Eskalation am Kaukasus Bergkarabach: Schwere Kämpfe fordern viele Tote
In der Konfliktregion Bergkarabach gibt es nach neuen Gefechten viele Verletzte und auch Tote. Zahlreiche Länder rufen Armenien und Aserbaidschan zur Deeskalation auf und wollen vermitteln.
Nach schweren Kämpfen mit zahlreichen Toten und Verletzten in der Konfliktregion Bergkarabach gilt in den verfeindeten Nachbarländern Armenien und Aserbaidschan der Kriegszustand. In Aserbaidschan trat das in der Nacht auf Montag in Kraft, wie Staatschef Ilham Aliyev am Wochenende entschied. In der Ex-Sowjetrepublik soll es in einigen Landesteilen abends Ausgangssperren geben. In Armenien mobilisierte Regierungschef Nikol Paschinjan in Eriwan bereits am Sonntag die Bevölkerung und verhängte im ganzen Land den Kriegszustand. Zuvor hatte Aserbaidschan eine Militäroperation gegen Bergkarabach begonnen und eroberte mehrere Dörfer.
Wehrpflichtige zum Kriegsdienst eingezogen
Der Staatschef von Aserbaidschan, Ilham Aliyev, hat wegen des Konflikts um Bergkarabach eine Teilmobilmachung angeordnet. Damit würden Wehrpflichtige zum Kriegsdienst eingezogen, hieß es in einem am Montag vom Präsidialamt in Baku veröffentlichten Schreiben.
Das armenische Außenministerium warf Aserbaidschan vor, Truppen aus der Türkei hinzugezogen zu haben. Eine offizielle Bestätigung dafür gab es nicht. Aserbaidschan und Türkei arbeiten militärisch eng zusammen. Das aserbaidschanische Verteidigungsministerium teilte mit, bei einem Beschuss der Stadt Terter sei ein Mensch getötet worden. Bei den Gefechten am Sonntag in Bergkarabach gab es nach offiziellen Angaben 16 Tote und mehr als 100 Verletzte. Die aserbaidschanische Seite sprach von sechs Toten und 26 Verletzten in den eigenen Reihen. Unter den Opfern sind nach Angaben des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz auch Zivilisten.
Schwerste Eskalation seit Jahrzehnten
Zwischen den verfeindeten Ländern kam es nach Angaben beider Seiten am frühen Sonntagmorgen zu den Gefechten. Bergkarabachs Hauptstadt Stepanakert sei beschossen worden, hieß es. Paschinjan wertete die Gefechte als Kriegserklärung gegen sein Volk.
Die von Armenien kontrollierte Region mit geschätzt 145.000 Einwohnern gehört völkerrechtlich zum islamisch geprägten Aserbaidschan. Es handelt sich um die schwerste Eskalation seit Jahrzehnten.
Beide Seiten gaben sich gegenseitig die Schuld für die Gefechte. Armenien behauptete am Sonntagabend, dass die Türkei Aserbaidschan unterstützt haben soll. Das Verteidigungsministerium in Eriwan habe Informationen dazu; dass etwa türkische Waffen zum Einsatz gekommen seien. Regierungschef Paschinjan betonte bei einem Telefonat mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron auch, dass sich die Türkei sehr aggressiv verhalte. Ankara müsse abgehalten werden, sich in diesen Konflikt einzumischen. Eine Reaktion aus der Türkei gab es bislang nicht.
Maas: Stehen für Verhandlungen bereit
Die EU, Deutschland und auch Russland riefen die Konfliktparteien auf, die Kämpfe sofort einzustellen und an den Verhandlungstisch zurückzukehren. Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) betonte, dass die OSZE-Minsk-Gruppe mit ihren drei Co-Vorsitzenden Frankreich, Russland und USA für Verhandlungen bereit stehe. Die OSZE ist die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa. Iran, der gute Beziehungen zu beiden Ländern hat, bot sich ebenfalls als Vermittler an.
Baku hatte in einem Krieg nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion die Kontrolle über das von christlichen Karabach-Armeniern bewohnte Gebiet verloren. Seit 1994 gilt in der Region eine Waffenruhe, die aber immer wieder gebrochen wurde. Zuletzt flammte der Konflikt 2016 stark auf - es starben mehr als 120 Menschen. Das völlig verarmte Armenien setzt auf Russland als Schutzmacht, das dort Tausende Soldaten und Waffen stationiert hat. Das öl- und gasreiche Aserbaidschan hat die Türkei als verbündeten Bruderstaat.
Das Auswärtige Amt riet von Reisen in die Region ab. "Von Reisen in die Nähe der Line of Contact um Bergkarabach und den besetzten Gebieten sowie in das gesamte Grenzgebiet zu Armenien wird dringend abgeraten", hieß es am frühen Sonntagabend in den Reise- und Sicherheitshinweisen. Desselbe gilt demnach für Reisen in das gesamte Grenzgebiet auf armenischer Seite. Die Einreise nach Bergkarabach ohne eine entsprechende aserbaidschanische Erlaubnis stelle nach aserbaidschanischem Recht einen Straftatbestand dar, heißt es zudem.
- Nachrichtenagentur dpa