Ein perfider Plan Dieser Mann könnte Trump die Wiederwahl sichern
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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Der einzige schwarze Senator der Republikaner tritt offiziell gegen Donald Trump an. Doch dahinter steckt wohl ein ganz anderer Plan. Tim Scott könnte Trump ins Weiße Haus bringen.
Bastian Brauns berichtet aus Washington.
Der Mann, der Donald Trump die nächste Präsidentschaft retten könnte, beginnt seine Auftritte oft mit einem Witz. So wie Anfang Mai, als Tim Scott bei einer Bürgersprechstunde in New Hampshire vor republikanischen Wählern auftrat. "Das hier könnte einige von Ihnen überraschen", sagte Scott, lachte und macht eine kurze Pause. "Ich bin schwarz." Die Lacher hat er damit immer auf seiner Seite. Denn der 57-jährige Tim Scott ist bereits seit zehn Jahren Senator für die Republikaner in Washington und er ist der einzige schwarze.
Am Montag hat Tim Scott schließlich offiziell bekannt gegeben: So wie einst Barack Obama für die Demokraten will er 2024 für die Republikaner als erster schwarzer US-Präsident ins Weiße Haus einziehen.
Eigentlich könnte man seinem ambitionierten Vorhaben wenig Beachtung schenken. In Umfragen unter potenziellen Wählern der Republikaner kommt Tim Scott aus dem Bundesstaat South Carolina nur auf spärliche, einstellige Prozentpunkte. Es gilt als ausgeschlossen, dass er die parteiinternen Vorwahlen für sich entscheiden kann. Donald Trump liegt kaum angefochten an der Spitze. Einzig Floridas Gouverneur Ron DeSantis, der seine eigene Kandidatur in dieser Woche verkünden wird, gilt als aussichtsreicher Gegner Trumps.
Die Hoffnung für Donald Trump
Doch möglicherweise wird ausgerechnet Tim Scott am Ende im Weißen Haus zu sehen sein – nicht als Präsident, sondern als Vizepräsident von Donald Trump. So zumindest lautet das Kalkül des Trump-Lagers. Denn Tim Scott könnte als schwarzer "running mate" von Trump ein wichtiges Wahlkampfthema der Demokraten gefährden. Trump und seine "Make America Great Again"-Bewegung könnten mit einem schwarzen Vizekandidaten gar nicht rassistisch sein – das würde als Totschlagargument in jeder Debatte über Diskriminierung von ethnischen Minderheiten angeführt werden.
Zwar scheint es auf den ersten Blick so, als träte Tim Scott in den Vorwahlen gegen Donald Trump in den Vorwahlen an, um dessen erneute Präsidentschaft zu verhindern. Aber es fällt auf, wie deutlich er sich, anders als andere Kandidaten, mit Kritik an Trump zurückhält. Und es fällt auf, wie freundlich gesinnt Donald Trump gegenüber Scott auftritt.
Direkt vor dessen Kandidatenrede wünscht Trump ihm sogar viel Glück. Auf seinem sozialen Netzwerk "Truth Social" schrieb er: "Viel Glück für Senator Tim Scott beim Eintritt in das Rennen um die Präsidentschaftsvorwahlen der Republikaner." Anders als sein direkter Konkurrent Ron DeSantis, der "unwählbar" sei, bedeute Scotts Kandidatur einen großen Schritt. Mit ihm habe er bereits sehr erfolgreich zusammengearbeitet. Schon Tage zuvor hatte Trump eine Aussage von Scott verbreitet, nach welcher dieser eine Kandidatur Trumps im Jahr 2024 unterstützen würde.
Trump und Scott – das sieht bislang vor allem nach gegenseitiger Wertschätzung aus. Trump nicht gefährlich zu werden, könnte Scotts Ticket für die Vizepräsidentschaft sein. Er gilt als erzkonservativer Politiker, der sich ähnlich deutlich wie Trumps früherer, jetzt geschasster Vizepräsident Mike Pence gegen Abtreibungen ausspricht.
Die Hoffnung aus der Sicht von Trumps Wahlkampfteam könnte sein: Scott sichert später einerseits als konservativer Kandidat die Stimmen der Evangelikalen, die jetzt mit Ron DeSantis liebäugeln. Zum anderen könnte Scott als schwarzer Kandidat gegen Joe Biden und Kamala Harris bei Minderheiten punkten, die bislang noch immer mehrheitlich die Demokraten wählen.
Bei seiner offiziellen Verkündung macht Tim Scott am Montag in North Carolina keinen Hehl aus seiner Strategie. Er holte seine Mutter auf die Wahlkampfbühne, dazu eine gemeinsame weiße Freundin und rief: "Für jene, die sich fragen, ob Amerika ein rassistisches Land ist, werfen Sie einen Blick darauf, welche Menschen hier zusammenkommen." Denn "bedingungslose Liebe" sei es, welche die Herzen verbinde. "Wir werden nicht durch die Farbe unserer Haut definiert. Wir werden durch das Wesen unseres Charakters definiert und wenn Ihnen jemand etwas anderes sagt, dann lügt er", sagte Scott.
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Das Thema Rassismus verband er dann auch direkt mit seiner Person. "Ich bin der lebende Beweis dafür, dass Amerika das Land der unbegrenzten Möglichkeiten ist. Und kein Land der Unterdrückung", sagte Scott und sprach von seinem Vater. Der sei noch Zeuge der Sklaverei geworden, habe dann aber erleben dürften, wie sein Sohn in den US-Kongress gewählt wurde. Scott verpackt solche Geschichten in knallige Zeilen wie "From Cotton to Congress", was sich mit "Von den Baumwollfeldern ins Bundesparlament" übersetzen lässt. "From victim to victory" (vom Opfer zum Sieger) ist auch so ein Satz von ihm.
Gefährlich werden könnte Tim Scott den Demokraten gerade dort, wo sie die Stimmen von Minderheiten für gesetzt halten. Genau hier will der Senator angreifen. In den vergangenen Jahren wuchs die Anzahl republikanischer Wähler, insbesondere bei schwarzen jungen Männern an. Auch Latinos wählen keineswegs garantiert demokratisch. Im Gegenteil, in Florida etwa trugen maßgeblich zum Erfolg des konservativen Ron DeSantis bei.
Kritik von ehemaligem Wegbegleiter
Kritik an der Kandidatur von Tim Scott kommt derweil nicht nur aus dem Lager der Demokraten. Die sehen in ihm ohnehin nicht mehr als ein Feigenblatt für eine reaktionäre Politik der Republikaner. Es ist ein Vorwurf, den auch schon der als Senats-Kandidat gescheiterte Ex-Football-Star Herschel Walker im Bundesstaat Georgia zu hören bekam. Auch er wurde von Trumps Kampagne hofiert und unterstützt.
Ein alter Wegbegleiter von Tim Scott sprach mit t-online über dessen Kandidatur. Der heutige Terror-Experte Michael S. Smith hat Scott nach eigenen Angaben kennengelernt, als dieser zum ersten Mal für einen Sitz im Repräsentantenhaus kandidierte. Er organisierte damals Wahlspenden und schlug später ein Angebot aus, die Verantwortung für Scotts Personenschutz zu übernehmen. "Die Drohungen durch weiße Rassisten in South Carolina waren damals ziemlich ernst", sagt Smith. "Ironischerweise hat er sich in den vergangenen Jahren de facto zu einem Förderer solcher Typen entwickelt."
Nach jahrelangem, regelmäßigem Kontakt hat Michael Smith mit Tim Scott gebrochen. "Nach einigen Jahren wurde mir klar, dass Tim nur ein symbolischer afroamerikanischer Republikaner war, der den wirklichen Machthabern im Kongress bei nichts anderem als ihrer leidigen Aufgabe der Spendenbeschaffung helfen würde", sagt er. Er habe Scott gegenüber seine aufrichtige Enttäuschung darüber ausgedrückt, dass er seinen gewaltigen Einfluss in den Medien nie eingesetzt habe, um wirklich etwas zu bewirken und Führungsqualitäten zu beweisen.
"Er kann kein einziges Beispiel für echte gesetzgeberische Errungenschaften nennen", sagt Smith. "Er kandidiert eigentlich für das Amt des Vizepräsidenten, worauf er schon seit seiner ersten Wahl ins Repräsentantenhaus hingearbeitet." Tim Scotts einziger Weg zu einer Präsidentschaft bestünde darin, auf Trumps Wunsch zum Vizepräsidenten gewählt zu werden. Sollte es Trump schließlich juristisch wegen illegaler Machenschaften erwischen, könne Scott schließlich im Weißen Haus landen.
Eine frühe ur-amerikanische Prägung
Welche Erfolgsaussichten Scott bei republikanischen Wählern, insbesondere bei konservativen Minderheiten trotzdem hat, zeigt vielleicht am besten einer Geschichte, die er ebenfalls bei fast jedem seiner Auftritte erzählt. Denn gearbeitet hat Scott einst bei der in den USA berühmten und ebenfalls dezidiert christlich-konservativen Fastfoodkette "Chick-fil-a". Dem lange verstorbenen Restaurantmanager von damals dankt Scott noch heute für die Möglichkeiten, die dieser ihm eröffnet habe, als er als Jugendlicher, mit geschiedenen Eltern, in Armut und voller Wut im Bauch auch hätte abstürzen können.
Es gibt Republikaner, die sagen: "Tim Scott ist Chick-fil-a. Tim Scott ist Amerika". Dieser Restaurantmanager hat Tim Scotts konservativ-christliche Werte offensichtlich stark mitgeprägt. Scotts Pressesprecher sagte einst: "Er brachte ihm biblische Prinzipien und konservative Werte bei und im Laufe von einiger Jahre veränderte er seine Denkweise." Tims Scotts Lebensmission sei es heute, den Menschen "mit der Botschaft von Hoffnung und Chancen positiv zu beeinflussen." Tim Scotts Kampagnen-Slogan klingt deutlich positiver und christlicher als der von Trump: "Faith in America", Glaube in Amerika.
- Eigene Recherchen
- Austausch mit Michael S. Smith
- Youtube-Kanal von Tim Scott: "New Hampshire Town Hall" (englisch)
- Livestream der Präsidentschaftskandidatur von Tim Scott (englisch)
- politico.com: "55 Things You Need to Know About Tim Scott" (englisch)
- nytimes.com: "What Tim Scott’s 2024 Campaign Could Mean for Black Republicans" (englisch)
- foxnews.com: "How a Chick-Fil-A manager changed Tim Scott's life" (englisch)