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Kämpfe in Syrien: Warum der Konflikt wieder aufflammt


Konflikt in Syrien flammt wieder auf
"Das wird jetzt sehr viele Menschenleben wieder kosten"

Von dpa
Aktualisiert am 01.12.2024Lesedauer: 4 Min.
urn:newsml:dpa.com:20090101:241130-99-190280Vergrößern des Bildes
Bewaffnete Oppositionskämpfer in Syrien: Die Rebellen haben innerhalb kurzer Zeit viel Boden eingenommen. (Quelle: Anas Alkharboutli/dpa)
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Innerhalb kurzer Zeit übernehmen Rebellen einen Großteil der syrischen Großstadt Aleppo. Syriens Regierungstruppen ziehen sich zurück. Was bedeuten die schwersten Kämpfe seit Jahren in dem Land?

In Syrien sind die Kämpfe nach mehreren Jahren wieder heftig aufgeflammt. Eine islamistische Rebellen-Allianz hat mittlerweile die vollständige Kontrolle über die Großstadt Aleppo übernommen, meldet die syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte. Der Vorstoß kam auch für die Regierung von Präsident Baschar al-Assad anscheinend überraschend. Experten sprechen von einem einschneidenden Ereignis in dem Krieg, der seit fast 14 Jahren wütet.

Doch was genau passiert gerade in Syrien? Ein Überblick:

Welche Gruppe hat Aleppo angegriffen?

Bei den Kämpfern handelt es sich um eine Rebellen-Allianz unter der Führung der islamistischen Gruppe Haiat Tahrir al-Scham (HTS). Sie gilt als die kontrollierende Kraft im Nordwesten von Syrien, wohin die meisten Aufständischen und Rebellengruppen im Laufe des syrischen Bürgerkriegs zurückgedrängt wurden. Die HTS entstand aus der Nusra-Front heraus, die als Ableger der Terrororganisation Al-Kaida galt. Zwar verkündete HTS offiziell bereits vor Jahren den Bruch mit Al-Kaida, dennoch folgt die Gruppe der dschihadistischen Ideologie. Die USA listen HTS als Terrororganisation. Experten gehen davon aus, dass mehrere Zehntausend Kämpfer zu den Rebellen gehören.

Nach Darstellung der syrischen Armee sind die Rebellen von "Tausenden ausländischen Terroristen" unterstützt worden und mit schweren Waffen und einer großen Anzahl von Drohnen vorgerückt. Dutzende Soldaten der Regierung seien gefallen. Aufgrund der großen Zahl der Angreifer und der vielen Fronten habe man entschieden, sich zurückzuziehen und einen Gegenangriff vorzubereiten.

Warum flammt der Konflikt gerade jetzt wieder auf?

Es gibt mehrere Faktoren, die dazu geführt haben, dass die Blitzoffensive genau jetzt stattfindet. Der wichtigste Faktor dürfte die regionale Schwächung der Verbündeten von Syriens Präsident Baschar al-Assad sein: Russland und der Iran sind die Hauptunterstützer Syriens und haben dazu beigetragen, dass Assad die Aufständischen vor einigen Jahren zurückdrängen konnte. Aber beide Länder sind derzeit in anderen Konflikten gebunden und dadurch geschwächt.

Russland kämpft in der Ukraine, und der Iran ist durch den Konflikt der Hisbollah im Libanon mit Israel militärisch geschwächt. Dazu kommt, dass sich die Rebellen offenbar langfristig auf einen Angriff vorbereitet haben. Sie nutzten schwere Waffen und teilweise auch Drohnen, um so schnell vorrücken zu können.

Ein Sprecher einer der Rebellengruppen sagte der dpa, die Operation sei auch wegen des "Kollapses der proiranischen Milizen" in Syrien so schnell und erfolgreich verlaufen. Die vom Iran unterstützten Milizen hätten ihre Posten verlassen und die syrischen Truppen bei der Konfrontation mit den Rebellen allein gelassen.

Der syrische Machthaber kündigte allerdings einen Gegenschlag an: Mit Hilfe seiner Verbündeten und Freunde sei Syrien in der Lage, die Terrorattacken zurückzuschlagen, sagte Assad dem Präsidenten der Vereinigten Arabischen Emirate, Scheich Mohammed bin Sajid Al Nahjan, nach Angaben der staatlichen Rundfunkbehörde. Im Laufe des Tages werde der iranische Außenminister Abbas Araghtschi in Damaskus erwartet, um mit seinem syrischen Kollegen die Lage in Aleppo zu besprechen, berichtete die iranische Nachrichtenagentur Irna.

Wie schätzen Experten die Situation ein?

Angesichts einer erwarteten Gegenoffensive befürchtet der Nahost-Experte und Autor Daniel Gerlach, dass ein erneuter Kampf um Aleppo wieder blutig werden könnte. "Das wird jetzt sehr viele Menschenleben wieder kosten", sagte er der Deutschen Presse-Agentur.

Gerlach hält es für möglich, dass die Regierung wieder die Oberhand gewinnt. Zwar seien Assads Verbündete Iran und Russland geschwächt, beziehungsweise hätten nicht die Kapazitäten wie zuvor. Trotzdem verfüge die syrische Regierung über Einheiten, die in der Lage seien, Häuserkämpfe zu führen. Die Strategie, sich zunächst zurückzuziehen und dann mit erfahrenen Einheiten zurückzuschlagen, sei in den vergangenen Jahren immer wieder zu beobachten gewesen, sagt er.

Viel hänge nun davon ab, wie sich Assads Verbündeter Russland verhalte, sagte Heiko Wimmen von der Denkfabrik International Crisis Group der Deutschen Presse-Agentur. "Ohne substanzielle russische Luftunterstützung wird Assad Aleppo vermutlich nicht zurückerobern können", erläuterte Wimmen. Möglicherweise könnten die Rebellen in diesem Fall noch weitere Geländegewinne erzielen. Russland habe aber zu viel in Assad investiert, um ihn jetzt fallen zu lassen.

Assads zweiter Verbündeter Iran befinde sich in der Defensive, sagte Wimmen weiter. Der Wahrnehmung nach hätten Rebellen offenbar diese momentane Schwächung des Irans als günstige Gelegenheit erkannt.

Welche Konfliktparteien gibt es in Syrien?

Im Jahr 2011 schlug Syriens Präsident Assad Demonstrationen im Zuge des sogenannten Arabischen Frühlings brutal nieder. Aus den Protesten entwickelten sich schnell Massenproteste und schließlich ein Konflikt und Stellvertreterkrieg mit internationaler Beteiligung. Syrien wird von Russland und Iran unterstützt, auch pro-iranische Milizen wie die Hisbollah unterstützen die syrische Regierung.

Bei den Rebellengruppen gibt es unterschiedliche Kräfte, eine der stärksten ist die islamistische HTS. Daneben kontrollieren zudem kurdische Kräfte, die von den USA unterstützt werden, einen Großteil Nordsyriens, unter anderem entlang der Grenze zur Türkei. Die Türkei hält in Nordsyrien infolge mehrerer Militäreinsätze Grenzgebiete besetzt und kooperiert dabei mit Rebellengruppen. Auch Israel flog zuletzt immer wieder Luftangriffe in Syrien, die sich unter anderem gegen Kämpfer der libanesischen Hisbollah richteten. Das trug ebenfalls weiter zur Schwächung der syrischen Regierung bei.

Warum ist Aleppo von Bedeutung?

Aleppo ist die zweitgrößte Stadt Syriens und die größte Metropole im Norden des Landes. Sie war lange das wirtschaftliche Zentrum Syriens und ist ein wichtiger Knotenpunkt. Hinzu kommt ein symbolischer Charakter. Lange kontrollierten Rebellen Aleppo. Im Dezember 2016 konnte die syrische Regierung mithilfe Russlands die Stadt zurückerobern. Große Teile von Aleppo wurden zerstört, die Oppositionellen verließen die Stadt in Richtung der Provinz Idlib. Die Rückeroberung von Aleppo im Jahr 2016 gilt als ein entscheidender Wendepunkt im syrischen Bürgerkrieg, in dem die Regierungstruppen seitdem wieder rund zwei Drittel des Landes kontrollieren.

Auch die aktuelle Rebellenoffensive könnte wieder einen Wendepunkt bedeuten. Die Aufständischen haben gezeigt, dass sie trotz jahrelanger Rückschläge immer noch in der Lage sind, militärische Erfolge zu erzielen. Dazu zeigt die Offensive die aktuelle Schwäche der Regierung und seiner Verbündeten auf. Entscheidend wird sein, ob die Rebellen die Stadt halten können und wie Iran und Russland Syrien unterstützen.

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagentur dpa
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