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Belarus: Deutscher Rico K. in Haft – wird er zu Putins Druckmittel?


"Es ist unerträglich"
Wie ein inhaftierter Deutscher zu Putins Druckmittel werden könnte


Aktualisiert am 26.07.2024Lesedauer: 3 Min.
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Russlands Präsident Putin und Belarus' Präsident LukaschenkoVergrößern des Bildes
Der russische Präsident Wladimir Putin (l) und der belarussische Präsident Alexander Lukaschenko (Archivbild): Sie arbeiten trotz des Kriegs in der Ukraine weiter zusammen. (Quelle: Dmitriy Azarov/Pool Sputnik Kremlin/AP/dpa/dpa-bilder)

In Belarus droht dem Deutschen Rico K. der Tod, ein Gericht hat ihn dazu verurteilt. Er ist einer von mehr als 1.000 politischen Gefangenen – und nun wohl ein Faustpfand.

Seit vergangenem Herbst sitzt der Deutsche Rico K. in belarussischer Haft. Nun wurde er zum Tode verurteilt. K. ist damit einer von wohl mehr als 1.000 politischen Gefangenen in dem Land. Künftig könnte er als Druckmittel für einen Gefangenenaustausch genutzt werden. t-online klärt die wichtigsten Fragen.

Weshalb droht einem inhaftierten Deutschen aktuell der Tod?

Dem deutschen Rico K. wird in Belarus Söldnertum, Spionage, Terrorismus, Gründung einer extremistischen Vereinigung, Zerstörung eines Verkehrsobjekts sowie illegaler Umgang mit Waffen, Sprengstoff und Munition vorgeworfen. Konkret geht es um einen Sprengstoffanschlag auf ein Eisenbahngleis in der Nähe der belarussischen Hauptstadt Minsk im Oktober des vergangenen Jahres.

An diesem soll sich K. zusammen mit zwei Belarussen im Auftrag des ukrainischen Geheimdienstes beteiligt haben. Laut Informationen des "Spiegel" tauchen die beiden Belarussen aber nirgendwo in den Gerichtsunterlagen auf, weshalb einige Beobachter davon ausgehen, dass K. eine Falle gestellt worden ist. Vor Gericht bekannte sich K. schuldig. Bei dem Anschlag war niemand verletzt worden. Insgesamt beläuft sich der entstandene Schaden auf umgerechnet rund 460 Euro. Mehr Details über Rico K. lesen Sie hier.

Welche Fälle von politischen Gefangenen gab es in Belarus in der Vergangenheit?

Seit der Unabhängigkeit des Landes im Jahr 1991 und speziell seit dem Amtsantritt des amtierenden Machthabers Lukaschenkos 1994 gab es unzählige Fälle von politisch motivierten Verhaftungen. In den meisten Fällen handelte es sich dabei um belarussische Staatsbürger, aber immer wieder geraten auch Ausländer ins Visier der Behörden. Meistens waren diese Gefangene Menschen, die sich kritisch gegenüber dem Lukaschenko-Regime geäußert hatten. Der wohl bekannteste Fall der vergangenen Jahre dürfte der Fall der Oppositionspolitikerin Maria Kolesnikowa sein. Lesen Sie hier mehr dazu.

Obwohl die Todesstrafe bei politischen Gefangenen nur selten zum Einsatz kommt, sterben immer wieder Gefangene an den menschenunwürdigen Haftbedingungen. Laut Informationen der "TAZ" kamen alleine in den Jahren seit 2020 sieben Personen hinter Gittern ums Leben.

Wie viele politische Gefangene gibt es in Belarus derzeit?

Laut Informationen der regimekritischen Medieninitiative "Voice of Belarus" sitzen derzeit 1.430 politische Gefangene in belarussischen Gefängnissen. Der jüngste Inhaftierte soll 17 Jahre sein und die älteste 74. Laut der Menschenrechtsorganisation Viasna sollen 30 der 1.430 Gefangenen Ausländer sein. Neben dem deutschen K. kommen die anderen Gefangenen aus der Ukraine, Polen, Russland, Lettland, Kasachstan und Usbekistan.

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Was erhofft sich Lukaschenko davon?

Offiziell bekannt ist bis auf die Vorwürfe gegen K. bisher wenig über die Motivation des belarussischen Regimes. Denkbar ist jedoch, dass Lukaschenko den Deutschen als Faustpfand, also Druckmittel, einsetzen könnte. Dafür spricht der Auftritt mit dem wohl erzwungenen Geständnis im Staatsfernsehen. K. scheint für das Regime kein normaler Gefangener zu sein.

Bundesaußenministerin Annalena Baerbock sagte zu dem Fall: "Es ist unerträglich, wie das belarussische Regime einen deutschen Staatsangehörigen im Fernsehen vorgeführt hat." Das Auswärtiges Amt und die deutsche Botschaft in Minsk stünden im engen Austausch – sowohl mit K. als auch seiner Familie. Sie bitte um Verständnis, nicht weiter auf die konkreten Schritte eingehen zu können. Klar sei: "Wir müssen alles dafür tun, dass seine Rechte gewahrt bleiben. Die Todesstrafe ist in Europa abgeschafft und verboten. Es gibt klare Regeln zum Umgang mit ausländischen Staatsangehörigen." Lesen Sie mehr zu Baerbocks Aussagen hier.

Welche Rolle spielt Russland dabei?

Belarus gilt als Vasallenstaat Russlands. Während der Massenproteste gegen Präsident Lukaschenko zwischen 2020 und 2021 wurde dieser von Kremlchef Wladimir Putin gestützt. Ohne diese Unterstützung hätte er möglicherweise abtreten müssen. Spätestens seit diesem Zeitpunkt ist Lukaschenko Putin treu ergeben. Beide Staaten unterstützen sich gegenseitig, auch wegen der ihnen auferlegten Wirtschaftssanktionen. Mehr zum russisch-belarussischen Verhältnis lesen Sie hier.

Ferner macht der Zeitpunkt der Verkündung des Urteils gegen K. aufmerksam: Am selben Tag erklärte ein russisches Gericht, dass der russisch-amerikanische Journalist Evan Gershkovich für 16 Jahre in Lagerhaft kommen soll. Die Anklage warf ihm vor, im Auftrag des US-Geheimdienstes CIA Informationen über einen russischen Panzer-Hersteller gesammelt zu haben. Der 32-Jährige bestreitet die Vorwürfe. Das "Wall Street Journal" sprach von einem Scheinurteil. Gershkovich sei lediglich seiner Arbeit als Journalist nachgegangen.

In Deutschland wiederum sitzt der sogenannte Tiergartenmörder in Haft, den Putin seit Langem austauschen möchte. Mehr dazu lesen Sie hier. Denkbar ist nun, dass zu einem unbestimmten Zeitpunkt der Austausch von Gershkovich und dem in Belarus inhaftierten Deutschen ins Spiel gebracht wird. Bisher sind das jedoch lediglich Spekulationen.

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