Bezug zur Nazi-Zeit hochgeladen haben, das möglicherweise den Straftatbestand der Volksverhetzung erfüllen könnte. Darauf sind den Ermittlern zufolge ein SS- oder SA-Mann mit dem Plakat und der Aufschrift "Deutsche kauft nicht bei Juden" zu sehen sowie unter anderem der Zusatztext "Wahre Demokraten! Hatten wir alles schon mal!". Habeck verteidigte damals sein Vorgehen (t-online berichtete).
Musk mischt sich in den Wahlkampf ein
Musk mischt sich immer wieder in die deutsche Politik ein. Im September 2023 machte das erstmals Schlagzeilen, als er angesichts von Unterstützung für Seenotrettung im Mittelmeer die Konfrontation mit der deutschen Regierung gesucht hatte. In einem von ihm geteilten Posting eines rechtsextremen Accounts wurde zur Wahl der AfD aufgerufen, um "europäischen Selbstmord" zu stoppen (t-online berichtete).
In den vergangenen Wochen hat Musk mehrfach selbst zur Wahl der AfD aufgerufen und war zuletzt auch beim AfD-Parteitag zugeschaltet.
Habeck ist derweil nicht der erste deutsche Politiker, den Musk angreift. "Steinmeier ist ein antidemokratischer Tyrann! Schande über ihn", schrieb der US-Milliardär über Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. Auch da hatte er einen Tweet der AfD-nahen Influencerin aufgegriffen. Steinmeier hatte sich wenige Tage zuvor bei seiner Rede zur Auflösung des Bundestages gegen Einflussnahme von außen gewandt.
Die Grünen gelten dagegen als Unterstützer eines EU-Gesetzes, des Digital Service Acts, das Elon Musk Probleme macht. Dieses zielt darauf ab, gesellschaftliche Probleme – wie Hass, Hetze, Verleumdung und Falschinformationen – im Netz anzugehen, die sich vor allem in den vergangenen Jahren dramatisch gesteigert haben. Die EU-Kommission führt wegen mutmaßlicher Verstöße dagegen mehrere Verfahren gegen Musks Plattform X. Aktuell soll X Einblick in seine Algorithmen angesichts der Frage geben, ob X damit einseitig politisch unterstützt.
Musk selbst wird immer wieder von Nutzern an sein Versprechen erinnert, alle Rechtskosten von Nutzern zu übernehmen, die wegen Beiträgen auf X von ihren Arbeitgebern "ungerecht behandelt" würden.
- Eigene Recherche
- X-Beiträge
- Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Stephan Brandner, Tobias Matthias Peterka, Gereon Bollmann und der Fraktion der AfD, Drucksache 20/12489
- Spiegel: "Dieses Techtrio bringt Internethetzer vor Gericht"
- nrwbank.de: "SO DONE GmbH aus Rheine sichert sich dritten Platz bei MUT – DER GRÜNDUNGSPREIS NRW 2024"
- Reuters: "Musk's X to pay legal bills of people 'unfairly treated' for posting on platform" (englisch)
- FAZ: "Facebook darf Beleidigung gegen Weidel nicht mehr verbreiten"
- Mit Material der Nachrichtenagentur dpa