Der Gesprächspartner muss auf jede unserer Fragen antworten. Anschließend bekommt er seine Antworten vorgelegt und kann sie autorisieren.
Zum journalistischen Leitbild von t-online.Donald Trump "Das ist seine größte Stärke"
Donald Trump wird als 47. Präsident der USA vereidigt und übernimmt das Amt von Joe Biden. Der Journalist Gerhard Spörl erklärt die Auswirkungen auf Deutschland – und warnt davor, Trump zu unterschätzen.
Zweieinhalb Monate nach der Wahl wird der Republikaner Donald Trump am Montag in Washington als 47. Präsident der Vereinigten Staaten vereidigt. Der demokratische Noch-Amtsinhaber Joe Biden übergibt dann an Trump, den er wiederum vor vier Jahren im Weißen Haus abgelöst hatte.
Was bedeutet das für Deutschland, für die Welt? t-online hat mit dem Journalisten Gerhard Spörl gesprochen, der auch regelmäßig die Kolumne "Der Welterklärer" schreibt.
t-online: Lieber Gerhard, du bist im August 2001 als Korrespondent in die USA gekommen. Einen Monat später ereignete sich am 11. September die Urkatastrophe der modernen amerikanischen Geschichte. Wie hat sich das Land seitdem verändert?
Gerhard Spörl: Der Angriff auf eigenem Boden war ein unfassbarer Schock. Die USA hatten zuvor Kriege geführt, aber immer woanders – in Europa, dann in Korea oder Vietnam. Die Regierung baute in der Folge den Sicherheitsapparat massiv aus. Die Geheimdienste bekamen freie Hand, in Guantanamo auf Kuba landeten Terroristen, von denen heute noch einige dort inhaftiert sind. Zugleich wollte das Land Rache für den Einsturz der Türme, zuerst in Afghanistan und dann im Irak. Das liberale Amerika, wie ich es bis dahin kannte, ist mit dem 11. September untergegangen.
Joe Biden sagt, in den USA entstehe eine Oligarchie aus Milliardären wie Elon Musk und Jeff Bezos, die sich um Donald Trump scharren. Hat der 11. September diese Entwicklung begünstigt?
Indirekt ja. Ein weiterer Wendepunkt war der Wahlsieg von Barack Obama 2008. Das reaktionäre weiße Amerika fand sich mit der Wahl eines schwarzen Präsidenten nicht ab. Trump ist der Gegenheld, und er geht jetzt eine Allianz mit der Tech-Welt ein.
Zur Person
Gerhard Spörl interessiert sich seit jeher für weltpolitische Ereignisse und Veränderungen, die natürlich auch Deutschlands Rolle im internationalen Gefüge berühren. Er arbeitete in leitenden Positionen in der "Zeit" und im "Spiegel", war zwischendurch Korrespondent in den USA und schreibt heute Bücher, am liebsten über historische Themen.
Also war Trump eine Antwort auf Obama?
Genau, ohne Obama kein Trump. Die Wahl von 2008 hat das Land aufs Schärfste polarisiert. Viele wollen das alte Amerika zurück, und Trump hat genau dieses Versprechen abgegeben. Zudem ist Trump für die Oligarchen die perfekte Figur: ein Populist, der ihnen keine regulatorischen Hürden in den Weg legt und Monopole nicht zerschlagen will. Sein Wahlsieg 2016 war also kein Zufall, sondern die Folge einer tiefen Spaltung und einer politischen Entwicklung, die mit dem 11. September begann.
Biden und die Demokraten konnten die Entwicklung auf Dauer nicht aufhalten?
Biden war eine Zwischenlösung. Er vereinte 2020 noch einmal die Parteiflügel aus klassischen Transatlantikern und dem progressiven linken Flügel. Was ihm noch gelang, gelang Kamala Harris jetzt nicht mehr. Die Demokraten sind zu stark auf Identitätspolitik fixiert und auf Minderheiten konzentriert. Die Wirtschaft haben sie aus den Augen verloren; das schwächte sie und stärkte Trump.
Du hast Trump persönlich erlebt. Was macht ihn so erfolgreich?
Er hat diese bemerkenswerte Fähigkeit, Menschen persönlich zu umgarnen, ähnlich wie Bill Clinton. Trump ist ein Entertainer, das ist seine größte Stärke. Sein Publikum nimmt seine Aussagen nicht immer wörtlich, sondern versteht sie als Botschaften. Wenn er ankündigt, den Ukraine-Krieg innerhalb von 24 Stunden zu beenden, erwarten seine Anhänger nicht, dass es genau so geschieht, sondern dass er sich für das Ende des Krieges einsetzen wird. Trump-Wähler hören vor allem, dass er alles tut, um ihre Interessen zu vertreten. Darin liegt seine Popularität.
Aber beim Sturm aufs Kapitol am 6. Januar 2021 haben seine Anhänger ihn dann doch sehr wörtlich genommen.
Das ist das Gefährliche. Seine Anhänger interpretierten seine Rede damals so, dass sie den Senat daran hindern sollten, Joe Biden als Wahlsieger zu bestätigen. Sie unterschieden das Gesagte vom Gemeinten. Trump redete sich darauf hinaus, dass er sie mit keinem Wort zum Sturm aufs Kapitol aufgefordert hatte. In Wahrheit aber hatten sie seine Botschaft genau verstanden. Die politische Polarisierung hat sich seit dem 11. September extrem verschärft. Man ist entweder für oder gegen Trump, daran zerbrechen Freundschaften. Das Land war immer gespalten, aber heute ist es fast eine Glaubensfrage.
Welche Zukunft siehst du für Amerika unter Trump?
Trump ist unberechenbar. Was er heute sagt, muss morgen nicht mehr gelten. Er könnte Wladimir Putin entgegenkommen oder ihn aus reiner Eitelkeit mit härteren Maßnahmen überraschen, wenn Putin ihn auflaufen lässt. Trumps Priorität ist der Friedensnobelpreis – er will, was Obama bekam. Europa sollte sich dabei nie sicher fühlen. Trump könnte weiterhin die Ukraine unterstützen und gleichzeitig Zölle auf europäische Waren erheben. Bei Trump ist immer alles möglich. Wir sollten ihn auf keinen Fall unterschätzen.
Reist du trotz Trump noch in die USA?
Ja, in diesem Sommer. Amerika ist trotz alledem ein faszinierendes Land. Boston, Neuengland im Herbst, Nantucket im Frühsommer, die Rocky Mountains – das sind unvergessliche Erlebnisse. Man darf ein Land nicht auf seine Politik reduzieren.
Ein schönes Schlusswort. Vielen Dank für das Gespräch!
- Telefongespräch mit Gerhard Spörl
- Mit Material der Nachrichtenagentur dpa