t-online - Nachrichten für Deutschland
t-online - Nachrichten für Deutschland
Such IconE-Mail IconMenü Icon



HomePolitikAuslandKrisen & Konflikte

Putins Schattenarmeen: Russland baut auf "Wegwerf-Agenten" in Europa


Putins "Wegwerf-Agenten" im Visier
Aus dem Untergrund heraus sabotieren sie in Europa

Von t-online, FIN

Aktualisiert am 23.04.2025 - 15:18 UhrLesedauer: 3 Min.
imago images 0762411863Vergrößern des Bildes
Ein russischer Marinesoldat schaut durch ein Fernglas (Archivbild): Neben Russlands zerstörerischem Angriffskrieg gegen die Ukraine übersät der Kreml zunehmend Europa mit hybriden Angriffen. (Quelle: IMAGO/Vadim Savitsky/imago)
News folgen

Russland setzt zunehmend auf "Wegwerf-Agenten", um die hybride Kriegsführung in Europa voranzutreiben. Sogar Ukrainer befinden sich im Dienst des Kreml.

Seit Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine richtet der Kreml seine Aufmerksamkeit zunehmend auch auf deren Verbündete – darunter europäische Staaten und die USA. Ziel dieser hybriden Strategie ist es, gesellschaftliche Prozesse zu stören, Angst zu verbreiten und Stimmung gegen die angebliche "Kriegstreiberei" des Westens zu machen.

Wie NDR, WDR und "Süddeutsche Zeitung" am Mittwoch berichten, gehen westliche Geheimdienste inzwischen davon aus, dass der russische Militärgeheimdienst GRU dahintersteckt. Demnach werden offenbar mehrere ranghohe GRU-Angehörige mit den Sabotageplänen vom Juli 2024 in Verbindung gebracht.

Anschläge hätten Flugzeugabstürze auslösen können

Im Sommer vergangenen Jahres waren Pakete mit Brandsätzen in Lagerhäusern des Logistikkonzerns DHL in Leipzig und im britischen Birmingham aufgetaucht, wo sie in Brand gerieten. In Polen setzte ein Paket auch einen DHL-Lkw in Brand. Nach dem Brand in Leipzig leitete die Bundesanwaltschaft Ermittlungen ein. Laut dem damaligen Verfassungsschutzpräsident Thomas Haldenwang hätte die brennende Paketsendung einen Flugzeugabsturz auslösen können.

Im Zuge der westlichen Sanktionen wurden seit Kriegsbeginn bis zu 600 russische Diplomaten aus Europa ausgewiesen. Daraufhin passte Moskau seine Taktik an: Anstelle professioneller Geheimdienstmitarbeiter und Diplomaten setzt Russland zunehmend auf sogenannte "Low-Level-Agents" – im deutschen Sprachgebrauch auch als "Wegwerf-Agenten" bekannt.

Wer sind die Handlanger Putins ?

Diese Agenten sind meist bezahlte Amateure ohne nachweisliche geheimdienstliche Ausbildung. Viele stammen aus dem Milieu der organisierten Kriminalität und lassen sich für Geld anheuern. Je nach Umfang und Risiko eines Auftrags können sie zwischen 100 und 10.000 Euro erhalten – die Bezahlung erfolgt in der Regel über Kryptowährungen, was es den Behörden zusätzlich erschwert, Geldflüsse nachzuvollziehen.

Brandanschlag geplant – im Namen des Kreml?

Inzwischen ist es den Sicherheitsbehörden jedoch gelunge, mehrere Verdächtige festzunehmen. Ende Januar wurde ein in Hessen lebender ukrainischer Geflüchteter in Polen verhaftet. Die polnische Staatsanwaltschaft beschuldigt ihn, mehrere Brandanschläge geplant zu haben – unter anderem in der Nähe eines Tanklagers, in dem Millionen Liter Treibstoff lagern.

Laut Recherchen des ZDF-Magazins "Frontal" wurde der 51-jährige Serhij S. über den russischen Messengerdienst Telegram kontaktiert. Hinter dem anonym betriebenen Kanal "Lucky Strike" vermuten die Ermittler die Gruppe "Stab der Partisanenbewegung Smersch" – benannt nach einem sowjetischen Geheimdienst des Zweiten Weltkriegs. Im Beschreibungstext des Kanals heißt es: "Wir suchen Leute, die Proteste in Europa und den USA organisieren." Und weiter: "Wir suchen auch Partisanen, die bereit sind, Brandanschläge zu verüben." In Warschau wurde ein solcher Anschlag, bei dem ein gesamtes Einkaufszentrum abbrannte, verübt.

Empfohlener externer Inhalt
X
X

Wir benötigen Ihre Einwilligung, um den von unserer Redaktion eingebundenen X-Inhalt anzuzeigen. Sie können diesen (und damit auch alle weiteren X-Inhalte auf t-online.de) mit einem Klick anzeigen lassen und auch wieder deaktivieren.

Serhij S. soll gegen eine Zahlung von 4.000 Euro zu ähnlichem bereit gewesen sein. Vor Gericht erklärte er später, dass ihm nach der Kontaktaufnahme über Telegram der Verdacht gekommen sei, dass er es mit russischen Geheimdiensten zu tun haben könnte. Er behauptete, den Brandanschlag nur vorgetäuscht zu haben, um seine Auftraggeber um das Geld zu betrügen. Bei seiner Vernehmung in Polen sagte er: "Der Teufel hat mich verführt." Das Gericht in Wrocław verurteilte ihn zu acht Jahren Haft.

Ein Heer im Schatten

Für den Kreml scheint das jedoch kaum von Bedeutung zu sein. Genau darin liegt die Logik hinter den "Wegwerf-Agenten": Ohne kostspielige Ausbildung können sie billig und effektiv eingesetzt werden – und sollten sie gefasst werden, sind sie für Moskau leicht ersetzbar. Und da sie online rekrutiert werden und in der Regel keine direkten Kontakte zu russischen Geheimdiensten haben, entsteht für die russische Seite kein ernst zu nehmendes Sicherheitsrisiko, sollten sie verhaftet werden.

Westliche Geheimdienste gehen inzwischen davon aus, dass Russland in Europa über ein Netzwerk von mehreren hundert "Agenten" verfügt. Diese nutzen ihre Verbindungen, um Moskau mit vielfältigen Informationen zu versorgen. Der litauische Nationale Sicherheitsberater Kęstutis Budrys warnt gegenüber der "Süddeutschen Zeitung" (SZ): "Die russischen Saboteure sehen, wie hilflos der Westen ihren Aktionen gegenübersteht, sie sehen, es billig, es ist effektiv – Warum sollten sie jetzt damit aufhören?"

Den Erkenntnissen der Ermittler zufolge leitet auch der ehemalige Manager des Wirecard-Konzerns Jan Marsalek inzwischen für den Kreml ein solches Agentennetzwerk aus Russland heraus.

Für Deutschland ergibt sich daraus eine konkrete Bedrohungslage. Im Gespräch mit der SZ sagte der Präsident des Bundesnachrichtendienstes (BND), Bruno Kahl, er sehe darin eine deutliche Demonstration der Macht des Kreml.

Der Grünen-Politiker und Geheimdienstexperte Konstantin von Notz forderte in der SZ unterdessen, eine gemeinsame Sprache zu finden und die hybriden Angriffe und Sabotageakte, die täglich stattfinden, auch klar als solche zu benennen. Zugleich zeigte er sich erschüttert darüber, wie wenig teilweise von Seiten der Sicherheitsbehörden gehandelt werde. Er forderte, Sicherheitsbehörden, Bundeswehr, Nachrichtendienste und Polizei "insgesamt wehrhafter" zu machen.

Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...

ShoppingAnzeigen

Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Neueste Artikel



Telekom