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Ex-Diplomat Burns über Trumps Umgang mit Merkel: "Für mich ist es peinlich"


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Ex-Diplomat Burns
Trumps Umgang mit Merkel: "Für mich ist es, ehrlich gesagt, peinlich"

InterviewVon Fabian Reinbold

Aktualisiert am 26.05.2020Lesedauer: 6 Min.
Trump und Merkel am Rande der UN-Vollversammlung 2019: "An erster Stelle steht Deutschland, wegen seiner Wirtschaftsmacht und seiner natürlichen Führungsposition in der EU."Vergrößern des Bildes
Trump und Merkel am Rande der UN-Vollversammlung 2019: "An erster Stelle steht Deutschland, wegen seiner Wirtschaftsmacht und seiner natürlichen Führungsposition in der EU." (Quelle: Guido Bergmann/Bundesregierung)
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USA gegen China, Trump gegen alle: Ex-Topdiplomat und Biden-Berater Nicholas Burns rechnet mit der US-Außenpolitik ab und erklärt, warum Berlin wichtigster Verbündeter in einer Zeit nach Trump sei.

In der Weltpolitik nehmen im Zuge der Corona-Krise die Spannungen zu: Die USA und China überziehen sich mit gegenseitigen Vorwürfen, die Trump-Regierung will sich aus weiteren internationalen Abkommen wie der Open-Skies-Vereinbarung zur Luftraumüberwachung zurückziehen.

Der frühere US-amerikanische Topdiplomat Nicholas Burns geht mit der Außenpolitik seines Landes hart ins Gericht. "Wir erleben die erste große internationale Krise seit 75 Jahren, in der sich die USA entschieden haben, nicht zu führen", sagt er im Interview mit t-online.de. Er befürchtet eine Zuspitzung der Konfrontation mit China.

Der frühere Nato-Botschafter und ranghohe Diplomat berät den demokratischen US-Präsidentschaftskandidaten Joe Biden. Unter einem Präsident Biden würde Deutschland wieder zentraler Partner der USA, prophezeit Burns und erklärt, warum er sich keinen wichtigeren Verbündeten vorstellen könne.

Im Interview spricht er auch über die Konfrontation der Amerikaner mit China und deren Folgen für Europa, Trumps aus seiner Sicht peinlichen Umgang mit Angela Merkel – und wie ein Präsident Biden das Verhältnis zu Europa reparieren könnte.

t-online.de: Herr Botschafter, die US-Regierung rühmt sich, die Welt beim Kampf gegen die Covid-Krise anzuführen. Spielt Amerika wirklich eine Führungsrolle?

Nicholas Burns: Nein. Wir erleben die erste große internationale Krise seit 75 Jahren, in der sich die USA entschieden haben, nicht zu führen. Wenn wir führten, hätten wir etwa die G20 zusammengetrommelt, um mit vereinten Kräften Wirtschaftskrise und Pandemie zu meistern. Wir hätten der Weltgesundheitsorganisation nicht Gelder entzogen, so wie man auch nicht einer Feuerwehr die Mittel streicht, die gerade ein Feuer bekämpft. Und ganz sicher ist es auch keine Führung, wenn der Präsident und sein Außenminister eine Verschwörungstheorie verbreiten, dass China das Virus in einer Art Regierungslabor gezüchtet habe. Auch unsere Verbündeten in Europa glauben nicht, dass wir führen.

Nicholas Burns, 64 Jahre alt, war unter George W. Bush Nato-Botschafter und Under Secretary of State for Political Affairs auf dritthöchster Postenebene im Außenministerium. Zuvor beriet er George H. W. Bush und Bill Clinton in Russland-Fragen. Zurzeit lehrt Burns an der Universität Harvard Diplomatie und Internationale Beziehungen. Daneben arbeitet er unentgeltlich als außenpolitischer Berater Joe Bidens.

Mehrere Umfragen zeigen, dass die Europäer nicht mehr wissen, was ihnen wichtiger ist: die Beziehung zum alten Verbündeten Amerika, der um sich selbst kreist, oder die Beziehung zur aufstrebenden Macht China.

Ja, die Zahlen habe ich aufmerksam zur Kenntnis genommen. Die Chinesen versuchen, das Vakuum zu füllen. Wenn Xi Jinping der Weltgesundheitsorganisation zwei Milliarden Dollar auf den Tisch legt, dann muss man das ernst nehmen. Die Chinesen haben gute Beziehungen zu vielen Entwicklungsländern aufgebaut. Sie haben auch in der Krise viel Hilfe geleistet. Aber es ist schwierig für China, jetzt den Helden zu markieren, wo doch allen klar ist, dass die chinesische Regierung in den entscheidenden Momenten der Pandemie nicht offen gegenüber der Welt war. Das hat uns allen geschadet.

In Washington raunt man, es könne ein neuer Kalter Krieg beginnen, zwischen Amerika und China. Ist es wirklich schon so weit?

Ich hoffe nicht, dass es so weit kommt, denn das wäre zum Nachteil beider und der gesamten Welt angesichts der Macht der beiden Staaten. Wir stecken aber mitten in der Phase des härtesten Konkurrenzkampfes, den es seit Aufnahme der Beziehungen vor vierzig Jahren gegeben hat.

Und jetzt wird China ein Thema im amerikanischen Wahlkampf.

Sicher, doch in den USA sind sich beide Parteien einig, dass China die Regeln zur Achtung geistigen Eigentums bricht und dass es einen ideologischen Wettstreit gibt: Demokratie gegen das autoritäre System. Sie werden genauso viele Demokraten wie Republikaner finden, die auf diesen Wettstreit aus sind. Es gibt allerdings Zeiten wie diese, in denen Staaten ihre Streitpunkte beiseitelegen und zusammenarbeiten müssen. Ich bin extrem enttäuscht von den Regierungen, dass sie mehr Zeit auf gegenseitige Beschimpfungen verwenden als darauf, gemeinsam die Krise zu lösen. Eine Pandemie sollte uns zusammenbringen.

Sie sind neben Ihrem Job in Harvard einer der außenpolitischen Berater von Trumps Herausforderer, dem demokratischen Präsidentschaftskandidaten Joe Biden. Wie würde ein Präsident Biden den Vertrauensverlust Europas reparieren?

Biden wird die transatlantische Partnerschaft zurückbringen. Er sieht die Nato als unerlässlich an. Er sieht die Europäische Union nicht als Konkurrenten und schon gar nicht als Feind …

… wie es Trump wiederholt gesagt hat.

Genau. Biden sieht die EU als vollständigen Partner der USA. Er will, dass die USA mit ganzer Kraft wieder den Klimawandel bekämpfen und zu den internationalen Vereinbarungen zurückkehren, aus denen uns Präsident Trump herausgezogen hat. Ich hoffe, dass ein Präsident Biden die Deutschen und allgemein die Europäer überzeugen kann, dass die Vereinigten Staaten wieder das alte Amerika werden können. Wissen Sie, Trump ist wirklich eine Einzelerscheinung – selbst wenn Sie seine Republikaner im Senat fragen, wollen die die Nato erhalten und sehen die EU nicht als Feind.

Das deutsch-amerikanische Verhältnis war schon vor Trump merklich abgekühlt. Glauben Sie, dass Deutschland je wieder so ein wichtiger Verbündeter wird wie zu Zeiten des Ost-West-Konflikts?

Deutschland muss wieder der unerlässliche Partner Amerikas werden und wir müssen der unerlässliche Partner Deutschlands werden. Deutschland ist der mächtigste Staat in der EU. Wir können uns ja durch den Brexit auch nicht länger auf Großbritannien verlassen, das lange Übersetzungsarbeit leistete zwischen den amerikanischen Positionen und dem Rest der EU. Wenn ich mich in der Welt umschaue, gibt es keine wichtigeren Verbündeten als Deutschland und Japan. Natürlich sind Frankreich und die EU als Ganzes wichtig, doch an erster Stelle steht Deutschland, wegen seiner Wirtschaftsmacht und seiner natürlichen Führungsposition in der EU.

Das Verhältnis zu Europa zu reparieren, das ist leichter gesagt als getan.

Richtig, es kommt dann auf Taten an. Joe Biden hat gesagt, er werde mit dem Rest der Welt zusammenarbeiten bei der Klimafrage. Er sagt, dass die USA den Iran-Deal nicht hätten verlassen sollen, den die Europäer mit verhandelt haben. Er glaubt an Nato und EU als zentrale Partner. Das sind alles große Unterschiede zu Trump. Wenn er das mit Leben erfüllt, kann sich nicht nur die deutsche Regierung, sondern auch die deutsche Bevölkerung sicher sein, dass man einer Biden-Administration vertrauen kann, dass es eine US-Regierung ist, deren Wort zählt. Sehen Sie, ich bin Jahrgang 1956 und dies ist ohne Frage die wichtigste Wahl meines Lebens.

Interessieren Sie sich für US-Politik? Unser Washington-Korrespondent Fabian Reinbold schreibt über seine Arbeit im Weißen Haus und seine Eindrücke aus den USA unter Donald Trump einen Newsletter. die dann einmal pro Woche direkt in Ihrem Postfach landet.

In Ihrer Zeit als Nato-Botschafter unter Präsident George W. Bush war auch nicht alles rosig, Stichwort Irakkrieg. Was ist heute anders?

Nach dem heftigen Streit über den Irakkrieg erinnere ich mich, dass Präsident Bush und Kanzler Gerhard Schröder ein Jahr lang nicht einmal miteinander sprachen. Aber wir überwanden das, als Bush zum Start seiner zweiten Amtszeit rasch nach Mainz und Brüssel flog und die Gespräche wieder begannen. Wir haben uns stets um ganz enge Kontakte nach Berlin bemüht. George W. Bush hatte große Hochachtung vor Angela Merkel, so wie auch Barack Obama und Joe Biden. Es gibt nur einen Präsidenten, der sich anders verhalten hat. Für mich ist es, ehrlich gesagt, peinlich, wie oft sich Präsident Trump unhöflich gegenüber Kanzlerin Merkel verhalten hat.

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Das gegenseitige Verhältnis ist aber auch abseits von Merkel und Trump nicht gerade herzlich.

Streitpunkte gibt es immer. Ich stimme Präsident Trump zu, dass Nord Stream 2 eine schlechte Idee ist, weil es Europa von Russland abhängig macht. Und ich stimme mit ihm auch überein, dass ein Zugang für Huawei in Europas Netzwerke ein großes Sicherheitsrisiko ist. In der Diplomatie ist es wichtig, wenn die Regierungschefs nicht gut miteinander können, wie in diesem Fall Trump und Merkel, dass die Außenminister gut miteinander können. Das ist momentan aber leider auch nicht der Fall.

Wie wird Amerikas Konfrontation mit China das Verhältnis zu Deutschland und den Streit über Huawei beeinflussen?

Niemand erwartet, dass Europa aufhört, Handel mit China zu treiben. Das werden wir auch nicht tun. Aber ich würde hoffen, dass sich sowohl Nato als auch EU auf Chinas Cyber-Aktivitäten konzentrieren würden, insbesondere auch auf Firmen wie Huawei, die benutzt werden, um andere Staaten auszuspionieren. Deshalb ist das Thema 5G so wichtig. China versucht aber etwa auch mit Angeboten an die Balkanstaaten, die EU zu schwächen und auseinander zu treiben.

Das kann nicht im Interesse der EU sein. Deshalb müssen die Europäer ein ausbalanciertes Verhältnis finden, in dem sie Handel treiben können und gute Beziehungen haben, aber auch europäische Interessen verteidigen, wo China diese verletzt. Das ist dasselbe Dilemma, vor dem wir auch in den USA stehen. Bei Chinas Handelspraktiken haben USA und EU und Japan doch dieselbe Agenda.

Was soll konkret passieren?

Es ist zwingend erforderlich, dass sich die USA und Deutschland in den kommenden Wochen zusammensetzen und sich grundlegend über China unterhalten, insbesondere über die 5G-Frage und Hongkong.

Verwendete Quellen
  • Das Interview mit Nicholas Burns führte Fabian Reinbold per Videokonferenz.
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