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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Republikaner stellen sich gegen ihn Jetzt nehmen sie Trump in die Mangel
Auch wenn es für Donald Trump oft juristisch aussichtslos schien – politisch blieb er trotzdem erfolgreich. Doch sein Rückhalt bei den Republikanern könnte nun erstmals bröckeln.
Bastian Brauns berichtet aus Washington
"The Road to Majority" – so lautet der Titel einer Konferenz von Amerikas christlichen Konservativen, die an diesem Wochenende in der Hauptstadt Washington stattfindet. Das naheliegende Ziel dieses "Weges zur Mehrheit": bei den nächsten Präsidentschaftswahlen 2024 die Macht zurückerobern.
Dieser Weg führt für die Republikaner nun nicht mehr zwangsläufig über Donald Trump. In den innerparteilichen Umfragen liegt der Ex-Präsident zwar noch immer weit vorne. Aber die Erkenntnis, dass Trump sich als Bürde im Wahlkampf erweisen könnte, scheint zumindest dem Spitzenpersonal immer klarer zu werden. Fast allen Gegenkandidaten Trumps bietet sich am Wochenende die Chance, ihn bei der "Road to Majority" zu attackieren.
Schnittstelle der Konservativen
Veranstaltet wird die Konferenz vom Lobbyisten Ralph Reed. Er wusste schon früh: Ohne christliche Fundamentalisten können die Republikaner in den USA im Grunde keine Wahlen mehr gewinnen. Deshalb hat Reed im Jahr 2009 eine Gruppierung gegründet, die er auf den Namen "Faith and Freedom Coalition" taufte.
Dienen soll diese Koalition für "Glauben und Freiheit" als eine Art konservative Schnittstelle zwischen Evangelikalen und Mitgliedern der libertären, staatskritischen "Tea Party", aus der die Trump-Bewegung in Teilen hervorging.
Wie mächtig diese Koalition ist, lässt sich schon an Reeds Gästeliste ablesen. Zu der von ihm veranstalteten Konferenz kommen fast alle, die sich für die Spitzenkandidatur bei den Republikanern bewerben. Neben Donald Trump sprechen dessen Konkurrenten Mike Pence, Ron DeSantis, Nikki Haley, Tim Scott, Chris Christie und noch einige mehr. Bevor in diesem August die offiziellen Debatten der Kandidaten beginnen, ist Reeds Tagung also ein erster Testlauf für und gegen Trump.
Der ehemalige Präsident nimmt noch immer eine spezielle Rolle in der Partei ein. Anders als seine Herausforderer spricht er nicht an diesem Freitag auf der Bühne. Als Gast gibt sich Trump erst am Samstagabend die Ehre, wo er zur Gala erwartet wird.
Sonderrolle nicht mehr unumstritten
Diese Sonderbehandlung kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass es auch den Anhängern der Republikaner, der "Grand Old Party" (GOP) nicht in erster Linie um das persönliche und das politische Schicksal eines 77 Jahre alten Mannes geht, sondern um Mehrheiten und Einfluss.
Viele der Evangelikalen sind Trump zwar dankbar, weil er es etwa geschafft hat, den Supreme Court mehrheitlich mit konservativen Richterinnen und Richtern zu besetzen. Nur so konnte die liberale Regelung zur Abtreibung in den USA gekippt und an die Bundesstaaten verwiesen werden. Darauf hatten die Erzkonservativen Jahrzehnte gewartet. Trump gilt noch immer als der Erfüllungsgehilfe dieser Mission.
Aber was soll jetzt kommen? Nach zuletzt enttäuschenden Wahlergebnissen scheinen immer mehr Republikaner zu begreifen, was wirklich auf dem Spiel steht, sollte Trump mit den zahlreichen gegen ihn laufenden Gerichtsverfahren ihr Spitzenkandidat werden. Seine juristischen und verbalen Abwehrschlachten könnten den Blick auf jene Inhalte verstellen, die seinen Wählern wichtig sind. Eine Befürchtung: Es könnte nur noch um Trump gehen und nicht mehr um die eigene rechtskonservative Agenda.
Lange wurden die Zweifel an Trump nur anonym oder zurückhaltend vorgetragen. Inzwischen werden sie aber lauter. Nicht nur seine Konkurrenten um die Präsidentschaftskandidatur, wie sein Ex-Vizepräsident Mike Pence oder Chris Christie, stellen sich demonstrativ gegen ihn. Auch frühere Wegbegleiter und ehemalige Kabinettsmitglieder äußern ihre Kritik an Trump so deutlich wie noch nie.
Heftige Kritik ist erst der Anfang
Am drastischsten meldet sich seit Tagen Trumps ehemaliger Justizminister Bill Barr zu Wort. Die Anklage des Sonderermittlers Jack Smith wegen zurückgehaltener Geheimdokumente bezeichnete Barr als "vernichtend". Trumps Reaktion darauf verglich er mit der eines "trotzigen 9-jährigen Kindes". Seine Rechtfertigung kanzelte er als "absurd" ab. Das brachte ihm von Trump eine Beleidigung ein. Barr sei ein "feiges Schwein", schrieb er auf seinem sozialen Netzwerk "Truth Social".
Bill Barr legte nach. In einem Leitartikel schrieb er: "Im Interesse des Landes, unserer Partei und aus grundlegendem Respekt vor der Wahrheit ist es an der Zeit, dass sich die Republikaner mit den harten Wahrheiten über das Verhalten von Präsident Trump und seinen Auswirkungen auseinandersetzen." Die Anklage gegen Trump sei nicht das Ergebnis unfairer Verfolgung durch die Regierung, sondern eine Situation, die er ausschließlich selbst verursacht habe. "Der Versuch, Trump als Opfer der Mar-a-Lago-Dokumentenaffäre darzustellen, ist zynische politische Propaganda."
Die deutlichen Worte des Ex-Ministers sind wohl nur der erste Vorgeschmack auf ein sich abzeichnendes politisches Endspiel für Donald Trump in den kommenden Monaten. Sein Prozess um die Geheimdokumente in Florida beginnt am 14. August, also neun Tage vor der ersten öffentlichen Debatte zwischen ihm und seinen Konkurrenten am 23. August.
Bevor Trumps Gegner an diesem Freitag bei der "Road to Majority" sprechen, haben sich einige bereits in Fernsehinterviews aus der Deckung gewagt. Darunter Trumps ehemalige UN-Botschafterin Nikki Haley. "Sollte sich diese Anklage bewahrheiten, hat sich Präsident Trump unglaublich leichtsinnig gegenüber unserer nationalen Sicherheit verhalten", sagte sie bei Fox News.
Der Unternehmer und Mitbewerber Vivek Ramaswamy attestierte Trump bei CNN ein "sehr schlechtes Urteilsvermögen". Und Mike Pence sagte bei CNBC: "Diese Anklageschrift enthält schwerwiegende Vorwürfe." Als sein bislang schärfster Kritiker griff der ehemalige Bundesanwalt Chris Christie seinen Konkurrenten Trump an: Die Anklage offenbare "eine sehr stringente, äußerst detaillierte Beweislage". Das darin geschilderte Verhalten von Trump sei "schrecklich". Als Antwort ergeht sich der Ex-Präsident in abfälligen Bemerkungen über Christies Übergewicht.
Was wagt Trumps Konkurrenz wirklich?
Diese ersten Scharmützel können eines aber nicht verdecken: Entscheidend für den innerparteilichen Wahlerfolg der Kandidaten bleibt die Parteibasis. Und dort liegt Trump nach aktuellen Umfragen nach wie vor um die 20 bis 30 Prozentpunkte vor seinem stärksten Gegner Ron DeSantis, dem Gouverneur aus Florida.
Kein Wunder, denn rund 80 Prozent der Republikaner bleiben überzeugt davon, dass die zahlreichen Verfahren gegen Trump vor allem politisch motiviert seien. Also von den Demokraten initiiert, um ihm gezielt zu schaden.
Trumps Konkurrenten bleibt eigentlich nichts anderes übrig, als diese Erzählung zu entkräften und die zahlreichen Trump-Anhänger auf die eigene Seite zu ziehen. Machen sie es nicht, gibt es für sie im Grunde nichts zu gewinnen. Denn dann werden Trumps Fans ohnehin ihr Original wählen und nicht eine Kopie von ihm.
Wie viel Mut zur Attacke gegen Trump Mike Pence, Nikki Haley, Ron DeSantis, Chris Christie oder Tim Scott bei den Evangelikalen aufbringen, wird sich zeigen. In Wahrheit aber hoffen viele von ihnen noch immer, dass die amerikanische Justiz diese Arbeit für sie erledigt. Dann könnten sie Trump nachfolgen, ohne als Verräter dazustehen.
- thefp.com: The Truth About the Trump Indictment (Englisch)
- Tagungsprogramm der "Faith & Freedom Coalition" (Englisch)