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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Trump und die Folgen Die USA fürchten eine Allianz aus China und Russland
Die Chefs der US-Geheimdienste geben Einblick in ihre Strategien – und widersprechen Donald Trump. Bei einer Bedrohung allerdings sind sie sich einig.
Es ist ein wichtiges Ritual in Washington: Zum Jahresanfang nehmen die Chefs der größten US-Geheimdienste einen Tag lang im Kongress Platz und berichten dem zuständigen Senatsausschuss von ihren Prioritäten – in öffentlicher und geheimer Sitzung.
Der Termin verrät stets einiges darüber, welche strategischen Bedrohungen die US-Regierung für ihr Land sieht und auf welche Gefahren die Geheimdienstapparate ihre Ressourcen ansetzen.
Am Dienstag war es wieder so weit. Es kamen die Chefs von CIA, NSA und FBI sowie der nationale Geheimdienstdirektor Dan Coats, und ihr Auftritt verdeutlichte eine strategische Neuausrichtung der Amerikaner.
Die Prioritäten der Geheimdienste und des Sicherheitsapparats haben sich verschoben, weg vom Kampf gegen den Terrorismus hin zur Auseinandersetzung mit Staaten, die als globale Konkurrenten wahrgenommen werden.
USA gegen die "großen Vier"
Der nationale Geheimdienstdirektor Dan Coats sprach von den "großen Vier", auf die man sich konzentriere. Damit meinte er: China, Russland, Nordkorea und den Iran.
Bei ihrem Auftritt vor dem Geheimdienstausschuss wurde noch etwas deutlich: Die Spionagechefs kommen zu Einschätzungen, die mit den Positionen ihres Präsidenten Donald Trump kaum in Einklang zu bringen sind.
- Beispiel Nordkorea: Es sei unwahrscheinlich, dass das Regime in Pjöngjang seine Atomwaffen aufgebe, weil es diese als Lebensversicherung betrachte, sagte Coats. CIA-Direktorin Gina Haspel ergänzte, Nordkorea strebe weiterhin eine atomare Langstreckenrakete an, die die USA bedrohen könne. Die Äußerungen bestätigen frühere Einschätzungen der Dienste. Trump hingegen stellt die komplette Denuklearisierung Nordkoreas in Aussicht, sprach sogar davon, dass es "nicht länger eine nukleare Bedrohung" gebe. Ende Februar will er Kim Jong Un ein zweites Mal treffen.
- Beispiel Iran: Teheran halte sich derzeit technisch weiter an die Linien des Atomdeals, sagte Haspel. Es seien keine Schritte bei der Arbeit an einer Atombombe erkennbar. Trump hatte unter Verweis auf Bestrebungen des Iran zu einem Atombombenbau den Deal aufgekündigt und setzt die eigenen Verbündeten unter massiven Druck, alle Geschäfte mit Teheran einzustellen.
- Beispiel Syrien: Während Trump den Sieg über den IS feiert und lieber gestern als heute die letzten Soldaten aus Syrien abziehen will, gab Coats zu Protokoll: Der IS verfüge noch über Tausende Kämpfer im Irak und in Syrien und wolle wieder expandieren.
- Und natürlich Russland: Während Trump Moskaus Einflussoperationen und Cyberangriffe immer wieder kleinredet, lassen die Geheimdienstchefs keinen Zweifel: Der Kreml führe seinen "Informationskrieg" weiter fort und die US-Präsidentschaftswahl 2020 werde ein Ziel der Kreml-Hacker sein. Über die persönlichen Treffen Trumps und Putins, zu denen Trump laut Medienberichten die Aufzeichnungen seiner Regierung vorenthält, wollte Geheimdienstdirektor Coats allerdings nur in geschlossener Sitzung Auskunft geben: "Es ist ein sensibles Thema", sagte er.
Kurz gesagt: Trump und sein Geheimdienstapparat treiben zwar ähnliche Krisenherde um, doch sie kommen zu ganz unterschiedlichen Bewertungen.
Angst vor Chinas Strategie
Am meisten decken sich die Bewertungen bei der wohl größten Herausforderung: China. Während der Handelsstreit durch Trumps zahlreiche Zollvorstöße eskaliert ist und diese Woche in Washington wieder verhandelt wird, fürchten die US-Dienste langfristig Chinas strategische Übermacht, etwa bei der Ausnutzung von Hochtechnologie.
Es gibt einen erbitterten Wettstreit in dem Feld der Wirtschaft und dem der Technologie – chinesische Tech-Firmen seien dabei Handlanger des Staates, heißt es. FBI-Direktor Christopher Wray nannte die Bedrohung für die Spionageabwehr durch China unter anderem "tiefgehender, irritierender, besorgniserregender“ als alles Vergleichbare.
Für die USA stehen der Schutz ihrer Infrastruktur, die Kontrolle über das Internet sowie allgemein ihr wirtschaftlicher Vorsprung auf dem Spiel.
Deshalb machen die US-Dienste derzeit hohen Druck auf Firmen und andere Länder wie Deutschland, chinesische Firmen vom Aufbau des neuen Mobilfunkstandards 5G auszuschließen. Auch deshalb klagte die US-Justiz gerade den Tech-Konzern Huawei an.
Peking und Moskau "so eng verbunden wie seit Mitte der 50er nicht mehr"
Die Geheimdienstler schlagen vor allem bei einer neuen Entwicklung Alarm: China und Russland seien "so eng verbunden wie seit Mitte der 1950er-Jahre nicht mehr". Die Verbindungen würden noch enger, weil sich ihre Interessen und Bedrohungsanalysen anglichen, unter anderem, was einen wahrgenommenen Unilateralismus der USA angehe.
Tatsächlich haben sich Moskau und Peking zuletzt angenähert. Im vergangenen Herbst führten die Militärs erstmals ein großes gemeinsames "Freundschaftsmanöver" durch.
Und noch eine Warnung äußern die Geheimdienstler. Manche Verbündete würden sich von den USA lossagen, weil sie eine veränderte US-Politik bei Sicherheit und Handel ausmachten, und sich anderen Partnerschaften und Bündnissen öffnen.
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Das war die vorsichtig-umständliche Formulierung von Coats, dessen eigentliche Aussage allen Beteiligten im Raum klar war: Trumps feindliche Politik gegenüber Verbündeten macht es Russland und China nur noch leichter.
- Eigene Recherche vor Ort
- Geheimdienstdirektor Dan Coats: Bericht zur Bedrohungslage 2019 (PDF, engl.)
- New York Times: In 5G Race With China, U.S. Pushes Allies to Fight Huawei (engl.)