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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Zeichen für Trump-Anklage verdichten sich Kommt es jetzt zur Sensation?
Anders als die bisherigen Verfahren könnte Donald Trumps mögliche Rolle beim Sturm auf das Kapitol eine erneute Präsidentschaft tatsächlich verhindern. Die Zeichen für eine Anklage verdichten sich.
Auch wenn die nächste Anklage gegen Donald Trump noch nicht offiziell ist: In den USA ist sie längst das große politische Thema, ganz besonders für den Ex-Präsidenten selbst. Und das hat Gründe. Wie bei jeder bisherigen Anklage gegen ihn, hat Trump das voraussichtliche Strafverfahren gegen sich selbst bereits verkündet, noch bevor die zuständigen Strafbehörden es offiziell bestätigten.
Doch dieses Mal ist etwas anders. Denn was Trump dieses Mal drohen könnte, würde im äußersten Fall sogar dazu führen, dass er bei der kommenden Präsidentschaftswahl im Jahr 2024 nicht antreten darf. Welche Anklagepunkte tatsächlich auf Trump warten könnten, ist zwar noch unklar. Aber es geht in jedem Fall um seine Rolle in Bezug auf die Ereignisse rund um den Sturm auf das US-Kapitol am 6. Januar 2021.
Bekannt ist bislang nur, dass Trump einen Brief von Sonderermittler Jack Smith bekommen hat. Trump beschwerte sich darüber in einem Beitrag in seinem sozialen Netzwerk "Truth Social". Der ihm verhasste Staatsanwalt, den Trump einmal mehr als "geistesgestört" beleidigte, wolle ihn bei einer sogenannten Grand Jury vorladen, wegen seiner Rolle beim besagten Sturm auf das US-Kapitol. Tatsächlich muss eine Jury zuerst darüber entscheiden, ob Trump wirklich angeklagt wird. Per Brief wurde Trump darüber informiert, dass er von seinem Recht Gebrauch machen darf, vor dieser Institution persönlich zu erscheinen.
Der Weg ins Weiße Haus wäre Trump versperrt
Warum aber könnte die in den kommenden Wochen wahrscheinlich erhobene Anklage Trump gefährlich werden? Rechtlich gibt es eigentlich so gut wie nichts, was gebürtige, mindestens 35-jährige Amerikaner davon abhalten kann, für das Weiße Haus zu kandidieren und Staatsoberhaupt zu werden. Selbst im Gefängnis könnte Trump laut Rechtslage sitzen, ohne dass er auf das höchste Amt verzichten müsste.
Bei der Anklage, die ihm dieses Mal droht, könnte es anders laufen. Dann nämlich, wenn der Vorwurf lautet: Verstoß gegen §2383 des "United States Code", also das Bundesrecht der Vereinigten Staaten. Dort ist zu lesen:
"Wer zur Rebellion oder zum Aufstand gegen die Autorität der Vereinigten Staaten oder deren Gesetze anstiftet, initiiert, unterstützt oder sich daran beteiligt oder Beihilfe leistet oder dazu ermutigt, wird hiernach mit einer Geldstrafe oder einer Freiheitsstrafe von höchstens zehn Jahren oder beidem belegt; und ist außerstande, ein Amt in den Vereinigten Staaten zu bekleiden."
Zu finden ist diese Einschränkung für eine Präsidentschaft auch im 14. Zusatzartikel der Verfassung der USA:
"Niemand darf Senator oder Abgeordneter im Kongress oder Wahlmann für die Wahl des Präsidenten oder Vizepräsidenten sein, irgendein ziviles oder militärisches Amt im Dienste der Vereinigten Staaten oder eines Einzelstaates bekleiden, der, nachdem er als Mitglied des Kongresses oder als Beamter der Vereinigten Staaten oder als Mitglied der gesetzgebenden Körperschaft eines der Einzelstaaten oder als Verwaltungs- oder Justizbeamter in einem der Einzelstaaten auf die Einhaltung der Verfassung der Vereinigten Staaten vereidigt worden ist, an einem Aufstand oder Aufruhr gegen sie teilgenommen oder ihre Feinde unterstützt oder begünstigt hat. [...]"
Die betreffende Passage des 14. Verfassungszusatzes wurde ursprünglich nach dem Amerikanischen Bürgerkrieg im 19. Jahrhundert aufgenommen. Damit sollte unter anderem verhindert werden, dass Südstaatengeneräle in den Kongress gewählt werden, die gerade noch gegen die Union gekämpft hatten.
Im Jahr 2023 aber könnte sie zur Anwendung kommen, weil Trump das Wahlergebnis und seine Niederlage gegen Joe Biden nicht akzeptieren wollte. Weil er strategisch alle möglichen Schritte unternommen hat, um die Entscheidung des amerikanischen Volkes zu ignorieren. Und weil er womöglich einen Aufstand mit angezettelt, beziehungsweise dazu ermutigt hat.
Pläne, die zum Aufstand führten
Ob Sonderermittler Jack Smith diese Anklage gegen Trump im Zusammenhang mit dem Sturm auf das Kapitol für wirklich gerechtfertigt hält, ist noch unklar. Eine Gruppe von sieben ehemaligen Staatsanwälten und Strafverteidigern für Verfassungsrecht aber hat vor wenigen Tagen eine ausführliche Rechtseinschätzung zu dem Sachverhalt veröffentlicht. Darin erläutern sie, was zu einer solchen schwerwiegenden Anklage gegen Donald Trump führen könnte.
Vorsätzlich habe der damalige Präsident demnach gehandelt, nachdem seine Wahlniederlage vom November 2020 festgestanden hatte, um das Ergebnis in einen Sieg für sich umzuwandeln, so die Autorinnen und Autoren. Dazu habe er verschiedene Schritte unternommen, alle für sich genommen bereits eine Straftat.
So hätten Trump und seine Mitstreiter im ersten Schritt gefälschte Wahlurkunden erstellt, die dem Kongress vorgelegt wurden. Schon das erfülle den Tatbestand der Verschwörung zum Betrug an den Vereinigten Staaten durch Wahlfälschung. Als diese Pläne scheiterten, sollen sich Trump und seine Anwälte darauf konzentriert haben, falsche Wahllisten zu nutzen, um die verfassungsrechtlich vorgeschriebene Bestätigung der Wahl des neuen Präsidenten durch den Kongress am 6. Januar zu verhindern. Dies erfülle den Tatbestand der Behinderung eines offiziellen Verfahrens.
Der Vizepräsident hat verfassungsgemäß die Aufgabe, den neuen Präsidenten zu bestätigen. Als der damalige Vizepräsident Mike Pence, anders als von Trump gewünscht, Joe Biden diese Bestätigung weder verweigerte noch zumindest die Auszählung der Wahlen verzögerte, habe Trump zu seinem offenbar letzten Ausweg gegriffen: Ein Volksaufstand, in der Hoffnung, dass dieser den Kongress stören und die Machtübertragung zum ersten Mal in der amerikanischen Geschichte verzögern würde.
Die Beweislage ist entscheidend
Kommen der Sonderermittler Jack Smith und nach ihm die Grand Jury zu eben dieser Auffassung, dürfte Trump bei einer Verurteilung nicht mehr antreten, beziehungsweise müsste – sofern er schon gewählt wäre – sogar als Präsident zurücktreten.
Schon die bisherigen Anklagen gegen einen ehemaligen US-Präsidenten sind ein historisches Novum: So laufen aktuell gegen ihn Verfahren wegen Finanzbetrugs, Wahlbeeinflussung, Fälschung von Geschäftsdokumenten sowie vorsätzliche Aufbewahrung von Geheimnissen der nationalen Verteidigung. Im Mai wurde er zudem in einem Zivilprozess wegen sexuellen Übergriffs verurteilt.
Doch all das würde nicht so schwer wiegen wie eine Anklage wegen Anstiftung zum Aufstand. Es wäre eine nicht mehr zu steigernde Sensation. Wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, dass es dazu kommt, hängt vor allem von den Beweisen ab, die Jack Smith in den vergangenen Wochen und Monaten zusammentragen konnte.
Verhört wurden unter anderem Trumps Schwiegersohn Jared Kushner und sein Anwalt Rudy Giuliani. Zumindest Giuliani könnte einen Deal als Kronzeuge eingegangen sein, um einer eigenen Strafverfolgung wegen Mitverschwörung zu entgehen.
- justsecurity.org: "Trump on Trial: A Model Prosecution Memo for Federal Election Interference Crimes" (Englisch)
- Donald Trumps Profil bei "Truth Social"
- govinfo.gov: United States Code (Englisch)
- crsreports.congress.gov: "The Insurrection Bar to Office: Section 3 of the Fourteenth Amendment" (Englisch)
- lawfareblog.com: "After the Cawthorn Ruling, Can Trump Be Saved From Section 3 of the 14th Amendment?" (Englisch)