t-online - Nachrichten für Deutschland
t-online - Nachrichten für Deutschland
Such IconE-Mail IconMenü Icon



HomePolitikGerhard Spörl: Der Welterklärer

Trump fordert Europa heraus: Großbritannien und Frankreich führen an


Amerikas neue Weltordnung
Das wird in die Geschichte eingehen

MeinungEine Kolumne von Gerhard Spörl

03.03.2025 - 09:50 UhrLesedauer: 4 Min.
006SN_Ukraine_280225.JPEGVergrößern des Bildes
Donald Trump: Der US-Präsident hat in der internationalen Diplomatie einen Eklat ausgelöst. (Quelle: Presidential Office of Ukraine/imago)
News folgen

Europa macht sich daran, auf Trumps Provokationen zu reagieren. Großbritannien und Frankreich übernehmen die Führung. Dank Olaf Scholz spielt Deutschland eine Nebenrolle.

Donald Trump, ob uns das gefällt oder nicht, schreibt Weltgeschichte. Darin liegt sein Ehrgeiz, darauf will er hinaus. Die Frage ist nur, wie ihn die Historiker beurteilen werden – als Helden oder Schurken. Die Chancen stehen gut, dass sie ihn unbarmherzig behandeln. Das könnte am Umgang mit Wolodymyr Selenskyj und der Ukraine liegen.

Loading...

Eigentlich wollte Amerika immer der Standartenführer der freien Welt sein und erlebte auf diese Weise den Aufschwung zur Weltmacht ohnegleichen. Das Missionarische, das in diesem Riesenland von Anfang an steckte, rettete Europa zweimal vor sich selbst. Nach 1945 machte Amerika aus zwei Kriegsverbrecherländern wie Japan und Deutschland Demokratien. Und ohne die USA wäre die Sowjetunion nicht implodiert.

Loading...
Symbolbild für eingebettete Inhalte

Embed

Donald Trump aber will die Dampframme der Geschichte sein. Die Europäische Union, sagt er allen Ernstes, sei ins Leben gerufen worden, um Amerika übers Ohr zu hauen. Aus diesem Grund will er Zölle auf Waren aus Europa erheben.

Die Nato wiederum besteht für ihn aus Schmarotzern, die weniger für das Bündnis ausgeben als versprochen (was stimmt). Deshalb zieht er sich aus Europa zurück und will auch nicht den Artikel 5 anwenden, der zur Solidarität verpflichtet, wenn Russland etwa die baltischen Staaten angreifen sollte. Und Wladimir Putin ist für Trump ein kluger Mann, für den man Verständnis haben sollte.

Video | Trump überzieht Selenskyj lautstark mit Vorwürfen
Player wird geladen
Quelle: t-online

Neue Führung in Europa

Die rationale Seite des Bulldozertums ist die Konzentration auf die Auseinandersetzung mit China. Diesen Schwenk nach Asien wollte schon jeder Präsident seit Barack Obama vollziehen, alle wurden aber davon abgehalten – wegen Syrien, wegen Libyen, wegen Gaza/Libanon/Iran, wegen der Ukraine.

Deshalb will Trump, koste es, was es wolle, diese Kriege in unserer Weltgegend beenden, um sich auf das Wesentliche zu konzentrieren – die Konkurrenz mit der anderen Supermacht und Russland im Schlepptau. Die Konsequenzen kannten wir schon länger, wollten sie aber nicht wahrhaben. Seit dem Rauswurf des ukrainischen Präsidenten aus dem Weißen Haus wissen wir endgültig, was uns blühen kann.

Keir Starmer und Emmanuel Macron übernehmen jetzt die Führung Europas, und das ist gut so. Großbritannien und Frankreich sind Atommächte, was ihnen großes Gewicht verleiht. Macron unterbreitete schon mehrmals weitreichende Vorschläge für den Ausbau Europas.

Der erste Ansprechpartner war jeweils Deutschland, aber dort saßen zuerst Angela Merkel und dann Olaf Scholz. Beiden ist gemeinsam, dass ihnen der Mangel an Fantasie als pragmatische Tugend erscheint, während ihnen der französische Präsident als Tausendsassa-Visionär stets verdächtig war.

Nach London reiste am Sonntag Olaf Scholz – als wäre es selbstverständlich. Die Staatsräson hätte es geboten, Friedrich Merz mitzunehmen, der ja schließlich demnächst die Beschlüsse umsetzen muss, die in diesen Tagen gefasst werden. Konsequenterweise blieb Scholz gestern eine Randfigur. Eine wichtige Rolle nahm stattdessen Polen ein.

Gerhad Spörl

Zur Person

Gerhard Spörl interessiert sich seit jeher für weltpolitische Ereignisse und Veränderungen, die natürlich auch Deutschlands Rolle im internationalen Gefüge berühren. Er arbeitete in leitenden Positionen in der "Zeit" und im "Spiegel", war zwischendurch Korrespondent in den USA und schreibt heute Bücher, am liebsten über historische Themen.

Neuer Friedensplan kommt aus Europa

Europa beabsichtigt, einen Plan zur Beendigung des Kriegs in der Ukraine zu entwerfen. Das Ergebnis soll, so trug es der britische Premier vor, Amerika unterbreitet werden. Bis es so weit ist, will die Europäische Union so viel Rüstungsgut wie möglich liefern, damit die Ukraine weiterkämpfen kann.

Großbritannien wie Frankreich bieten Truppen an, die den Frieden militärisch sichern sollen. Lesen Sie hier mehr dazu. Da es Frieden oder Waffenstillstand ohne Amerikas Absicherung allerdings noch nicht geben kann, werden Delegationen im Weißen Haus für gutes Wetter werben.

Den besten Draht zu Donald Trump hat offenbar Giorgia Meloni, die italienische Ministerpräsidentin. Starmer und Macron waren in der vorigen Woche im Weißen Haus und verstanden es, Schmeichelei mit Kritik zu verbinden: Nicht die Ukraine, so lautete die Botschaft, sondern Russland fing den Krieg an, und Wladimir Putin ist nicht zu trauen. Nachhilfe in Geschichte muss man dem US-Präsidenten ganz, ganz vorsichtig andienen.

Trump bestraft Unbotmäßigkeit

Wie schnell Trump übel nimmt und wie kraftvoll er sich mit Ressentiments auflädt, wissen wir jetzt. Für ihn hat alles, was gesagt wird und passiert, mit ihm persönlich zu tun. So etwas wie objektive Probleme oder traditionelle Strukturen gibt es für ihn nicht. Zum Schutz vor unliebsamer Wahrheit umgibt er sich mit Freunden und Schmeichlern wie Elon Musk, der dem Auftrag nachkommt, die herrschende Bürokratie niederzureißen.

Soziologen nennen diesen Regierungsstil Patrimonialismus. Trump belohnt Loyalität und bestraft Unbotmäßigkeit. Er baut den Staat so um, dass er ausschließlich auf ihn ausgerichtet ist. Er tut so, als seien die Institutionen sein persönliches Eigentum oder Zweige seines Konzerns. Und wer sich ihm nicht beugt, ist sein Feind.

Loading...
Symbolbild für eingebettete Inhalte

Embed

Das Treffen in London wird in die Geschichte eingehen. Europa übernimmt Verantwortung auf seinem Kontinent. Großbritannien ist zurück, trotz Brexit. Beim Gipfeltreffen der Europäischen Union am kommenden Donnerstag müssen noch mehr wegweisende Entscheidungen fallen. Dann geht es um eine europäische Rüstungsindustrie und die Finanzierung erhöhter Rüstungsausgaben für jedes Mitgliedsland. Die Unterschiede zwischen Nato und Europäischer Union werden sich ziemlich schnell einebnen.

Politik bekommt in diesen zukunftsbestimmenden Tagen einen neuen Akzent. Sie ist nicht mehr fern, sie ist nicht mehr abstrakt, sie ist nicht mehr nur Parteienstreit und Rivalität. Sie wird jetzt existenziell aufgeladen, weil nun Fragen von Krieg und Frieden ins Zentrum rücken.

Verwendete Quellen
  • Eigene Beobachtungen
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...

ShoppingAnzeigen

Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...



Telekom