Evakuierung aus Krisengebiet Bundeswehr fliegt 400 Personen aus dem Sudan aus
Mittlerweile hat die Bundeswehr mehrere Hundert Personen aus dem Sudan ausgeflogen. Wie es weitergeht, ist ungewiss.
Rennen gegen die Zeit: Die Bundeswehr und andere westliche Streitkräfte haben in den ersten beiden Tagen ihres militärischen Evakuierungseinsatzes mehr als 1.000 Menschen aus dem Sudan gerettet. Die Luftwaffe flog Deutsche und andere Staatsbürger mit Militärtransportern aus dem von Kämpfen erschütterten Land aus. Sie brachte so etwa 400 Menschen in Sicherheit.
Bei einer gemeinsamen Pressekonferenz bestätigten Außenministerin Annalena Baerbock und Verteidigungsminister Boris Pistorius, dass unter den ausgeflogenen Menschen alle Entsandten der deutschen Botschaft waren. Die beiden Minister appellierten an die Konfliktparteien im Sudan, die auslaufende Feuerpause zu verlängern.
Am Montagmittag hatte die Deutsche Presseagentur aus einer vorläufigen Liste zitiert, dass 42 Niederländer und mehr als 15 Österreicher unter den Ausgeflogenen waren. Zudem wurde eine einstellige Zahl Staatsangehöriger aus Australien, Bulgarien, Großbritannien, Belgien, Norwegen, Tschechien, Irland, Schweden und Portugal mitgenommen. Auf der Liste waren auch Bürger einiger weiterer Staaten, darunter offenkundig auch Familienangehörige.
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Evakuierungen so lange es Lage zulässt
Die Evakuierungsflüge sollen fortgesetzt werden, solange es die Sicherheitslage zulässt. Die Bundeswehr hat dazu auf einem Flugplatz bei Khartum einen militärisch gesicherten Operationspunkt eingerichtet, um deutsche Staatsangehörige und Bürger anderer Staaten auszufliegen.
Die erste Militärmaschine der Bundeswehr mit Evakuierten war am Montagmorgen um 6.15 Uhr in Berlin gelandet. An Bord waren 101 Deutsche und deren Familien sowie Angehörige weiterer Partnerstaaten, wie das Auswärtige Amt auf Twitter mitteilte.
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Deutschland hatte die Evakuierungsaktion in dem Land am Horn von Afrika am Sonntag begonnen. Drei Airbus A400M der Bundeswehr waren in den Sudan geflogen, um zu evakuierende Personen aufzunehmen. Die Rückkehr zweier Maschinen steht noch aus. Unklar war zunächst, ob damit alle der mehr als 300 auf der Krisenliste der Bundesregierung registrierten Deutschen bereits außer Landes gebracht worden sind. Die Mission, an der insgesamt mehr als 1.000 Einsatzkräfte der Bundeswehr beteiligt sind, wurde über mehrere Tage hinweg vorbereitet.
Noch Deutsche vor Ort
Das Auswärtige Amt geht davon aus, dass noch Deutsche vor Ort sind. Nicht beziffert werden könne, wie viele dies seien, "da wir auch einige nicht telefonisch erreichen im Moment", sagte ein Sprecher. "Wir wissen auch, dass einige Deutsche auf anderen Wegen Khartum schon verlassen konnten. Es gibt eine zweistellige Zahl, die auf einem Konvoi der Vereinten Nationen Richtung Port Sudan unterwegs ist."
Außerdem waren ein Deutscher von US-Soldaten, neun Deutsche von Franzosen in Sicherheit gebracht worden. Unklar ist, ob noch Deutsche in der sudanesischen Hauptstadt festsitzen oder nicht selbstständig zu dem Sammelpunkt gelangen können.
Bundeskanzler Olaf Scholz dankte der Bundeswehr für den Evakuierungseinsatz. "Es ist ein gefährlicher Einsatz, aber er ist wichtig, um Bürgerinnen und Bürger unseres Landes und anderer Länder in Sicherheit zu bringen", sagte der SPD-Politiker am Montag am Rande eines Nordsee-Gipfels zur Windkraft im belgischen Ostende. "Ich danke der Bundeswehr für diesen Einsatz." Die Operation sei gut vorbereitet gewesen, betonte Scholz.
Insgesamt mehr als 1.000 Ausländer ausgeflogen
Neben Deutschland haben auch verschiedene andere Länder mit Evakuierungen begonnen. Nach Angaben des EU-Außenbeauftragten Josep Borrell wurden so bereits mehr als 1.000 Ausländer in Sicherheit gebracht. Er danke den Ländern, die mit gemeinsamen Anstrengungen ihre eigenen Landsleute, aber auch andere Staatsangehörige aus dem Land gebracht hätten, sagte der Spanier am Montag am Rande eines EU-Außenministertreffens.
Nach Angaben des Auswärtigen Dienstes der EU waren unter den bislang Geretteten auch 20 EU-Mitarbeiter, die mittlerweile bereits wieder zurück in Europa sind. Die Evakuierung sei komplex, aber erfolgreich gewesen, sagte Borrell.
Borrell rechnet damit, dass die Zahl der aus dem Sudan evakuierten EU-Bürger bis Dienstag auf mehr als 1.200 steigen wird. Möglicherweise könnten es sogar bis zu 1.500 Menschen werden, sagte der Spanier am Montagabend nach einem EU-Außenministertreffen in Luxemburg.
UN-Sonderbeauftragter bleibt vor Ort
Der UN-Sonderbeauftragte für den Sudan, Volker Perthes, hingegen wird trotz der anhaltenden Kämpfe im Land bleiben. Nach Angaben der UNO vom Montag bleiben einige Mitarbeiter, unter ihnen Perthes, im Sudan, um weiterhin auf eine Lösung für den aktuellen Konflikt hinzuarbeiten. Rund 700 UN-Mitarbeiter, Entwicklungshelfer, Diplomaten und ihre Familien hätten inzwischen Port Sudan erreicht, um von dort das Land zu verlassen, hieß es in der Mitteilung der UNO weiter.
Der deutsche Politikwissenschaftler Perthes war im Januar 2021, knapp zwei Jahre nach dem Sturz des langjährigen Machthabers Omar al-Baschir, zum Sonderbeauftragten für den Sudan ernannt worden. Zuvor war er unter anderem als Leiter der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) mit Sitz in Berlin tätig.
Gleichzeitig soll der UN-Sicherheitsrat in einer Dringlichkeitssitzung am Dienstag erneut über die Lage im Sudan beraten. Die britische UN-Botschafterin Barbara Woodward sagte am Montag, ihr Land habe ein entsprechendes Treffen beantragt. Aus Diplomatenkreisen verlautete, die Beratungen sollten am Nachmittag New Yorker Zeit (wahrscheinlich gegen 21 Uhr MESZ) stattfinden und öffentlich abgehalten werden.
Israel will Verhandlungen zwischen Parteien im Sudan ausrichten
Israel hat sich im Konflikt als Vermittler ins Spiel gebracht. Das israelische Außenministerium habe angeboten, in Israel Verhandlungen auszurichten, um die Gewalt in dem afrikanischen Land zu beenden, hieß es am Montagabend von einem Sprecher des Ministeriums. "Wenn es einen Weg gibt, wie Israel dabei helfen kann, den Krieg und die Gewalt in dem Land zu beenden, würden wir das sehr gerne tun", teilte Außenminister Eli Cohen mit.
Israel steht nach Ministeriumsangaben bereits mit hochrangigen Vertretern beider Seiten im Sudan in Kontakt und bemüht sich, Verhandlungen herbeizuführen. Fortschritte der Gespräche in den letzten Tagen seien "vielversprechend" gewesen, hieß es.
Israel bemüht sich seit Jahren, um eine Normalisierung seiner Beziehungen mit dem Sudan. Im Februar verständigten sich beide Länder bei einem Besuch von Cohen in Khartum auf den Text eines entsprechenden Abkommen. Es sollte noch in diesem Jahr unterschrieben werden – sobald "im Sudan eine zivile Regierung eingesetzt worden ist", hieß es damals. Cohen teilte nun mit, er hoffe, dass eine Beruhigung der Lage zu einer Unterzeichnung des Abkommens führen werde.
Konflikt schlug in Gewalt um
Im Sudan waren vor mehr als einer Woche schwere Kämpfe zwischen den zwei mächtigsten Generälen des Landes und deren Einheiten ausgebrochen. Beide führten das Land im Nordosten Afrikas mit rund 46 Millionen Einwohner seit zwei gemeinsamen Militärcoups 2019 und 2021.
De-facto-Präsident Abdel Fattah al-Burhan, der auch Oberbefehlshaber der Armee ist, kämpft mit dem Militär gegen seinen Stellvertreter Mohammed Hamdan Daglo, den Anführer der mächtigen paramilitärischen Gruppe Rapid Support Forces (RSF). Eigentlich hätte sich die RSF der Armee unterordnen und die Macht im Land wieder an eine zivile Regierung übertragen sollen. Da sich beide Lager jedoch letztlich nicht einigen konnten, schlug der Konflikt in Gewalt um.
- Nachrichtenagentur dpa