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UN-Klimagipfel in New York: Die Zeit für Nettigkeiten ist vorbei


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UN-Klimagipfel in New York
Die Zeit für Nettigkeiten ist vorbei

Von Jonas Schaible, New York

Aktualisiert am 23.09.2019Lesedauer: 4 Min.
Angela Merkel in New York: Die deutsche Kanzlerin gehört beim Klimagipfel nur zu den Vorreitern, weil so viele noch weiter hinterherhinken.Vergrößern des Bildes
Angela Merkel in New York: Die deutsche Kanzlerin gehört beim Klimagipfel nur zu den Vorreitern, weil so viele noch weiter hinterherhinken. (Quelle: Kay Nietfeld/dpa)
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Die Mächtigen sollen in New York erklären, wie sie die Erderhitzung begrenzen wollen. Doch selbst Kanzlerin Angela Merkel zögert – und Donald Trump schwänzt gleich ganz.

In der Geschichte des Klimaschutzes wechseln sich Hoffnung und Enttäuschung ständig ab, großer symbolischer Schwung und noch größeres praktisches Bremsen. Große Hoffnungen ruhten 2009 beispielsweise auf der Klimakonferenz in Kopenhagen. Dort sollten die Staats- und Regierungschefs persönlich ein bindendes Abkommen aushandeln. Sie scheiterten. Die Symbolik stimmte, die Hoffnung war groß, die Enttäuschung noch größer.

Erst sechs Jahre später, 2015 in Paris, kam ein bindendes Abkommen zustande – als gerade nicht die Mächtigsten selbst verhandelten.

Jetzt steht wieder eine Veranstaltung mit großem Symbolcharakter an: der UN-Klimagipfel in New York. Am heutigen Montag, einen Tag vor der UN-Generalversammlung, hat der amtierende UN-Generalsekretär Antonio Guterres die Mächtigen der Welt zusammengerufen, mehr als ein Jahr, bevor die Staaten laut Pariser Abkommen ihre Ziele überprüfen und neu formulieren müssen, und auf größerer Bühne.

Kommen Sie nicht mit Reden, gab Guterres als Auftrag aus, sondern mit einem Plan, wie die Erderwärmung zu begrenzen ist – indem die Staaten bis 2050 nicht mehr Treibhausgas ausstoßen, als etwa durch Bäume, Ozeane und Moore wieder aufgenommen wird. "Wir verlieren das Rennen gegen den Klimawandel", sagt Guterres.

Die Zeit läuft der Menschheit davon

Die Erde hat sich schon um rund ein Grad Celsius gegenüber der vorindustriellen Zeit erhitzt. Acht der zehn heißesten gemessenen Jahre lagen im vergangenen Jahrzehnt. Die Folgen werden sichtbar: Starkregen, Dürre, Hitzewellen, Eisschmelze. Setzt sich der aktuelle Trend fort, könnte das Klima bald vollends außer Kontrolle geraten. Weite Teile der Welt würden dann unbewohnbar heiß. Und noch steigen die Treibhausgasemissionen, sogar schneller als zuvor.

Wieder, wie schon in Kopenhagen, sind es deshalb jetzt die großen Namen, die gemeinsam die Katastrophe abwenden sollen. Auch die Bundeskanzlerin ist angereist. Wieder sind die Gesten groß. Und wieder ist auch die Gefahr der Enttäuschung groß, auch wenn es diesmal nur um die Umsetzung eines Abkommens geht.


Bereits am Samstag fand ein Jugendgipfel statt, mit Greta Thunberg. Sie wird auch auf dem Klimagipfel sprechen – drei Tage nach einem weltweiten Aktionstag, an dem in mehr als 150 Ländern Millionen für mehr Klimaschutz protestierten. Auch weil sie der Politik Druck machen, ist der Moment für einen globalen Gipfel günstig. Guterres will ihn nutzen.

Nicht alle, die sprechen wollten, dürfen auch

Im Zweifel auch mit ungewöhnlicher Symbolik: Alle Staaten sind erwünscht, aber Reden dürfen nur die halten, die ambitionierte neue Klimaschutzpläne vorlegen oder viel Geld für einen Klimafonds versprechen. Nur etwas mehr als 60 Staaten waren im Vorfeld als Redner erwartet worden, um drei Minuten lang neue Vorschläge zu präsentieren. Nicht alle, die sprechen wollten, durften auch.

Für die Vereinten Nationen, wo sonst sehr strenge Protokollregeln gelten und kein Staat düpiert werden darf, ist das ein kühner Schritt. Die Zeit für Nettigkeiten ist vorbei, so kann man das lesen.

In der Umsetzung allerdings zeigt sich der schwierige Spagat zwischen Anspruch und Wirklichkeit. Hätten nur die Staaten sprechen dürfen, die auf dem Weg sind, ihre selbst gesteckten Klimaziele zu erreichen, wäre der Gipfel schon eine sehr kurze Veranstaltung geworden. Nur eine Minderheit der Staaten ist auf dem Weg dahin – und schon das würde nicht reichen, um das vereinbarte 1,5-Grad-Ziel von Paris zu erreichen.

Stuhlkreis der Vorreiter

Nur ein Stuhlkreis wäre herausgekommen, hätten allein die sprechen dürfen, deren Emissionen so zurückgehen, dass das Ziel des Pariser Abkommens eingehalten wird. Nach Angaben des "Climate Action Tracker", einer Organisation, die versucht, die Ziele und Umsetzung eines großen Teils der Welt nachzuhalten, wären das: Marokko, Gambia, Costa Rica.

UN-Generalsekretär Guterres teilte im Vorfeld den Staaten ungewöhnlich genau mit, was er erwartet: Staaten sollen sich verpflichten, CO2 einen Preis zu geben, keine neuen Kohlekraftwerke zu bauen und klimaschädliche Subventionen abzuschaffen. Übrig geblieben ist etwa ein Drittel der Staaten der Welt, die neue Pläne vorstellen. Wichtige Industriestaaten wie Japan oder Australien sind nicht darunter, weil sie die Kriterien nicht erfüllen.

Der australische Premierminister Scott Morrison wird nicht einmal am Klimagipfel teilnehmen, obwohl er sowieso in den USA ist. Auch Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro, unter dem die Zerstörung des Amazonas-Regenwalds zunimmt, wird fehlen. Und auch US-Präsident Donald Trump, der aus dem Pariser Abkommen aussteigen will, schwänzt. Er hält auf dem UNO-Gelände zeitgleich eine Gegenveranstaltung ab, die einen "weltweiten Appell zum Schutz der Religionsfreiheit" zum Ziel haben soll. Den restlichen Tag verbringt er mit bilateralen Treffen.

Trump und Bolsonaro werden erst am Dienstag auf der Generalversammlung sprechen. Wenn das Klima nicht mehr im Mittelpunkt steht.

Auch Deutschland erfüllt Guterres’ Anforderungen nicht

Doch selbst Deutschland, eines der gut 60 Länder, die neue Pläne vorstellen, erfüllt die Anforderungen des UN-Generalsekretärs nur teilweise. Der Kohleausstieg ist beschlossen und CO2 bekommt ab 2021 einen Preis, wenn auch einen niedrigeren, als alle Gutachter der Regierung empfohlen hatten. Aber klimaschädliche Subventionen wie für Diesel und Kerosin hat die schwarz-rote Koalition in ihrem am Freitag beschlossenen Klimapaket kaum angetastet. Das ganze Paket fiel für Beobachter überraschend zurückhaltend aus und wurde von Klimawissenschaftlern durchweg scharf kritisiert.

Politik sei nun einmal die Kunst des Möglichen, sagt die Kanzlerin. Mehr sei nun einmal nicht möglich gewesen. Die Naturwissenschaftlerin, die sie einst war und die von Beobachtern so gern bemüht wird, um ihr Handeln zu erklären, tritt damit ganz hinter einer Politikerin zurück, die ihren Wählern und ihrer Partei die Wirklichkeit nicht zuzumuten bereit ist.


Europa und Deutschland haben zwar immer noch eine Chance, ihre selbst gesetzten Klimaziele zu erfüllen. Das Paris-Ziel allerdings werden sie mit den bisher beschlossenen Maßnahmen fast sicher verfehlen. Merkel wird auf dem Klimagipfel nur deshalb unter den Vorreitern sein, weil es so viele extreme Nachzügler gibt. Auch für den Gipfel gilt deshalb: Politik ist die Kunst des Möglichen. Und möglich ist derzeit nicht das, was nötig wäre.

Mitarbeit: Fabian Reinbold

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