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Kadyrow und Prigoschin: Söhne werden mächtiger


Das Land als Geschenk
Russlands nächste Despoten-Generation

Von t-online, mk

Aktualisiert am 09.11.2023Lesedauer: 5 Min.
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Kadyrow-Söhne Achmat (l.) und Adam (r.): Der Tschetschenen-Diktator hat sie als Nachfolger auserkoren. (Quelle: IMAGO/Vladimir Astapkovich)
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Mit Pawel Prigoschin und Adam Kadyrow sind in Russland zuletzt Söhne mächtiger Männer in der Hierarchie aufgestiegen. Was steckt dahinter?

Laut Verfassung ist Russland ein "demokratischer Rechtsstaat mit republikanischer Regierungsform". Tatsächlich erinnert die Herrschaftsfolge in dem Land aber eher an ein Königreich – oder einen familiengeführten Mafia-Betrieb. Jüngste Beispiele sind Pawel Prigoschin und Adam Kadyrow, Sprösslinge mächtiger Männer, die in jungen Jahren in hohe Positionen gehievt wurden. Aber was zeichnet die beiden aus, außer Söhne ihrer Väter zu sein?

Der mutmaßlich 25 Jahre alte Pawel Prigoschin ist neuerdings Kommandeur der Söldnertruppe Wagner – oder besser gesagt: dessen, was von der Privatarmee noch übrig ist. Nach dem Aufstand der Truppe und Jewgeni Prigoschins "Marsch der Gerechtigkeit" auf Moskau Ende Juni hat der Kreml die Privatarmee systematisch entmachtet. Ende August starb praktisch die gesamte Führungsebene bei einem Flugzeugabsturz nahe Moskau – die Umstände deuten auf einen Racheakt des Kreml hin. Die Ernennung Pawel Prigoschins zum Wagner-Kommandeur kam daher überraschend für Russland-Kenner. Unlogisch ist die Personalentscheidung aber nicht.

Video | Kämpfen Wagner-Söldner jetzt für Putins Bluthund?
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Quelle: t-online

Pawel Prigoschins nützliches Erbe

Pawel Prigoschin soll den Großteil des Vermögens seines Vaters geerbt haben, während seine Schwestern Polina and Veronika deutlich weniger erhalten hätten, berichtet die unabhängige russische Zeitung "Nowaja Gazeta Europe". Dank seines Firmenimperiums und jahrelanger staatlicher Aufträge hatte Jewgeni Prigoschin ein beträchtliches Vermögen angehäuft. Der Putin-Vertraute besaß nicht nur eine Privatarmee, sondern auch Cateringunternehmen und einen Medienkonzern. Die Kontrolle über den Oligarchen-Schatz seines Vaters dürfte Pawel Prigoschin bei der Beförderung zum Wagner-Chef geholfen haben.

Laut Recherchen der "Nowaja Gazeta Europe" weigerten sich nach dem Tod des Wagner-Gründers viele Söldner, sich einem vom russischen Verteidigungsministerium vorgeschlagenen Kommandeur zu unterstellen. Stattdessen hätten sie den Wagner-Kommandeur Anton Jelizarow als ihren Anführer betrachtet. Jelizarow habe aber nicht das Geld, um die Privatarmee zu unterhalten. Pawel Prigoschin hätten die Söldner aber als neuen Chef akzeptiert. Mit seiner Ernennung scheint nicht nur die Finanzierung der Söldnertruppe gesichert, die Personalie bietet der Privatarmee auch die Möglichkeit, sich zumindest formal eine gewisse Unabhängigkeit vom Kreml zu bewahren.

Führt Pawel Prigoschin nur einen Teil von Wagner?

Als unwahrscheinlich gilt, dass Pawel Prigoschin mit der Wagner-Gruppe jemals die Macht erlangt, die sein Vater innehatte. So berichtete das US-Forschungsinstitut Jamestown Foundation kürzlich über Hinweise, denen zufolge die Söldnertruppe in drei Gruppen mit je eigenem Kommando aufgespalten werden könnte. Pawel Prigoschin könnte demnach die Führung über die Wagner-Söldner in Syrien und in verschiedenen afrikanischen Ländern übernehmen. Dort erwirtschaftet die Firma einen Großteil ihres Einkommens, zum Beispiel durch die Ausbeutung von Gold- und Diamantenminen oder die Zusammenarbeit mit zahlungskräftigen Warlords.

Erfahrungen mit der Geschäftswelt soll Pawel Prigoschin schon im Firmengeflecht seines Vaters gesammelt haben. Seit 2018 tritt er in verschiedenen Prigoschin-Firmen als Inhaber auf und hilft so, das Familiengeschäft am Laufen zu halten, wie das ukrainische Recherchenetzwerk "Molfar" aufdeckte. Zuvor soll seine Mutter diese Rolle gespielt haben, sei dann aber unter internationale Sanktionen geraten. Auch Pawel Prigoschin steht inzwischen auf sämtlichen westlichen Sanktionslisten. Zweifel gibt es zudem an Pawel Prigoschins militärischen Qualitäten.

Laut "Molfar" hielt sich Prigoschins Sohn 2022 bei dessen Söldnern in Syrien auf und soll für angebliche Kampfeinsätze ausgezeichnet worden sei. Was Pawel Prigoschin tatsächlich in Syrien trieb, ist unklar. Im Dezember 2022 hielt sich Pawel Prigoschin dann bei Wagnersöldnern in der Ukraine auf – und soll dort einen ukrainischen Beschuss provoziert haben. So traf am 12. Dezember eine ukrainische Rakete ein Hotel in Kadijiwkain der besetzten Region Luhansk und tötete etliche Wagner-Mitglieder. Pawel Prigoschin hatte zuvor Fotos veröffentlicht, die ihn mit Waffen vor dem Gebäude zeigten. Jewgeni Prigoschin widersprach anschließend Spekulationen, dass sein Sohn das Wagner-Quartier mit seinen Fotos verraten habe.

Adam Kadyrow prügelt sich hoch

Solche Scherereien hat Adam Kadyrow seinem Vater bislang erspart. Der Tschetschenenführer zeigte sich vielmehr stolz auf seinen Sohn, als dieser kürzlich einen Gefangenen vor laufender Kamera brutal verprügelte. Das Opfer hatte zuvor angeblich einen Koran verbrannt. Doch statt den 15-Jährigen zu bestrafen, zeichnete ihn Ramsan Kadyrow erst als "Helden Tschetscheniens" aus – und ernannte ihn dann auch noch zu seinem neuen persönlichen Sicherheitschef. Adam Kadyrow sei "ein leuchtendes Beispiel" für seine Generation, so der Kommandeur von Kadyrows Spezialarmee Achmat, Samid Tschalajew. Auf Instagram veröffentlichte er dieses Foto mit dem Kadyrow-Sprössling:

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Kriegsheld Adam Kadyrow?

Viel ist nicht bekannt über den Teenager, der jetzt in Tschetscheniens Herrschaftsapparat aufsteigt. Zwölf Kinder von zwei Frauen soll Ramsan Kadyrow haben, seine Söhne Achmat, Eli und Adam hat der Herrscher über die russische Teilrepublik in den vergangenen Jahren immer wieder öffentlich auftreten lassen, zum Beispiel bei "Mixed Martial Arts"-Turnieren. Bei dieser Kampfsportart treten die Kontrahenten in einem Käfig gegeneinander an und bearbeiten sich gegenseitig mit Hieben und Tritten – für einen brutalen Diktator wohl eine angemessene Form der Herrschaftsinszenierung.

Ganz fair ging es bei diesen Kämpfen aber wohl nicht zu, wie das unabhängige russische Portal "meduza.io" berichtet. Die Gegner der Kadyrow-Kinder hätten alle auffallend passiv gekämpft und es kaum gewagt, ihre Kontrahenten anzugehen, schreibt "meduza.io" über ein MMA-Turnier 2018 in Grosny. Die Kadyrows dagegen hätten alle munter auf ihre Gegner eingedroschen. Für ihre Beteiligung an der Farce – inklusive eines hollywoodreifen K.-o. – seien die "Gegner" der Kadyrows aber stattlich entlohnt worden, heißt es.

Ramsan Kadyrow hatte schon Machterfahrung

Mehr Schein als Sein waren wohl auch die angeblichen Kriegseinsätze der Kadyrow-Söhne in der Ukraine. Dort sollen die drei Minderjährigen auf Seiten der russischen Armee gekämpft haben. Zum Beweis veröffentlichte Kadyrow ein Video, in dem Adam und seine Brüder mit Maschinengewehren und einem Raketenwerfer aus einem Schützengraben heraus feuern. Bei ihrer Rückkehr nach Tschetschenien soll jeder drei Söhne einen ukrainischen Gefangenen mitgebracht haben. An der Inszenierung gab es aber schon damals Zweifel.

Aus westlicher Perspektive wirkt das Herrschaftsgebaren des Kadyrow-Clans befremdlich und in seiner Durchschaubarkeit auch ein bisschen albern. Im tschetschenischen Kontext erscheint es aber nur folgerichtig, dass Kadyrow seinen möglichen Nachfolger an der Spitze des Teilstaates frühzeitig aufbaut – und aus der eigenen Familie rekrutiert.

Ramsan Kadyrow war schon 27, als sein Vater Achmat 2004 bei einem Attentat getötet wurde, und hatte mit dem Kommando über die "Kadyrowiten"-Miliz eine eigene Machtbasis in Tschetschenien. All das fehlt seinen Söhnen bislang und um die Gesundheit des heute 47-Jährigen steht es Gerüchten zufolge nicht zum Besten. Sollte das Familienoberhaupt unerwartet sterben, dürfte es auch im Sinne von Kremlchef Putin sein, wenn die Macht in Tschetschenien wieder möglichst reibungslos von einem Kadyrow auf den nächsten übergeht.

Verwendete Quellen
  • novayagazeta.eu: Late Wagner Group chief’s heirs reportedly clash over inheritance (englisch)
  • novayagazeta.eu: Divide and conquer (englisch)
  • sanctions.nazk.gov.ua: PRIGOZHIN Pavel Evgenyevich (englisch)
  • molfar.com: Yevgeny Prigozhin: the way from prison to Russian state-building (englisch)
  • fr.de: Ukraine beschießt Wagner-Hauptquartier in Luhansk: Zahlreiche Söldner getötet
  • theguardian.com: Chechen leader Ramzan Kadyrov 'ready to step down' (englisch)
  • meduza.io: Ramzan Kadyrov’s 15-year-old son, who beat a prisoner on camera, given top position in Chechen leader’s security service (englisch)
  • jamestown.org: The Wagner Group Evolves After the Death of Prigozhin (englisch)
  • youtube.com: Сыновья Кадырова привезли ему пленных украинских военных. Что их ждет? (Kadyrovs Söhne haben ihm gefangene ukrainische Soldaten gebracht. Was erwartet sie?)
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