Geisterschiffe auf den Weltmeeren Putins "dunkle Flotte" wird immer größer
"Russlands Programm zur Umgehung von Sanktionen wird immer komplizierter und ausgefeilter", warnen Schifffahrtsexperten. Allein im Dezember waren Hunderte Schiffe unterwegs.
Das Ölembargo des Westens soll verhindern, dass Russland seinen Krieg gegen die Ukraine mit den Exportprofiten finanziert. Doch nach wie vor gelingt es Moskau, mit sogenannten Geisterschiffen die Verbote zu umgehen. Dadurch gelangt nicht nur Geld in die Kriegskasse des Kremls – die maroden, unversicherten Tanker sind auch eine Gefahr für Schifffahrt und Umwelt.
Bei Geisterschiffen handle es sich um Frachter, die weder aus G7- noch EU-Ländern stammten und die nicht transportversichert sind, heißt es in einem Bericht der privaten Hochschule Kyiv School of Economics (KSE). Die tatsächlichen Eigentumsverhältnisse sind meist undurchsichtig.
Die russische Geisterflotte wuchs dramatisch, seit der Westen ein Ölembargo sowie eine Preisobergrenze für russisches Rohöl verhängte und verbot, Russland Dienstleistungen für den Öltransport auf dem Seeweg anzubieten. Im jüngsten Versuch, gegen die Praxis der Geisterschiffe vorzugehen, setzten die Vereinigten Staaten am Freitag 14 Tanker der staatlichen russischen Reederei Sowcomflot auf die schwarze Liste.
"Immer größer werdende 'dunkle Flotte'"
"Russlands Programm zur Umgehung von Sanktionen im industriellen Maßstab wird immer komplizierter und ausgefeilter", warnen die Schifffahrtsexperten von Lloyd's List Intelligence. Dazu gehörten "eine immer größer werdende 'dunkle Flotte' und ein nebulöses Netzwerk von Scheinfirmen und Mittelsmännern, die sich den westlichen Maßnahmen entziehen".
In ihrem Bericht schätzt die KSE, dass im vergangenen Dezember 196 mit Rohöl beladene Geisterschiffe russische Häfen verließen. Demnach läuft der Transport hauptsächlich über Reedereien mit Sitz in den Vereinigten Arabischen Emiraten, wobei die Schiffe zumeist unter den Flaggen Panamas, Liberias und Gabuns fahren. Fünf neue Schifffahrtsunternehmen mit Sitz in den Vereinigten Arabischen Emiraten "mit intransparenten Organisations- und Eigentumsverhältnissen" hätten seit November begonnen, russisches Rohöl ohne Versicherung zu transportieren, heißt es in dem Bericht weiter.
So gefährlich sind Putins Geisterschiffe
Eine Versicherung für den Fall von Kollisionen, Umweltschäden oder Angriffen ist für Handelsschiffe zwingend. Mindestens 90 Prozent dieses Versicherungsmarktes wird von Anbietern aus der EU oder Großbritannien abgedeckt – Staaten, die aufgrund der Sanktionen keine russischen Schiffe mehr versichern dürfen.
Dabei ist die Gefahr einer Havarie bei den Geisterschiffen besonders hoch. Laut KSE waren fast drei Viertel der von Moskau im Dezember eingesetzten Tanker mehr als 15 Jahre alt. Die altersschwachen Schiffe stellten "enorme Umweltrisiken" dar, warnt der Bericht. Besonders gefährdet sei die EU, da die schlecht gewarteten Schiffe an europäischen Küsten entlang fahren.
Es gab bereits mehrere Zwischenfälle mit Geisterschiffen. Eine Katastrophe sei nur eine Frage der Zeit, schrieb Elisabeth Braw von der Denkfabrik American Enterprise Institute im Oktober. "Die Unfälle sind nicht nur darauf zurückzuführen, dass diese Schiffe alt und schlecht gewartet sind“, so Braw. Um nicht aufzufallen, schalteten die Tanker oft das Automatische Identifikationssystem aus, das Zusammenstöße verhindert. Die Politikwissenschaftlerin vergleicht die Lage mit dem Autoverkehr: "Stellen Sie sich vor, die Straßen wären voll mit unversicherten Fahrzeugen, die bei der Inspektion durchgefallen sind und ohne Licht fahren – genau das passiert auf den Weltmeeren."
- Nachrichtenagentur AFP