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Buschbrände in Australien: Warum Politiker die Feuerkatastrophe verharmlosen


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Nationale Krise in Australien
Warum Politiker die Feuerkatastrophe verharmlosen

Eine Analyse von Anna-Lena Janzen, Melbourne

Aktualisiert am 18.01.2020Lesedauer: 6 Min.
Buschfeuer in New South Wales: Dieses Foto des australischen Ehepaares Nancy und Brian Allen aus Nowra ging um die Welt.Vergrößern des Bildes
Buschfeuer in New South Wales: Dieses Foto des australischen Ehepaares Nancy und Brian Allen aus Nowra ging um die Welt. (Quelle: Tracey Nearmy/reuters)
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Trotz der katastrophalen Buschbrände stoßen Forderungen nach mehr Umweltschutz bei Australiens Regierung auf taube Ohren. Werden die Leute im Land da nicht langsam wütend?

"Was ist da los?", titelte der australische Sender ABC einen Artikel nach den Parlamentswahlen im Mai letzten Jahres. Analysten hatten vorausgesagt, dass der Klimawandel zum wichtigsten Wahlkampfthema werden würde. In einer Umfrage des Senders hatten mehr als 60 Prozent der Australier der Aussage zugestimmt, dass die globale Erwärmung ein "ernstes und dringendes Problem" darstelle. "Wir sollten jetzt Schritte einleiten, auch wenn dies mit erheblichen Kosten verbunden ist", beantwortete die Mehrheit der Befragten mit einem klaren "Ja". Das Land hatte gerade den heißesten Sommer aller Zeiten erlebt. Dürre, Buschfeuer, Brände, sintflutartige Regenfälle machten den Menschen zu schaffen. Und dennoch blieb ein Umdenken aus.

Doch da hatte Australien noch nicht vor einer nationalen Krise gestanden. Viele der Menschen sorgten sich mehr um ihren Wohlstand als um das Wohl ihres Planeten. Dabei war die Labour-Partei mit einem ordentlichen Maßnahmenpaket zum Klimaschutz in die Wahl gegangen. Premierminister Scott Morrison, ein Marketingfuchs, nutzte im Wahlkampf eine altbewährte strategische Waffe: Er schürte Angst. Und so tönte seine Botschaft lauter als alle anderen: Entweder Wachstum oder Stillstand. Entweder neue Jobs oder teure Klimamaßnahmen.

Versprechen an abgehängte Regionen

Morrison versprach den abgehängten Regionen, den Bau der weltweit größten Kohlemine in Queensland zu unterstützen. Das fand in dem Bundesstaat im Nordosten des Landes enorme Resonanz. Der Bergbau hatte Australien einst reich gemacht und zählt noch immer zu den Eckpfeilern der Wirtschaft. Nicht zuletzt verdankte Morrison seinen Wahlsieg dem Bergbaumilliardär Clive Palmer, der in dem nordöstlichen Bundesstaat eine Marionettenpartei gründete, und mit einem riesigen Budget Krach gegen die "Klimahysterie" der Opposition machte.

Rückendeckung gab es auch von News Corp, Rupert Murdochs Nachrichtenimperium, das zwei Drittel der Printmedien im Land sowie kommerzielle Fernseh- und Radiostationen beherrscht.

Doch das Land schien gespalten. Während die Kohlefans jubelten, gingen viele Menschen auf die Straßen, um für mehr Umweltschutz zu protestieren. Der Wahlsieg Morrisons fiel knapp aus. "Was muss noch passieren, um den Klimawandel zu einem entscheidenden Thema bei künftigen Wahlen zu machen? Vielleicht ein Klimanotfall?”, fragte ABC.

Die Realität ist nicht zu leugnen

Nun herrscht nicht nur ein Klimanotfall, es herrscht der absolute Ausnahmezustand. Rund 118.000 Quadratkilometer Land sind durch die Buschfeuer der letzten Monate vernichtet worden, mehr als eine Milliarde Tiere sind umgekommen, mindestens 28 Menschen haben ihr Leben verloren. Brände, Hitze, Dürre und verpestete Luft hat es in diesem Ausmaß noch nie zuvor in Australien gegeben.

Und die Regierung tat das, was sie ihren Wählern versprochen hatte. Zum Wohle der Industrie im Land versuchten die Politiker mit aller Macht die Auswirkungen der Klimasünden auf das Desaster zu verharmlosen. "Australien begeht Klima-Suizid", schrieb dazu ein führender australischer Autor in der "New York Times". Einen Vergleich zieht er mit der Sowjetunion der 80er Jahre. Die Buschfeuer könnten das "Tschernobyl der Klimakrise" sein.

Dass der Klimawandel mit Naturkatastrophen zusammenhänge, sei in seiner Regierung nie abgestritten worden, behauptete der Premierminister erst viel zu spät. Nämlich als er realisierte, dass er die Fakten nicht mehr ignorieren konnte. Denn der Klimawandel verstärkt die Feuer nach Meinung vieler Experten im In- und Ausland. Australien erlebte 2019 das trockenste und heißeste Jahr seit Beginn der Wetteraufzeichnungen, haben Meteorologen zudem ermittelt. Die durchschnittliche Temperatur lag demnach 1,52 Grad Celsius über dem langjährigen Durchschnitt.

Von den selbstgesetzten Zielen weit entfernt

Nur: Dass Buschbrände und Kohleverbrennung zusammenhängen könnten, verneinen noch immer die meisten seiner Regierungsvertreter offen. Dass die Emissionen bis 2030 im Vergleich zu 2005 nur um 26 Prozent reduziert werden sollen, darauf beharrt Morrison weiterhin. Wissenschaftler meinen, das sei nicht einmal genug, um die Pariser Klimaziele einhalten zu können.

Der Regierungschef beteuert, er werde das Land zu seinen Klimazielen führen, "ohne CO2-Steuern, höhere Elektrizitätspreise, ohne die traditionellen Industrien zu verprellen, von denen die berufliche Existenz vieler Australier aus ländlichen Regionen abhängt". Das Land produziere sowieso nur 1,3 Prozent des weltweiten CO2-Ausstoßes. Dass es weltweit die zweithöchsten CO2-Emissionen pro Kopf hat, verschweigt er.

"Ich mache mir Sorgen um meine Enkel und ihre Enkel. Wenn so, durch Klimawandel, die neue Normalität aussieht, dann möchte ich mir nicht vorstellen, womit zukünftige Generationen zu kämpfen haben werden", sagte derweil Greg Mullins in einem Interview mit dem Deutschlandfunk. Als ehemaliger oberster Brandschützer des Bundesstaates New South Wales hat er schon zahlreiche "Bushfire Seasons" erlebt. So schlimm wie diese, sei aber noch keine gewesen.

Die Welt schaut verblüfft zu

"Was ist da los?", fragten nun auf einmal Menschen auf der ganzen Welt, während sie mit Schrecken die Bilder von verkohlten Landschaften und durstigen Koalas ansahen. Habt ihr da unten denn noch immer nicht kapiert, was wir hier oben schon lange wissen? Doch, haben mittlerweile tatsächlich viele Australier kapiert. Und auch, dass die Regierung seit Jahren das wahre Ausmaß der Umweltsünden im Land vertuscht.

Dazu lohnt sich ein Blick in die Vergangenheit. Denn Australien galt vor wenigen Jahren sogar als weltführend bei den Mechanismen, die es in der Klimapolitik einführte. So gab es beispielsweise schon im Jahr 2012 einen CO2-Preis, ähnlich dem des europäischen Emissionshandels. Diesem sollte dann noch eine Bergbausteuer folgen. Schon seit 2006 – und damit lange vor Greta Thunberg – setzte sich die "Australische Jugendklimakoalition" (AYCC) für das Thema ein. Mittlerweile hat die Organisation mehr als 150.000 Mitglieder.

Doch schon damals war die Angst vor persönlichen Verlusten größer als der Anreiz, sich für eine nachhaltige Zukunft einzusetzen. Die Menschen litten unter steigenden Strompreisen. Aus Furcht vor höheren Kosten wählten sie 2013 die "CO2-Tax" ab – und den Tony Abbott von der Liberal-Party an die Regierung. Der hatte die erneuerbaren Energien zum Sündenbock für die Verteuerung der Lebensverhältnisse im Land gemacht.

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Die Wahl von Abbott stellte eine Wende in der progressiven Klimapolitik Australiens dar, das Erneuerbare-Energien-Ziel geriet mit der neuen Regierung aus dem Blickfeld. In einem Bericht von 2019 beschrieb der australische Klimarat die Klimaleistung der Regierung in den vergangenen fünf Jahren seit Abbott als "das entscheidende Führungsversagen des vergangenen Jahrzehnts".

Keine Sternstunde des Premiers

Zurück in die Gegenwart. In Teilen der Buschbrandgebiete ist derweil endlich lang ersehnter Regen gefallen. Während Australien zumindest eine kurze Zeit aufatmen darf (noch immer lodern Feuer und durch die abgebrannte Vegetation und Dürre steigt die Gefahr von Schlammfluten und Überschwemmungen), kann der Premierminister das noch lange nicht.

Denn die Buschbrände werfen viele ungemütliche Fragen auf. Und Morrison hat sich viele Ausrutscher geleistet: Warnungen von Brandschützern hatte er in den Wind geschlagen und war mit seiner Familie in den Hawaii-Urlaub gestartet, während das Land in Flammen aufging. Zudem kam heraus, dass die staatlichen Feuerwehrbehörden schon 2017 mehr Geld für die Bekämpfung von Bränden verlangten – die Regierung lehnte ab.

Eine Kommission soll die Hintergründe nun untersuchen. Damit will Morrison wohl Zeit schinden, doch retten dürfte ihn das nicht. Denn viele Australier hören ihm nicht mehr zu. Eine größere Bedrohung als diese unheimliche Flammenhölle gibt es für sie kaum noch. Von der Regierung fühlen sie sich im Stich gelassen. Bei einem Besuch im Brandgebiet, in Cobargo, wurde er von den Bewohnern als "Idiot" beschimpft. Ein Feuerwehrmann verwehrte ihm vor laufender Kamera den Handschlag. Da hilft es auch nicht mehr, dass Morrison sich als Krisenmanager inszeniert und mit Geld um sich wirft. Seine Umfragewerte sind seit den Buschbränden im Keller.

Jetzt, noch während es brennt, unterstützen beide großen Parteien im Land weiterhin die Ausweitung des Kohlebergbaus. Bald werden womöglich Kohlefrachtschiffe über das Great Barrier Riff schippern. Der CO2-Ausstoß des Landes könnte wegen des geplanten Ausbaus der Kohle- und Gasindustrie bis 2030 auf bis zu 17 Prozent steigen, hieß es in einer Studie. Australien könnte somit zu einer "Emissions-Supermacht" werden, warnt das Papier.

Doch die Tage der Klimaleugner im Land scheinen gezählt. Wenn die Regierung längerfristig die Kurve kriegen will, muss sie endlich ehrlich mit ihren Wählern sein. Denn im Land wird mittlerweile diskutiert. Das Thema nimmt wieder Fahrt auf – und eine immer größer werdende Mehrheit der Australier fordert: Das Land muss sich bedingungslos der Energiewende und den Zielen der CO2-Kontrolle hingeben.

Verwendete Quellen
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