Trotz Protesten Algeriens Präsident kandidiert – und kündigt Rückzug an
Algerien erlebt die größten Proteste seit dem Ende des Bürgerkriegs. Die Menschen fordern, dass Präsident Bouteflika nicht noch einmal zur Wahl antritt. Doch die Machtelite scheint einen Plan gefasst zu haben.
Trotz der massiven Proteste in den vergangenen Tagen kandidiert Algeriens Präsident Abdelaziz Bouteflika erneut für das höchste Staatsamt. In einer am Sonntagabend verlesenen Nachricht überraschte Bouteflika allerdings und kündigte im Fall seiner Wiederwahl seinen späteren Rückzug sowie Reformen an. Er werde nicht die gesamte Amtszeit regieren, sondern es werde vorgezogene Neuwahlen geben, las Bouteflikas Wahlkampfleiter Abdelghani Zaalane vor. Bei einer solchen Wahl werde Bouteflika selbst dann aber nicht mehr antreten.
"Algerien muss seinen Weg in Richtung Demokratie fortsetzen", hieß es in der Erklärung des Präsidenten. Eine Nationalkonferenz solle über politische, wirtschaftliche und soziale Reformen diskutieren. Außerdem solle sie eine neue Verfassung ausarbeiten, über die das Volk dann abstimmen könne. Wahlkampfleiter Zaalane hatte am Sonntagabend offiziell die notwendigen Unterlagen für die Kandidatur Bouteflikas beim algerischen Verfassungsgericht eingereicht. Nach der Ankündigung kam es allerdings in mehreren Städten Algeriens unmittelbar zu erneuten Demonstrationen.
Führende Oppositionspolitiker kündigten zudem einen Boykott der Wahl an und riefen zu weiteren Protesten auf. Die größte moderat islamistische Partei Algeriens, HMS, habe entschieden, nicht zur Abstimmung anzutreten, sollte Bouteflika erneut zur Wahl stehen, teilte die Partei mit. Auch der frühere Regierungschef Ali Benflis, der bei der Präsidentschaftswahl vor fünf Jahren hinter Bouteflika die zweitmeisten Stimmen bekam, kündigte seinen Rückzug an. Er hatte Bouteflika bereits 2014 systematischen Wahlbetrug vorgeworfen.
Tränengas und Wasserwerfer gegen Demonstranten
In zahlreichen Städten Algeriens waren schon am Sonntagmorgen erneut Zehntausende Menschen auf die Straßen gegangen, um gegen eine fünfte Amtszeit und für demokratische Reformen zu demonstrieren. Die Polizei setzte am abgeriegelten Sitz des algerischen Verfassungsgerichts nach Augenzeugenberichten Tränengas und Wasserwerfer gegen die Menge ein. Dort mussten die Kandidaten ihre Unterlagen einreichen.
In großen Teilen der Hauptstadt Algier blieb es den Tag über friedlich. Auch in weiteren größeren Städten des Landes zogen die Menschen friedlich durch die Straßen. In den vergangenen Tagen hatten Hunderttausende Algerier gegen Bouteflika demonstriert. Viele forderten demokratische Reformen. Es sind die größten Proteste seit Ende des Bürgerkriegs. Im sogenannten Schwarzen Jahrzehnt in den 1990er Jahren starben mehr als 150.000 Menschen.
Boutelflika wird als Marionette des Militärs gesehen
Bouteflika wurde 1999 als Wunschkandidat des algerischen Militärs zum Präsidenten gewählt. Seit einem Schlaganfall 2013 ist er auf den Rollstuhl angewiesen und hat große Probleme zu sprechen. Er tritt kaum noch öffentlich auf und musste zuletzt mehrere Treffen mit Staatschefs absagen - darunter auch einen Besuch Angela Merkels 2017. Zuletzt hielt sich Bouteflika nach Medienberichten zu medizinischen Untersuchungen in Genf in der Schweiz auf.
Bouteflika und Dein Clan: Verschwindet!", riefen die Demonstranten. Kritiker sehen in Bouteflika eine Marionette von Militärs, Familienclans und der einflussreichen Wirtschaftselite des Landes.
Bouteflika hatte Proteste bereits 2011 während des sogenannten Arabischen Frühlings überstanden. Seine Regierung reagierte mit leichten Reformen und der Anhebung von Subventionen auf die Proteste. Allerdings ist die Wirtschaft des Landes vom Preisverfall bei Öl und Gas stark betroffen. Die Arbeitslosigkeit liegt nach Angaben der Weltbank bei etwa 13 Prozent, allerdings bei den Unter-25-Jährigen bei mehr als 24 Prozent.
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Bei Massenprotesten am Freitag war es zu Zusammenstößen zwischen Demonstranten und der Polizei gekommen. Nach Angaben der Generaldirektion der Sicherheitskräfte wurden dabei 56 Polizisten und sieben Demonstranten verletzt. 45 Demonstranten seien festgenommen worden. Innenminister Nouredine Bedoui bestätigte, dass ein 56-Jähriger starb. Er sei einem Herzinfarkt erlegen, teilte die Nachrichtenagentur APS mit.
- Nachrichtenagentur dpa