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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Alte Tradition für US-Präsidenten Zum Abschied noch zwei Flugzeugträger
Wenige Tage vor Donald Trumps Machtübernahme beendet Joe Biden seine letzte Amtswoche voller Gesten. Es geht um sein letztes Vermächtnis – doch seine Außenpolitik wird zwiespältig beurteilt.
Bastian Brauns berichtet aus Washington
Die letzte Amtswoche von US-Präsident Joe Biden ist angebrochen, und sie ist voller Symbolik. Obwohl der 82-Jährige spätestens seit seinem Rückzug aus dem Wahlkampf im vergangenen Jahr politisch als lame duck (lahme Ente) gilt, sollen ihn diese verbleibenden Tage noch einmal als mächtigen Amtsinhaber erscheinen lassen. Es geht immerhin um sein politisches Vermächtnis.
Per Erklärung verkündete der Commander-in-Chief am Montag darum, welche Namen zwei neue, nuklearbetriebene Flugzeugträger der amerikanischen Marine erhalten sollen. Nach dem Willen des scheidenden Demokraten im Weißen Haus sollen sie nach Fertigstellung als "USS William J. Clinton und USS George W. Bush" zu Wasser gelassen werden. Laut Planung soll das im Jahr 2034 geschehen.
"Als ich Bill und George die Nachricht persönlich überbrachte, waren sie zutiefst gerührt", schrieb Biden in seiner offiziellen Mitteilung. Denn wie er selbst wüssten beide aus erster Hand, welche Verantwortung das Amt des Oberbefehlshabers mit sich bringe. Flugzeugträger werden traditionell immer wieder nach ehemaligen US-Präsidenten benannt. So existieren unter anderem bereits die U.S.S George H.W. Bush, U.S.S. Ronald Reagan oder die U.S.S. Gerald R. Ford. Nach dem kürzlich verstorbenen Jimmy Carter hatte Biden hingegen ein neues, ebenfalls nuklearbetriebenes Spionage-U-Boot benannt.
Joe Biden und die chaotische Weltlage
Bevor Joe Biden am Mittwoch seine große Abschiedsrede an die Nation hält, steht seine letzte Amtswoche im Zeichen der Außen- und Sicherheitspolitik. So fuhr der Präsident am Montag auch ins State Department, dem amerikanischen Außenministerium. Mit einer kurzen Rede verabschiedete er sich dort von den insgesamt zehntausend Inlandsbeamten. Applaus brandete auf, als Biden ans Mikrofon trat und sagte: "Als Putin in die Ukraine einmarschierte, dachte er, er würde Kiew innerhalb weniger Tage erobern. Aber die Wahrheit ist, dass ich seit Beginn des Krieges der Einzige bin, der im Zentrum Kiews stand, nicht er. Putin war nie dort."
Dieser letzte Auftritt und der Applaus hatten etwas Trotziges. Denn in den vergangenen vier Jahren stand das US-Außenministerium und Bidens Außen- und Sicherheitspolitik oft in der Kritik. Kein anderes Ministerium war in dieser Amtszeit so sehr gefordert. Alles musste hier koordiniert werden – vom Afghanistan-Abzug über Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine bis hin zum Terror von Hamas, Hisbollah und Iran gegen Israel sowie dessen Krieg im Gazastreifen. Dazu kam der Diplomatie-Marathon bei den Vereinten Nationen. Und immer wieder geschahen auch Fehler.
Der öffentliche Druck nahm in dieser Zeit immer weiter zu. Denn trotz einiger außenpolitischer Erfolge waren es vielfach die Misserfolge, die bis heute einen Schatten auf Bidens Präsidentschaft werfen. Zwar hat der einstige Vize-Präsident von Barack Obama in seiner eigenen Amtszeit eine tiefe Sehnsucht der Amerikaner erfüllt: US-Soldaten zogen nach zwei Jahrzehnten Krieg vom Hindukusch ab. Doch das tödliche Chaos bei der Machtübergabe an die Taliban in Kabul in Afghanistan schockte die Welt. 13 Soldaten starben dabei, und die größte militärische Supermacht war einmal mehr in ihrer Geschichte blamiert.
Putin gebremst, aber nicht verhindert
Seit Wladimir Putins Überfall auf die Ukraine bemühte sich Joe Biden zwar stets darum, zu zeigen, wie erfolgreich er 50 verbündete Staaten, "nicht nur in Europa, sondern erstmals auch in Asien" in einer großen Allianz zusammengeführt habe. Auch die Erweiterung der Nato um Schweden und Finnland gehört zu den Erfolgen seiner Präsidentschaft. Doch den Einmarsch Putins hat der US-Präsident nicht verhindert. Als Joe Biden den Kremlchef im Juni 2021 in Genf bei einem Gipfeltreffen sprach, half das nichts. Wenige Monate später rollten Putins Panzer gegen Kiew. Und sein Krieg dauert bis heute an – mit ungewissem Ausgang.
Auch im Nahen Osten fällt die Bilanz von Joe Biden und seinem Außenminister Antony Blinken zwiespältig aus. Zwar soll in diesen Tagen wirklich endlich eine Waffenruhe zwischen Israel und der Hamas zustande kommen. Die Terrororganisation soll sogar bereit sein, 33 Geiseln freizulassen. Aber dieser Erfolg kommt spät und ist wohl auch auf den Druck der kommenden Trump-Regierung zurückzuführen.
Der ausbleibende Erfolg in der Außenpolitik hatte für die Demokraten Konsequenzen im Inneren. Die Milliardenhilfen für die Ukraine boten ständig politische Angriffsflächen für Donald Trump und die Republikaner. Die tödliche Tragödie der israelischen Geiseln und die von Zehntausenden toten Palästinensern – sie dürfte die Demokraten zumindest in einem wichtigen Bundesstaat wie Michigan und schließlich vielleicht sogar den Wahlsieg im November gekostet haben.
Dramatischer Machtverlust der Demokraten
Das bevorstehende politische Drama für die Demokraten wurde deutlich, als Biden sich im Außenministerium mit folgenden Worten von den vielen Mitarbeitern verabschiedete: "Ich hoffe, dass unter der neuen Regierung so viele wie möglich von ihnen bleiben." Noch einmal gab es Applaus, diesmal aber leiseren. Denn jeder dort wusste, dass Donald Trump und sein Team bei seiner zweiten Amtszeit nichts dem Zufall überlassen wollen.
Zehntausende Mitarbeiter in allen Behörden sollen ausgetauscht und durch Trump treu ergebene Personen ersetzt werden. Selbst Stellen, die normalerweise nicht politisch besetzt werden, sollen dieses Mal davon betroffen sein. Viele Mitarbeiter stehen vor einer ungewissen Zukunft, und die Demokraten vor einem der erheblichsten Machtverluste in ihrer Geschichte. Auch für die so gut behandelten Verbündeten, besonders in Europa, brechen jetzt schwierigere Zeiten an.
Joe Bidens Zukunft hingegen dürfte kommende Woche nach seinem Ausscheiden relativ klar vorgezeichnet sein. Ehemalige Präsidenten gründen traditionell eigene Bibliotheken und rufen Stiftungen in ihrem Namen ins Leben. Ob Donald Trump in seiner Amtszeit schließlich auch einen Flugzeugträger nach Joe Biden benennen wird, oder vielleicht auch eher ein U-Boot, ist derzeit ungewiss.
- Eigene Recherchen vor Ort
- Rede von Joe Biden im State Department (englisch)
- Pressemitteilung des Weißen Hauses (englisch)