Vor libyscher Küste Bootsunglück auf Mittelmeer fordert womöglich 115 Tote
Während in der EU um die Verteilung von Flüchtlingen gestritten wird, spielt sich im Mittelmeer die nächste Tragödie ab: 250 Migranten beginnen dort die gefährliche Überfahrt – fast die Hälfte wird nach einem schweren Unglück nun vermisst.
Nach einem schweren Bootsunglück vor der Küste Libyens werden 115 Migranten vermisst. Das sagte ein Sprecher der libyschen Küstenwache am Donnerstag und nährte damit Befürchtungen über den Tod Dutzender Menschen auf ihrer Fahrt über das Mittelmeer. Nach Angaben der Internationalen Organisation für Migration (IOM) könnten bei dem Unglück noch deutlich mehr Menschen ums Leben gekommen seien. Es wäre das schwerste Bootsunglück im Mittelmeer des laufenden Jahres.
Die Küstenwache erklärte, mit einigen Fischern 134 Migranten aus verschiedenen afrikanischen und arabischen Ländern gerettet zu haben. Zudem sei eine Leiche aus dem Wasser geborgen worden. Insgesamt seien 250 Menschen an Bord des Holzboots gewesen, das im Küstenort Al-Chums gestartet war, sagte Marinesprecher Ajub Kassim der Deutschen Presse-Agentur. Laut IOM war aber unklar, ob die Migranten auf einem oder zwei Booten unterwegs waren. Nach Schätzungen der Organisation könnten bis 300 Menschen in Seenot gewesen sein. Am späten Abend teilte IOM mit, dass 87 Migranten an die libysche Küste zurückgebracht worden seien. 84 von ihnen seien in das Internierungslager Tadschura gebracht worden.
"Schwersten Tragödie im Mittelmeer"
Der Chef des UN-Flüchtlingshilfswerks, Filippo Grandi, sprach auf Twitter von der "schwersten Tragödie im Mittelmeer" des laufenden Jahres. Er forderte, die Seenotrettung dort wieder aufzunehmen, die Internierung von Flüchtlingen und Migranten in Libyen zu beenden und mehr sichere Routen aus dem Land zu ermöglichen. "Sonst ist es für viele weitere verzweifelte Menschen zu spät", schrieb Grandi.
Die Vereinten Nationen zeigten sich "sehr besorgt" über die anhaltenden Gefahren und die mangelnde Sicherheit für Menschen auf hoher See. Alle Länder in der Region müssten sicherstellen, dass diejenigen, die ihr Leben einer solchen Gefahr aussetzten, geschützt würden, sagte ein Sprecher von UN-Generalsekretär Antonio Guterres.
Unicef-Chefin Henrietta Fore nannte die Nachrichten von dem Unglück "schrecklich". Sie rief dazu auf, die Seenotrettung im Mittelmeer wieder aufzunehmen und die Internierung von Flüchtlingen und Migranten in Libyen zu beenden. "Angesichts der immer wieder vorkommenden Fälle von Misshandlung, Gewalt und Tod sollte kein Kind in diesen Zentren untergebracht werden", sagte Fore. "Wenn wir nicht dringend etwas unternehmen, werden wir immer wieder Kinder sehen, die auf diesen Überquerungen ihr Leben verlieren", warnte Fore.
Derzeit sind keine privaten Rettungsschiffe im Mittelmeer unterwegs. Die deutsche Organisation Sea-Eye kündigte allerdings am Donnerstag an, mit der "Alan Kurdi" in Richtung der Rettungszone vor der libyschen Küste aufzubrechen. Dort werde sie voraussichtlich Dienstag eintreffen, erklärte die Regensburger Organisation. Innerhalb der Europäischen Union läuft ein Streit darüber, wie Migranten verteilt werden sollen, die im Mittelmeer gerettet werden. 76 Migranten kamen unterdessen nach Angaben des Militärs auf Malta an, nachdem sie zuvor südlich der Inselrepublik gerettet worden waren.
Derweil gab die italienische Abgeordnetenkammer am Donnerstag grünes Licht für einen Gesetzesentwurf, nach dem Seenotrettern in dem Land künftig Strafen von bis zu einer Million Euro drohen könnten, wenn sie mit ihren Schiffen unerlaubt in italienische Hoheitsgewässer fahren. Das neue Gesetz soll den Behörden im Fall einer Verletzung eines Einfuhrverbots auch ermöglichen, das betreffende Schiff zu konfiszieren. Damit wird der Druck auf Hilfsorganisationen, die im Mittelmeer Migranten retten, weiter erhöht.
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Das Mittelmeer gehört zu den gefährlichsten Fluchtrouten für Menschen, die nach Europa kommen wollen. Beim Versuch, es zu überqueren, kamen dieses Jahr nach IOM-Angaben bereits mehr als 680 Menschen ums Leben. Mehr als 3.700 seien aufgegriffen und in Internierungslager in Libyen gebracht worden. Der nordafrikanische Staat ist ein Transitland für Tausende von Migranten.
- Nachrichtenagentur dpa