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Zum journalistischen Leitbild von t-online.US-Zwischenwahlen Enge Umfragen: Triumph für die Trumpisten?
Das Rennen um die Mehrheit im US-Senat ist knapp: In einigen Bundesstaaten ist noch komplett offen, ob Republikaner oder Demokraten gewinnen. Wo wird es besonders eng?
Vor den Midterms, den Zwischenwahlen in den USA am 8. November, ist die Stimmung im Land höchst angespannt. Werden sich die Demokraten unter dem amtierenden Präsidenten Joe Biden durchsetzen – oder holen doch die Republikaner auf, angeheizt durch Ex-Präsident Donald Trump? Neben den Abgeordneten des Repräsentantenhauses und zahlreichen Gouverneuren werden auch 35 Senatssitze gewählt.
In vielen Bundesstaaten scheint das Rennen um den Posten den Umfragen zufolge bereits entschieden zu sein. So werden etwa in Illinois, Kalifornien und Colorado die Demokraten aller Voraussicht nach gewinnen. Unter anderem in Iowa, Missouri und Arkansas gelten die Republikaner als sichere Sieger.
Aber wo wird es richtig spannend? t-online stellt eine Auswahl der Staaten mit den engsten Kopf-an-Kopf-Rennen und deren Kandidaten vor.
Arizona: Ehemaliger Astronaut gegen IT-Investor
In Arizona entscheidet es sich zwischen dem amtierenden Demokraten-Senator Mark Kelly und dem Republikaner Blake Masters. Dem US-Nachrichtenportal "RealClearPolitics" (RCP) zufolge führt Kelly durchschnittlich mit 1,3 Prozentpunkten in den Umfragen (Stand: 4. November 2022).
Der Demokrat Kelly war früher Astronaut und in mehreren Missionen an Bord der internationalen Raumstation ISS. Er begann 2011, sich politisch zu engagieren, um sich nach einem schweren Attentat auf seine Frau Gabrielle Giffords für strengere Waffengesetze einzusetzen. Der Republikaner Masters ist eng mit dem Multimilliardär Peter Thiel verbunden. Thiel zählt zu den erfolgreichsten IT-Investoren in Silicon Valley – Masters saß in seinem Firmenvorstand.
Der US-Senat
Bei den Wahlen zum US-Senat wird über die Zusammensetzung der oberen Kammer des Kongresses abgestimmt. Dabei stehen insgesamt 35 der 100 Senatssitze zur Wahl. Jeder der 50 US-Bundesstaaten stellt zwei Senatoren. Ihre Amtszeit dauert jeweils sechs Jahre – alle zwei Jahre wird rund ein Drittel von ihnen neu gewählt. Der Senat fungiert als Kontrollorgan gegenüber dem US-Präsidenten und hat ein Mitspracherecht, wenn es um internationale Verträge oder auch die Ernennung von Regierungsbeamten und Richtern geht.
Georgia: Pastor gegen Footballstar
In Georgia wird es zwischen dem Amtsinhaber Raphael Warnock von den Demokraten und dem Republikaner Herschel Walker ziemlich spannend. Die Demokraten könnten zwar verlieren – aber in Umfragen liegt Walker laut RCP momentan durchschnittlich nur 0,4 Prozentpunkte vor Warnock (Stand: 4. November 2022). Letzterer hatte sich bereits im Januar 2021 bei einer vorgezogenen Wahl nur knapp gegen seine Konkurrentin Kelly Loeffler durchgesetzt.
Warnock ist Pastor und macht sich Hoffnungen auf eine eigene Kandidatur für das Weiße Haus. Walker spielte hingegen zwölf Jahre American Football in der NFL. Er lehnt Abtreibungen streng ab, steht aber nach Berichten in der Kritik, weil er mehrfach Frauen zu Schwangerschaftsabbrüchen gedrängt und diese bezahlt haben soll.
Nevada: Generalstaatsanwältin gegen Generalstaatsanwalt
Die größte Hoffnung der Republikaner auf einen Sitzgewinn liegt im Glücksspielstaat Nevada mit der größten Stadt Las Vegas. Die aktuelle demokratische Senatorin Catherine Cortez Masto liefert sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit dem Republikaner Adam Laxalt. Wie RCP berichtete, liegt Masto derzeit durchschnittlich nur 1,9 Prozentpunkte vor Laxalt (Stand: 2. November 2022).
Die Lebensläufe der beiden Kandidaten sind ähnlich: Masto war von 2007 bis 2015 auch Attorney General des Staates – ein Amt, das Funktionen von Landesjustizministern und Generalstaatsanwälten vereint. Auf sie folgte Laxalt von 2015 bis 2019. Er zählt zu jenen Stimmen, die unbelegt behaupten, dass der ehemalige US-Präsident Donald Trump die US-Wahl 2020 durch Betrug der Demokraten verloren habe.
Ohio: Berufspolitiker gegen Bestsellerautor
Im Arbeiterstaat Ohio im Mittleren Westen hofft der Demokrat Tim Ryan auf einen Umbruch und tritt gegen den Republikaner J. D. Vance an. Aber Ryan muss zittern: RCP zufolge liegt er in Umfragen durchschnittlich 2,2 Prozentpunkte hinter Vance (Stand: 2. November 2022).
Im Wahlkampf versucht Ryan durch Kritik an Präsident Joe Biden zu punkten. Er ist seit 2003 Abgeordneter im US-Repräsentantenhaus und war bei den Vorwahlen 2020 auch gegen Biden angetreten – aber seine Kandidatur hatte kaum Anhänger gefunden.
Mit Vance hat Ryan einen berühmten Gegenkandidaten: Dessen Sachbuch "Hillbilly Elegie" über Armut und Ausgrenzung seiner weißen Familie verkaufte sich als Erklärung für den Aufstieg Donald Trumps auch in Deutschland gut. Vance hat sich vom Kritiker Trumps zu einem seiner glühendsten Fürsprecher gewandelt.
Pennsylvania: Kleinstadt-Bürgermeister gegen Fernseharzt
Der Ausgang der Senatswahl in Pennsylvania ist besonders spannend: Umfragen zufolge liegt Demokrat John Fetterman durchschnittlich nur 0,2 Prozentpunkte vor dem Republikaner Mehmet Oz (Stand: 4. November 2022).
In dem Rennen trifft Kapuzenpulli auf teuren Anzug: Fetterman ist tätowiert, mehr als zwei Meter groß und war früher Jugendarbeiter und Bürgermeister von Braddock in Pennsylvania. Er zählt zum linken Flügel seiner Partei und setzt auf Arbeiternähe. Nach einem Schlaganfall im Mai meinen Kritiker, Fetterman sei nicht gesund genug für das Amt.
Oz ist einer der berühmtesten TV-Ärzte der USA und wohnt eigentlich im Nachbarstaat New Jersey. Er stand immer wieder als Quacksalber in der Kritik, weil er auch wirkungslose Vitaminpräparate angepriesen haben soll.
Weitere spannende Rennen
Als weiterer umkämpfter Staat gilt New Hampshire (Demokratin Maggie Hassan gegen Republikaner Don Bolduc), wo die Umfragen derzeit durchschnittlich eine Differenz von 0,5 Prozentpunkten prognostizieren.
In Wisconsin liegt der Republikaner Ron Johnson durchschnittlich 3,2 Prozentpunkte vor dem Demokraten Mandela Barnes (Stand: 4. November 2022). In Washington hofft Tiffany Smiley auf einen Überraschungssieg: Die Republikanerin ist derzeit im Umfragendurchschnitt drei Prozentpunkte hinter Demokratin Patty Murray.
Der Senat, wo die Mehrheit der Demokraten derzeit allein durch das Stimmrecht von Vize-Präsidentin Kamala Harris gesichert wird, könnte nach der Wahl also an die Republikaner gehen – und somit den Trumpisten einen Triumph bescheren. Dennoch: Umfragen sind stets mit Unsicherheiten belastet.
Derzeit haben beide Parteien jeweils 50 Sitze inne, inklusive zweier unabhängiger Kandidaten auf Seite der Demokraten. Demnach brauchen die Republikaner insgesamt 51 Senatssitze, um die Mehrheit zu erlangen. Lesen Sie hier mehr zu den wichtigsten Informationen rund um die Midterms.
- Mit Material der Nachrichtenagentur dpa
- realclearpolitics.com: "Senate Election Polls" (englisch)
- thehill.com: "How a third-party candidate dropping out could shake up Arizona's close Senate race" (englisch)
- edition.cnn.com: "2022 Race Ratings: Senate" (englisch)
- fr.de: "Midterms in den USA: In diesen Staaten wird es besonders spannend"
- amerikawahl.de: "Umfragen zu den Senatswahlen 2022"