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USA-Wahlkampf | T.C. Boyle: "Weil die Russen Trump manipulieren können"


Interview
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Starautor T.C. Boyle
"Ich habe Angst"

InterviewVon Marc von Lüpke

Aktualisiert am 12.06.2024Lesedauer: 7 Min.
Donald Trump (Archivibild): Der frühere US-Präsident will zurück an die Macht.Vergrößern des Bildes
Donald Trump (Archivbild): Der frühere US-Präsident will zurück an die Macht. (Quelle: Gage Skidmore/ZUMA Press Wire/dpa)

Kriege, Klimakrise und eine mögliche Neuauflage von Donald Trump als US-Präsident: Die globale Lage ist angespannt. Bestsellerautor T.C. Boyle sieht schwarz für die Menschheit, die Gründe dafür nennt er im Interview.

Die Erde heizt sich dramatisch auf, Russland führt Krieg und fordert den Westen heraus, während Donald Trump seine Rückkehr ins Weiße Haus plant: Kein Zweifel, der Planet befindet sich in einer lebensbedrohenden Krise. T.C. Boyle beobachtet und analysiert diese Entwicklung seit Jahrzehnten in seinen Romanen und Kurzgeschichten, gerade hat er mit "I Walk Between the Raindrops" einen neuen Band herausgebracht.

Hoffnung für die Menschheit hat der amerikanische Bestsellerautor Boyle kaum noch. Weshalb und welche Rolle Männer wie Wladimir Putin und Donald Trump in dieser krisenreichen Zeit spielen, erklärt T.C. Boyle im Interview.

t-online: Herr Boyle, wir werden nun über deprimierende Dinge wie Klimakrise, Umweltzerstörung und eine mögliche Wiederwahl Donald Trumps sprechen. Gibt es zumindest eine Sache, die Sie positiv für die Zukunft stimmt?

T.C. Boyle: Nein.

Ist da wirklich nichts?

Ich sehe nicht viel Hoffnung. Mittlerweile bin ich recht alt, allein in meiner Lebenszeit hat sich die Bevölkerung der Erde mehr als verdoppelt. Wir erleben gerade den Aufstieg des Faschismus in Amerika, in ganz Europa und auch anderswo, etwa in Form des Islamo-Faschismus, wenn man ihn so nennen will. Diese Entwicklung erscheint mir als Symptom des letzten Kampfes um Ressourcen auf diesem überbevölkerten Planeten.

Sollten wir tatsächlich an diesem Punkt angelangt sein?

Ein Phänomen wie die Terroristen vom "Islamischen Staat" sind ein Beispiel dafür, Wladimir Putin ein anderes. Sie nehmen sich einfach, was sie wollen. In der Ukraine eliminiert Putin nun andere Menschen. Denn welchen Wert hat ein Menschenleben für solche Leute, wenn es acht Milliarden von uns gibt? Ich spreche in diesem Zusammenhang gerne vom Kalifornischen Kondor und wie er überlebt hat.

Tom Coraghessan Boyle, 1948 in Peekskill im US-Bundesstaat New York geboren, ist einer der erfolgreichsten Schriftsteller der Gegenwart. Bislang hat Boyle 19 Romane veröffentlicht, darunter das 2023 erschienene Buch "Blue Skies". Kürzlich kam mit "I walk between the Raindrops. Stories" eine Sammlung von Kurzgeschichten Boyles im Carl Hanser Verlag heraus.

Wo ist da die Verbindung zu uns Menschen?

Der Kalifornische Kondor – ein wirklich beeindruckendes Tier – war vor nicht allzu langer Zeit in freier Wildbahn ausgestorben, die wenigen überlebenden Exemplare wurden für Zuchtzwecke eingefangen. Mittlerweile sind Kalifornische Kondore wieder in Freiheit, das ist eine großartige Sache. Aber was ist der Wert dieses Tieres, dieses Aasfressers, im Verhältnis zum Leben eines Kindes, das uns acht Milliarden Menschen geboren wird?

Worauf wollen Sie hinaus?

Hier zeigen sich die Dimensionen unseres Werts als Spezies. Wir sind einfach wahnsinnig überbevölkert. Das gibt uns auch eine Antwort auf die Frage, warum der Faschismus gerade erstarkt. Ein starker Führer ohne jegliches Mitgefühl kommt daher und teilt der Welt mit, dass sie ihn mal kreuzweise kann: "Hoch die Mauer und erschießt sie alle." Darauf steuern wir im Grunde zu. Also nein, ich habe tatsächlich nicht viel Hoffnung für die Menschheit.

Nehmen Sie es mir nicht übel, aber ich hoffe, dass Sie falsch liegen …

Mit meinen Prognosen liege ich immer falsch, also warum nicht auch hier? Elvis Costello fragt in einem seiner Songs: "Was ist so lustig an Frieden, Liebe und Verständnis?" In einem Amerika, das so radikal gespalten ist, können wir wahrlich ein wenig mehr davon gebrauchen. Wir erleben derzeit auch zwei große Kriege, China poltert gegen Taiwan, das ist insgesamt sehr beunruhigend. Denn niemand kann die Bösen davon abhalten, sich zu holen, was sie wollen. Die Idee der Demokratie, der Freiheit und auch dessen, was wir beide hier tun, nämlich uns über jedes beliebige Thema friedlich unterhalten zu können, ist ein Wunder in der Geschichte der Menschheit. Und ich glaube, dass wir leider sein Ende erleben werden.

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Als Schriftsteller thematisieren Sie immer wieder etwa die Klimakrise oder die Umweltzerstörung, so wie in Ihrem kürzlich veröffentlichten Buch "I Walk Between the Raindrops" mit 13 Kurzgeschichten. Was bewirken Ihre Geschichten?

Ich halte keine Predigten. Wenn ich gefragt werde, sage ich selbstverständlich, was ich über Politik und Umwelt denke, aber ich zwinge niemandem meine Meinung auf. Der Zauber der Kunst liegt in der Verführung, der Betrachter der Kunst trifft die Entscheidung, was er denkt, nicht der Künstler. Ich bin ein Künstler. Ich mache Kunst über das, was mich beschäftigt. Und Sie können in meinen Büchern nachlesen, wie ich zu verschiedenen Themen stehe. Ich kann Ihnen aber ein Beispiel geben, wie Literatur wirken kann.

Bitte.

Vor Jahren habe ich den Roman "Wenn das Schlachten vorbei ist" geschrieben, es geht um die kalifornischen Channel Islands, auf denen invasive Arten eine radikale Veränderung herbeigeführt und die einheimischen Tierarten bedroht haben. Im Buch konnte ich zeigen, wie absurd es war, zunächst eine Art einzuführen, und wie schrecklich es dann ist, sie ausrotten zu müssen, indem man Jäger schickt, die alle Schweine auf der Insel erschießen. Als ich auf Tournee ging und dabei Bücher signierte, stellte sich heraus, dass rund 30 Prozent des Publikums aus Biologen und Ökologen bestand.

Wie kam Ihr Buch bei den Experten an?

Sie sagten mir, dass sie ihr ganzes Leben lang Vorträge gehalten hätten, aber niemand dem größere Beachtung geschenkt habe. Aber wenn nun jemand einen Roman schreibt, hat das eine überzeugende emotionale Wirkung, die Wissenschaftler so nicht erreichen können. Wenn ich also etwas Gutes für die Welt durch meine Arbeit leiste, dann ist es dies.

Sie sind einerseits Autor von Romanen, andererseits haben Sie auch zahlreiche Kurzgeschichten veröffentlicht. Wie unterscheidet sich die Arbeit?

In den Kurzgeschichten habe ich immer eine Beurteilung dessen versucht, was in der Gesellschaft um mich herum vor sich geht. Ich bin auf Erkundungstour. Wenn ich einen Roman schreibe, bin ich völlig fixiert darauf. Dann kann ich auf nichts anderes eingehen, weil ich kein Schriftsteller bin, der zwei oder drei Dinge gleichzeitig macht. Wenn ich also einen Roman beende, wie zum Beispiel "Blue Skies", dann nehme ich mir eine gewisse Zeit, um Kurzgeschichten zu schreiben. "I Walk Between the Raindrops" kombiniert Geschichten, die ich vor "Blue Skies" und danach geschrieben habe.

Wie finden Sie Ihre weit gespannten Themen?

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"SKS 750" ist eine Geschichte aus "I Walk Between the Raindrops", die ich aufgeschrieben habe, nachdem ich etwas über soziale Kontrolle in China gelesen hatte. Das ist so heimtückisch und so clever. Denn anstelle von Verboten werden Menschen auch reguliert, indem man ihnen Belohnungen für das "richtige" Verhalten gibt, die wiederum für einen Aufstieg in der Horrorhierarchie sorgen. Das ist der Weg zur sozialen Kontrolle, und das ist es, was passiert. Also habe ich eine Geschichte geschrieben, in der ich das auf die Vereinigten Staaten übertrage.

Eine andere Geschichte handelt von einem Mann, der nach dem Besuch eines "Naturbads" von einer Klapperschlange gebissen wird, einen Finger verliert, und dann seinen Garten, soweit es irgend geht, von der Natur befreien lässt.

Wir sind Tiere in der Natur, aber wir haben uns von der Natur getrennt. So leben wir, so fühlen wir uns. Aber wir sind immer noch den Gesetzen der Natur unterworfen, wie diese Geschichte erklärt und es in vielen anderen auch Thema ist. Als ich jünger war, habe ich versucht, die Umwelt zu kontrollieren. Ich hatte einen Rasen und versuchte, die Insekten fernzuhalten und so weiter. Jetzt lebe ich mit ihnen. Ich versuche, ein vernünftiges Wesen zu sein, das mit der Natur existiert.

Was tun Sie noch dafür?

Wenn ich in eine Bar oder zur Bank will, mache ich mich zum Beispiel zu Fuß auf den Weg. Ich versuche, mein Grundstück als eine Art Naturschutzgebiet inmitten des Wahnsinns zu erhalten, hier gibt es keine Pestizide, nachts hören wir die Eulen. All diese Dinge verschaffen mir eine große Befriedigung und verringern bis zu einem gewissen Grad meinen ökologischen Fußabdruck. Das ist das Beste, was ich tun kann.

Wie wird die Welt in einigen Jahrzehnten aussehen?

Da fällt mir ein Buch meines Landsmanns Cormac McCarthy ein, sein Titel lautet "Die Straße". Kennen Sie es?

Ja. Die Handlung spielt in der Postapokalypse, die Erde ist ein zerstörter, lebensfeindlicher Ort.

Ich denke, darauf werden wir zusteuern. In Amerika beobachte ich immer wieder die Gier und das Verlangen nach Macht. Das ist das Problem, das wir mit dem Kapitalismus haben: Er setzt ein unendliches Angebot und eine unendliche Anstrengung der Verbraucher dafür voraus – und das alles auf einem endlichen Planeten. Irgendwann muss dabei etwas kaputtgehen. Und wir sehen es nun.

Technologien wie die Künstliche Intelligenz sollen bei der Rettung des Planeten helfen. Was denken Sie?

Das ist eine optimistische Sichtweise. Außerdem ist sie gut für das Geschäft, nicht wahr? Künstliche Intelligenz hat doch längst ihre Schattenseiten offenbart. Schauen wir, was in der Ukraine passiert. Die Soldaten dort sind nicht so sehr besorgt, dass sie einander erschießen. Sie machen sich Sorgen, dass sie die Drohne aus der Luft erwischt. Das alles erinnert mich an den Film Terminator mit Arnold Schwarzenegger in der Hauptrolle. Wir leben gerade in einem solchen Science-Fiction-Film.

Es muss doch aber nicht im Desaster enden?

Da bin ich skeptisch. Vor 30 Jahren wussten wir nicht einmal, was eine Drohne ist, jetzt schweben Drohnen über den Menschen in der Ukraine und bombardieren sie unablässig. Die Technologie hat uns geholfen, uns gegenseitig noch effizienter zu töten.

In den USA treibt Präsident Joe Biden die grüne Transformation kräftig voran: Ist das nicht zumindest ein Hoffnungsschimmer?

Als lebenslanger Anhänger der Demokraten begrüße ich Bidens Plan, zu einer grüneren Industrie überzugehen. Das alles ist großartig. Aber auf der anderen Seite gibt es den rechten Flügel der US-Gesellschaft, der damit droht, die Macht zu übernehmen und uns weitere 100 Jahre zurückzuwerfen, weil er vom Profit getrieben ist. All unsere Politik ist also sehr prekär, weil sie sich alle vier Jahre nach den Wahlen ändern kann.

Glauben Sie, dass Trump es noch einmal ins Weiße Haus schafft? Mittlerweile ist er sogar in einem Strafprozess verurteilt worden.

Ich habe Angst, wie es ausgehen könnte. Meine Hoffnung ist, dass die Vernunft siegen wird. Trump verwendet nun bewusst die Sprache der Nazis. Das ist das, was uns erwartet, wenn er zurück an die Macht kommt. Warum wollten die Russen 2016, dass Trump Präsident wurde? Weil sie ihn manipulieren können und er Amerika auseinanderreißt.

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Wir haben nun tatsächlich über zahlreiche deprimierende Dinge gesprochen. Erlauben Sie die Frage, was Sie für die Zukunft planen?

Mein Plan ist es, einfach irgendwann zu sterben. Ich werde meine Überreste der Erde hinzufügen. Wissen Sie, wir leben in einem Universum, in dem jederzeit etwas passieren kann. Ein Komet könnte in die Erde einschlagen und alles Leben vernichten.

So ist es einfach?

Ja. Nach diesem Gespräch erledige ich meine Arbeit, dann gehe ich mit dem Hund oder wandere in den Bergen. Ich bin jeden Tag draußen in der Natur. Derweil hoffe ich selbstverständlich, dass die Wahl keine Katastrophe wird.

Herr Boyle, vielen Dank für das Gespräch.

Verwendete Quellen
  • Persönliches Gespräch mit T.C. Boyle via Videokonferenz
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