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Bosnien und Herzegowina: Balkan droht größte Krise seit 1995


"Sind bereit, das zu Ende zu bringen"
Dem Balkan droht die größte Krise seit 1995

Von afp
16.03.2025 - 15:11 UhrLesedauer: 3 Min.
BOSNIA-DODIK/PROSECUTIONVergrößern des Bildes
Der bosnische Serbenführer Milorad Dodik: Er will die Republika Srpska von Bosnien und Herzegowina abspalten. (Quelle: Amel Emric)
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Seit dem Kriegsende 1995 herrscht in Bosnien und Herzegowina ein fragiles Gleichgewicht. Jetzt treibt Serbenführer Dodik die Abspaltung voran.

Der bosnische Serbenführer Milorad Dodik treibt seit Jahren seinen separatistischen Kurs voran. Jetzt ist der Präsident der Republika Srpska dabei, zur Tat zu schreiten: "Wir sind bereit, das zu Ende zu bringen", warnt Dodik. Es droht die Abspaltung der Republika Srpska von Bosnien und Herzegowina und damit die größte Herausforderung für den Staat, der seit dem Ende des Krieges in der Westbalkanregion 1995 auf tönernen Füßen steht. Experten schätzen die Lage so ein: "Entweder Dodik oder Bosnien."

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Auslöser der jetzigen Eskalation war die Verurteilung von Dodik Ende Februar durch den bosnischen Gerichtshof in Sarajevo zu einem Jahr Haft wegen Missachtung der Entscheidungen des Hohen UN-Repräsentanten in Bosnien und Herzegowina, des Deutschen Christian Schmidt (CSU). Das Gericht entschied gleichzeitig, dass der 66-jährige Serbenführer sechs Jahre lang kein öffentliches Amt ausüben darf.

Dodik beleidigt Schmidt immer wieder

Der Hohe Repräsentant hat die Aufgabe, über die Einhaltung des Friedensabkommens von Dayton von 1995 zu wachen, mit dem der Bosnienkrieg endete. In dieser Funktion hat er weitreichende Befugnisse bis hin zur Änderung von Gesetzen. Damit ist der Hohe Repräsentant dem Nationalisten Dodik schon lange ein Dorn im Auge. Immer wieder beleidigt er Schmidt, dessen Legitimität er nicht anerkennt.

Kurz nach Dodiks Verurteilung durch den Gerichtshof begann die Eskalation gegenüber dem bosnischen Zentralstaat und dem Hohen Repräsentanten. Das Parlament der Republika Srpska verabschiedete Ende Februar eine Vorlage, wonach Justiz und Polizei des bosnischen Zentralstaates im überwiegend von Serben bewohnten Teilgebiet ihre Aufgaben nicht mehr ausführen dürfen.

Dodik rief bosnische Serben in den Behörden des Zentralstaats zudem auf, ihre Posten zu verlassen und stattdessen den Institutionen der Republika Srpska beizutreten. Daraufhin leitete die bosnische Staatsanwaltschaft Ermittlungen gegen Dodik wegen "Angriffs auf die verfassungsmäßige Ordnung" des Staates Bosnien und Herzegowina ein.

Republika Srpska will sich eigene Verfassung geben

Das Parlament in Banja Luka verabschiedete vor wenigen Tagen schließlich ein Gesetz zum "Schutz der Verfassungsordnung der Republika Srpska" und einen Entwurf für eine neue Verfassung für das Gebiet. Demnach soll die Republika Srpska "der Staat des serbischen Volkes und aller Bürger, die dort wohnen", sein.

Die neue Verfassung, zu der eine öffentliche Debatte und die Abstimmung noch folgen sollen, sieht auch ein "Recht auf Selbstbestimmung" der serbischen Teilrepublik vor sowie die Schaffung einer eigenen Armee und das Recht, "Föderationen oder Konföderationen mit Nachbarn oder anderen Staaten oder Staatengruppen" einzugehen – ein kaum verschleierter Hinweis auf eine Annäherung an das verbündete Serbien.

Der pro-russische Dodik, dem Kritiker regelmäßig Korruption vorwerfen, kündigte zudem die Schaffung einer "Sonderjustiz" an, um die verfassungsmäßige Ordnung der Republika Srpska zu schützen.

All diese Schritte bedeuteten "die größte Herausforderung für Bosnien-Herzegowina seit dem Ende des Krieges", sagt der Politikwissenschaftler Veldin Kadic von der Universität Sarajevo. Dabei verweist er vor allem auf die "sicherheitspolitischen Herausforderungen".

Dodiks Kurs alarmiert Europäer

Fast 100.000 Menschen waren im Zuge des Zerfalls von Jugoslawien in dem von 1992 bis 1995 dauernden Krieg zwischen bosnischen Serben, muslimischen Bosniern und Kroaten in dem Balkanland getötet worden. Das Friedensabkommen von Dayton teilte das Land danach in zwei Einheiten – die überwiegend von Serben bewohnte Republika Srpska und die kroatisch-muslimisch Föderation. Die beiden halbautonomen Landesteile sind durch die Zentralregierung in Sarajevo miteinander verbunden, die aber als schwach gilt.

"Auch wenn Bosnien-Herzegowina ein Justiz- und Sicherheitssystem hat, das Angriffe auf die Verfassungsordnung abwehren soll, so wird sich die Effizienz dieses Systems in der Praxis in den nächsten Wochen erweisen", sagt Politologe Kadic. Für ihn ist klar: "Entweder Dodik oder Bosnien-Herzegowina." Es gebe keinen anderen Ausweg.

Washington und Brüssel haben das Vorgehen von Dodik, der in seinem Gebiet nach wie vor fest im Sattel sitzt, scharf kritisiert. Die europäische Stabilisierungsmission Eufor, die bisher aus 1.500 Soldaten bestand, verstärkte bereits ihre Kräfte um 300 Mann. Und die Nichtregierungsorganisation Transparency International warnte vor der Errichtung einer Diktatur in der Republika Srpska.

Auch die Opposition in der serbischen Teilrepublik verurteilt das "Abenteuer" von Dodik. Der Oppositionsabgeordnete und Dodic-Kritiker Nebojsa Vukanovic, dessen Auto in der Nacht zum Freitag in Flammen aufging, sieht alle "roten Linien" überschritten: "Es bestätigt sich hier die römische Weisheit: Je näher ein Imperium dem Untergang ist, desto verrückter sind seine Gesetze."

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagentur AFP
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