Parlamentarische Versammlung des Europarats Russland erhält Stimmrecht zurück
Ungeachtet heftiger Proteste hat sich die Versammlung den Forderungen Moskaus gebeugt – und die Sanktionen nach der Krim-Annexion wieder aufgehoben. Russland hatte zuvor mit dem Austritt gedroht.
Nach einer mehrstündigen und ungewöhnlich leidenschaftlichen Debatte hat die Parlamentarier-Versammlung des Europarats den Weg für einen Verbleib Russlands in der paneuropäischen Organisation geebnet. Sie stimmte in der Nacht zum Dienstag für eine Änderung ihrer Geschäftsordnung, die de facto auf das Ende der 2014 nach der Krim-Annexion gegen die russische Delegation verhängten Sanktionen abzielt. 118 Abgeordnete stimmten dafür und 62 Abgeordnete dagegen.
Moskau hatte in den vergangenen Monaten wiederholt mit einem Austritt aus dem Europarat für den Fall gedroht, dass die Sanktionen gegen die 18 russischen Mitglieder – unter anderem der Entzug des Stimmrechts – beibehalten werden.
Die nun verabschiedete Neuregelung sieht vor, dass die Parlamentarier-Versammlung künftig nicht mehr einseitig Sanktionen verhängen kann, sondern nur in Absprache mit dem Ministerkomitee, dem die Außenminister der 47 Europaratsländer angehören. Dadurch soll die russische Delegation ihre Rechte zurückerhalten, wie von Moskau gefordert.
Stundenlange Wortgefechte
Falls Moskau diese Zugeständnisse reichen, könnten die russischen Abgeordneten bereits am Dienstag in die Versammlung zurückkehren – rechtzeitig vor der am Mittwoch geplanten Wahl eines neuen Generalsekretärs der Organisation. "Ob die Russen zurückkommen, werden wir am Dienstagvormittag sehen", sagte ein Sprecher der Versammlung.
In der Versammlung lieferten sich Befürworter und Gegner der Neuregelung stundenlang heftige Wortgefechte. Ziel sei es, den seit Jahren andauernden Konflikt mit Russland zu beenden, sagte die Berichterstatterin, die belgische Sozialistin Petra de Sutter.
Auch der SPD-Abgeordnete Frank Schwabe plädierte für einen Verbleib Russlands im Europarat. In Russland selbst und den besetzten Gebieten benötigten mehr als 140 Millionen Menschen den Schutzschirm der Europäischen Menschenrechtskonvention und des Gerichtshofs für Menschenrechte.
Krim-Annexion war Ursprung der Sanktionen
Heftige Proteste kamen erwartungsgemäß von Abgeordneten aus der Ukraine. Seit der Annexion der Krim vor fünf Jahren habe die Parlamentarier-Versammlung in mehreren Entschließungen das russische Vorgehen in der Ukraine, aber auch schwere Menschenrechtsverletzungen in Russland angeprangert, betonte der Konservative Oleksii Goncharenko. Moskau habe alle Entschließungen ignoriert. "Und was machen wir? Wir geben der russischen Erpressung nach und ändern unsere Regeln."
Sein Landsmann Liashko Oleh sprach von einem "Festival der Heuchelei". Die Versammlung rolle für den "russischen Aggressor den roten Teppich aus". Gegner eines Nachgebens gegenüber Moskau hatten mehr als 200 Änderungsvorschläge eingereicht.
Die russischen Abgeordneten boykottieren die Arbeit der Versammlung, seit ihnen im April 2014 wegen der Annexion der ukrainischen Halbinsel Krim das Stimmrecht entzogen wurde. Sie wurden damals auch von Spitzenämtern in der Versammlung und bestimmten Missionen – etwa zur Wahlbeobachtung – ausgeschlossen.
Moskau übt finanziellen Druck aus
Im Juni 2017 stellte Moskau dann die Zahlung seiner Mitgliedsbeiträge von rund 33 Millionen Euro pro Jahr ein. Dem Europarat fehlen damit rund neun Prozent seines Jahresbudgets. Laut Satzung droht einem Land der Ausschluss, wenn es zwei Jahre lang keine Beiträge gezahlt hat.
Um dies zu verhindern, hatten die Außenminister der 47 Europaratsländer am 17. Mai bei einem Treffen in Helsinki Zugeständnisse an Moskau gemacht, darunter die Aussicht auf ein Ende der Sanktionen.
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Der Europarat wurde im Mai 1949 gegründet, vier Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs. Heute zählt er 47 Mitgliedsländer, alle europäischen Staaten mit Ausnahme Weißrusslands. Russland wurde 1996 in die Staatenorganisation aufgenommen. Der Parlamentarier-Versammlung gehören 318 nationale Abgeordnete aus den Europaratsländern an. Die Versammlung tagt vier Mal im Jahr in Straßburg.
- Nachrichtenagentur dpa