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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Veröffentlichung vorgezogen "Fire and Fury" – Das Buch, das Trump wüten lässt
Ein Insiderbericht aus dem Weißen Haus schlägt Wellen und erzürnt Donald Trump. Was steht drin? Und: Stimmt die vernichtende Darstellung des US-Präsidenten?
Bessere PR für ein Buch als eine Unterlassungsanordnung des amerikanischen Präsidenten kann man sich als Verleger kaum vorstellen. Und so haben sich Verlag und Autor wohl auch gefreut, als in der Nacht zum Donnerstag das Schreiben eines Anwalts von Donald Trump einging, das mit einer Klage im Falle der Buchveröffentlichung droht.
Der Verlag reagierte zumindest so: Er zog den Veröffentlichungstermin noch vor, vom kommenden Dienstag auf den heutigen Freitag, "wegen des überwältigenden Interesses". Das teilte der Autor am Donnerstag (Ortszeit) auf Twitter mit. Das Buch "Fire and Fury: Inside the Trump White House" von Michael Wolff steht damit zum Verkauf.
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Kein Buch hat in den vergangenen Jahren ein ähnliches Erdbeben in Washington ausgelöst: die juristischen Drohungen, der öffentliche Rosenkrieg von Trump und seinem ehemaligen Chefstrategen Steve Bannon, der ebenfalls Post von Trumps Anwalt bekam. Auch für andere, die wie Bannon im Buch zitiert werden, drohen Bestrafungen aus dem Trump-Lager. Die wichtigsten Fragen und Antworten zum brisanten Buch im Überblick.
Was steht drin?
Laut den in mehreren Medien veröffentlichten Vorabauszügen zeichnet Wolff ein Sittengemälde aus dem Weißen Haus, in dem Trump denkbar schlecht wegkommt. Als Kandidat war er demnach eher von der Aussicht getrieben, sich seine Kandidatur anschließend vergolden zu lassen, um mit neuer Berühmtheit noch mehr Geschäfte einzufädeln, als davon, das Rennen auch wirklich zu gewinnen. Deshalb wurde Trump am Wahlabend, als sein Sieg plötzlich möglich schien, bleich, und seiner Frau schossen Tränen, allerdings nicht vor Freude, in die Augen.
Im Weißen Haus regiert Trump desinteressiert, unkonzentriert, unbeholfen. Seine Geduld, sich von einem Berater die Verfassung erklären zu lassen, reicht nur bis zum vierten Artikel. Er vertreibt sich seine Zeit damit, mit Vertrauten zu telefonieren und isst Cheeseburger im Bett. Währenddessen streiten die verschiedenen Lager im Weißen Haus erbittert um den Kurs und den Zugang zu Trump – dabei prägt die Sichtweise Bannons das Buch. Das Fazit des Autors: Von allen Beratern, Mitarbeitern, Vertrauten, mit denen er gesprochen habe, seien "100 Prozent der Meinung gewesen, dass Trump nicht für den Job geeignet ist."
Worin liegt der Skandal?
So ausführlich ist der Alltag im Weißen Haus bislang nicht beschrieben worden. Doch immer wieder gab es ähnliche Recherchen, zuletzt etwa von der "New York Times".
Trumps heftige Reaktionen haben vielmehr mit persönlichen Angriffen auf seine Familie (Ivanka wird von Bannon als "dumm wie ein Ziegelstein" bezeichnet) und damit zu tun, dass sein Ex-Chefberater in dem Buch den laufenden Sonderermittlungen in der Russland-Affäre Legitimität verleiht. Er wirft Trumps Sohn Donald jr. und Schwiegersohn Jared Kushner "landesverräterisches" und "unpatriotisches" Verhalten vor, weil sie eine russische Anwältin in den Trump Tower luden, die ihnen kompromittierende Informationen über Hillary Clinton versprach.
Und er gibt zu Protokoll, dass sich die Ermittlungen auf Geldwäscheaktivitäten in Trumps Umfeld erstrecken könnten. Damit haben Bannon und Wolff eben nicht nur Trumps berüchtigtes Ego und seine Familienehre attackiert – sondern auch seine Verteidigungslinie in der Russland-Affäre, in der er sich stets als zu Unrecht verfolgt darstellt.
Wie glaubhaft ist die Darstellung?
Wolff sagt, seine Recherchen beruhten auf mehr als 200 Gesprächen im Umfeld Trumps. Einen großen Teil davon habe er auch auf Band aufgezeichnet. Tatsächlich ging Wolff eine Zeit lang im Weißen Haus ein und aus, auf Einladung Bannons. Das Weiße Haus hält dem Autor hingegen vor, Unwahrheiten zu verbreiten. Und nur ein einziges Mal mit Trump selbst gesprochen zu haben – was Wolff allerdings nicht bestreitet.
Eine abschließende Beurteilung ist von außen nicht möglich, aber es gibt Hinweise: So hat Bannon, dessen Kommentare das Buch durchziehen, die ihm zugeschriebenen Äußerungen bislang nicht dementiert – auch wenn sie ihm viele Schwierigkeiten eingebracht haben.
Anders als die wörtlichen Zitate müssen wohl manche Anekdoten bewertet werden, für die Wolff keine Quelle nennt. So beschreibt er etwa eine Szene, in der der mittlerweile verstorbene frühere Fox-News-Chef Roger Ailes dem frischgewählten Trump als Stabschef John Boehner, bis 2015 Sprecher des Repräsentantenhauses, vorschlägt und dieser entgegnet : "Wer ist das?" Wolff lässt es aussehen, als ob Trump einen der wichtigsten Republikaner nicht kennt. Dabei ist bekannt, dass Trump mehrfach mit Boehner golfen war. Diese Anekdote wirkt also nicht glaubhaft.
Wer ist überhaupt dieser Wolff?
Michael Wolff ist seit Langem Kolumnist, etwa für den "Hollywood Reporter", und Autor, dem Klatsch nicht fremd ist. 2008 verfasste er eine Biografie über Rupert Murdoch, die dem Medienmogul nicht gefiel. Anfängliches Vertrauen Trumps hat er sich offenbar durch wiederholte öffentlich vorgetragene Kritik an Trump-kritischer Berichterstattung gewonnen.
Der Mann aus New York ist in der Szene bekannt für seinen wortgewaltigen Stil und steht im Ruf, es bei der Komposition seiner Szenen mit Details nicht immer so genau zu nehmen. Dafür liefert auch "Fire and Fury" Anlass. Das Werk dürfte ihm im Alter von 64 Jahren seine erste Spitzenposition auf der Bestsellerliste einbringen.
Quellen:
- eigene Recherchen
- Vorab-Auszug aus dem Buch im "New York Magazine"
- Vorab-Auszug zum Russland-Aspekt im "Guardian"
- Michael Wolff über seine Recherche im "Hollywood Reporter"