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China und Belarus führen Übung an Nato-Grenze durch: Was steckt dahinter?


Gemeinsame Übung mit Belarus
Chinesische Armee trainiert an Nato-Ostflanke – Polen reagiert


11.07.2024Lesedauer: 4 Min.
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Ein chinesischer Soldat schaut während einer Militärübung durch das Zielfernrohr seines Gewehrs (Symbolbild): China und Belarus halten derzeit ein gemeinsames Manöver ab. (Quelle: IMAGO/CFOTO/imago)

Unter dem Titel "Angreifender Falke" halten Belarus und China derzeit gemeinsame Manöver ab – und das direkt an der Nato-Grenze. Die Lesart der Übung in Peking und Minsk liegt jedoch weit auseinander.

Erst vor wenigen Tagen ist Belarus einem illustren Kreis beigetreten. Die Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SCO) hat das Land Anfang Juli in seine Mitte aufgenommen. Das Bündnis ist ein Zusammenschluss aus Staaten wie Russland, China, dem Iran und Pakistan, dazu ist Indien bereits seit sieben Jahren Mitglied. Gemeinsam wollen sie dem Westen und allen voran der Nato die Stirn bieten.

Was das bedeutet, lässt sich derzeit an der Nato-Ostflanke beobachten. Bereits Ende vergangener Woche landeten chinesische Militärmaschinen in Belarus. Mit sich brachten sie wohl Dutzende Soldaten sowie Militärgerät. Die chinesische Delegation kam aber nicht nur für eine kurze Stippvisite beim neugewonnenen Partner, sondern hat einen klaren Auftrag: Vom 8. bis zum 19. Juli halten chinesische und belarussische Soldaten eine gemeinsame Anti-Terror-Übung ab – und das unmittelbar an der Grenze zum Nato-Staat Polen.

Die Militärs trainieren auf einem Übungsgelände nahe Brest, einer Großstadt im Südwesten des Landes, die gleichzeitig wichtigster Grenzübergang nach Polen ist. Die beiden Staaten haben das Manöver "Angreifender Falke" getauft, was wohl das Drohpotenzial des Bündnisses unterstreichen soll. Doch was genau steckt hinter der Übung? Was trainieren die Soldaten? Und warum halten China und Belarus das Manöver ausgerechnet jetzt ab?

Belarus spricht von "Provokationen" des Westens

Sprecher beider Länder blieben im Vorfeld der Übung betont vage. Das Verteidigungsministerium in Minsk erklärte: "Das gemeinsame Training hilft, Erfahrungen auszutauschen, die Zusammenarbeit zwischen belarussischen und chinesischen Einheiten zu verbessern und das Fundament für eine weitere Entwicklung der belarussisch-chinesischen Beziehungen auf dem Feld gemeinsamer Truppenausbildung zu legen." Ein Sprecher des chinesischen Verteidigungsministeriums sagte knapp: "Die gemeinsame Übung zielt darauf ab, die Koordinierungsfähigkeiten der beteiligten Truppen zu verbessern und die praktische Zusammenarbeit zwischen den beiden Armeen zu vertiefen."

Dass wohl etwas mehr dahintersteckt, lassen Äußerungen des Vizegeneralstabschefs der belarussischen Armee, Wladimir Kuprijanjuk, vermuten: Entlang der südlichen Grenze beobachte man einen "systematischen Aufbau" von Nato-Einheiten. Seit 2017 seien mehr als 20.000 zusätzliche Soldaten dort stationiert worden, erklärte er der staatlichen Presse Anfang Juli. Trotz der "schwierigen Lage" an der Südgrenze solle es keine Eskalation von belarussischer Seite geben. Dennoch: "Wir werden auf jeden Fall gemeinsam mit unseren Verbündeten auf alle Versuche von Provokationen reagieren."

Besonders seit Beginn des großangelegten russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine am 24. Februar 2022, als Kremltruppen auch Belarus als Aufmarschgebiet nutzten, blicken die europäischen Nachbarn mit Sorge auf das Land. Hinzu kommt, dass Belarus schon 2021 eine große Zahl an Migranten an die polnische Grenze brachte, um Unruhe in der EU zu stiften.

Polen stockt Soldaten in Grenzregion auf

Polen hat deshalb bereits einen Grenzzaun errichtet, um effektiver verhindern zu können, dass das Lukaschenko-Regime erneut Flüchtlinge als Druckmittel einsetzt. Zudem verstärkt Warschau nun die Militärpräsenz entlang der Grenze zu Belarus und zur russischen Enklave Kaliningrad.

Die Zahl der derzeit fast 6.000 Soldaten solle auf bis zu 17.000 aufgestockt werden, erklärte der Chef des Generalstabs der polnischen Armee, General Wieslaw Kukula, am Mittwoch. 8.000 Soldaten sollen demnach vor Ort sein, weitere 9.000 als "schnelle Grenzreaktionstruppe" binnen 48 Stunden dorthin verlegt werden können, erklärte er weiter.

Zuletzt hat auch Belarus seine Truppen an der Grenze zur Ukraine verstärkt und dies mit angeblichen Provokationen des Nachbarlandes begründet. Kiew wiederum fühlt sich von Minsk bedroht.

Angesichts dessen und womöglich auch mit Blick auf den am Donnerstag endenden Nato-Gipfel in Washington wollen Belarus und China offenbar Stärke demonstrieren: Die Soldaten übten bisher Manöver wie Fallschirmsprünge, das Überqueren von Wassersperren sowie den Häuserkampf.

Das belarussische Verteidigungsministerium verbreitete entsprechende Fotos auf seinem Telegram-Kanal. Dabei sollen die Einheiten beider Länder nicht getrennt voneinander agieren, sondern gemeinsam operieren, erklärte der Kommandeur der belarussischen Spezialkräfte, Wadim Denisenko.

SCO will an Stärke gewinnen

Damit untermauern beide Länder auch den selbsterklärten Anspruch der SCO, ein Gegengewicht zum Westen darzustellen. Chinas Präsident Xi Jinping forderte in seiner Rede beim SCO-Gipfel in Kasachstans Hauptstadt Astana vergangene Woche, "externe Einmischungen" abzuwehren. "Angesichts der realen Risiken, dass kleine Höfe mit hohen Zäunen geschützt werden, müssen wir das Recht auf Entwicklung schützen", zitierte das chinesische Staatsfernsehen CCTV am Donnerstag aus seiner Rede – offensichtlich in Anspielung auf einen sich ausbreitenden Protektionismus gegenüber China auch in westlichen Ländern.

Peking versucht indes seit Längerem Staatenbünde wie die Brics-Schwellenländergruppe oder die SCO zu einer geschlossenen Haltung gegenüber den USA zu bewegen. Der SCO-Block mit seinen zehn Mitgliedern müsse "interne Differenzen" friedlich bewältigen, Gemeinsamkeiten suchen und Kooperationsschwierigkeiten lösen, sagte Xi. "Interne Differenzen" gibt es derweil nicht wenige: Immerhin sind China, Indien und Pakistan Mitglieder – drei Länder, die in der Region Kaschmir Grenzkonflikte miteinander haben. Auch zwischen Pakistan und dem Iran schwelt ein Konflikt in der geteilten Region Belutschistan.

Der "letzte Diktator Europas"

Dem belarussischen Autokraten Alexander Lukaschenko dürfte das egal sein: Er hat derzeit einiges zu feiern. Mit der Aufnahme in die SCO bindet sich sein Land weiter an mächtige Staaten wie China und Russland. Zudem hält sich Lukaschenko, der oft als "letzter Diktator Europas" bezeichnet wird, nunmehr seit 30 Jahren an der Macht.

Am 10. Juli 1994 war er erstmals ins Präsidentenamt gewählt worden. Seitdem führt er sein Land mit harter Hand. Ein Signal der Stärke, das die Militärübung mit China senden soll, kommt ihm da wohl ganz gelegen.

In China ist die Lesart im Übrigen etwas anders: Wie die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" unter Berufung auf staatliche chinesische Medien berichtet, versucht Peking wohl die Brisanz aus der Übung zu nehmen. Demnach werde in China hervorgehoben, dass es sich keineswegs um die erste solche "Anti-Terror-Ausbildung" handle, wie chinesische Medien das Manöver nennen. Bereits 2012, 2015 und 2018 hatten China und Belarus solche Manöver abgehalten.

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