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Klimakabinett: "Vorgeschlagener CO2-Preis nahe der Wirkungslosigkeit"


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Klimapaket und Maßnahmen
"Der vorgeschlagene CO2-Preis ist nahe der Wirkungslosigkeit"

InterviewVon Daniel Schreckenberg

Aktualisiert am 21.09.2019Lesedauer: 7 Min.
Ein Dieselwagen wird aufgetankt: Ein CO2-Preis soll Diesel und Benzin, Erdgas und Heizöl teurer machen – Klimaforscherin Brigitte Knopf geht das nicht weit genug.Vergrößern des Bildes
Ein Dieselwagen wird aufgetankt: Ein CO2-Preis soll Diesel und Benzin, Erdgas und Heizöl teurer machen – Klimaforscherin Brigitte Knopf geht das nicht weit genug. (Quelle: imago-images-bilder)
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Mit ihrem Maßnahmenpaket wollte die Regierung den großen Wurf in der Klimakrise. Eine Forscherin sieht das kritisch und mahnt: Die Verantwortung darf nicht beim Bürger liegen.

Die Klimakrise hält die Bundesregierung fest im Griff. Nach wochenlangen Ringen hat sie gemeinsam mit dem Klimakabinett Maßnahmen beschlossen, die dafür sorgen sollen, den CO2-Ausstoß in Deutschland massiv zu reduzieren. Das musste geschehen, wenn die Regierung ihre selbst gesteckten Klimaziele nicht verfehlen will. Schon am Montag droht Angela Merkel ein Büßergang. In New York kommt die Weltgemeinschaft zur Generalversammlung zusammen. Ein Thema dabei: Klimaschutz. Deutschland wird erklären müssen, wie es in Sachen CO2-Neutralität zu den führenden Klimaschutznationen aufschließen will.

Die Maßnahmen des Klimakabinetts können nur ein Schritt auf diesem Weg sein, sagt Klimaforscherin Brigitte Knopf. Sie ist Generalsekretärin des "Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change" (MCC). Das forscht und berät zu der Frage, wie frei verfügbare und weltweit wichtige Naturressourcen zu schützen sind. Knopf selbst ist Mitautorin eines Gutachtens über konkrete Vorschläge einer CO2-Bepreisung, das im Sommer dem Klimakabinett vorgestellt wurde.

Im Interview mit t-online.de erklärt die Wissenschaftlerin, wie sie die Beschlüsse des Klimakabinetts bewertet, warum wir schnellstmöglich klimaneutral leben sollten und wieso das nicht allein Aufgabe der Bürger sein kann.

Frau Knopf, wie bewerten Sie die Maßnahmen des Klimakabinetts?

Die Regierung hat es verpasst, hier einen großen Wurf vorzulegen. Das jetzt beschlossene Klimapaket wird nicht ausreichen, um die Ziele für 2030 einzuhalten. Das Maßnahmenpaket ist zu viel Klein-Klein und wird nicht die erforderliche Emissionsminderung erbringen. Der CO2-Preis, der eigentlich das Leitinstrument hätte werden sollen, hat nur eine Alibifunktion bekommen. Das Gerüst für eine CO2-Preis Architektur ist zwar angelegt, aber das Ambitionsniveau ist viel zu gering: der vorgeschlagene Preispfad ist nahe der Wirkungslosigkeit und der Einstiegspreis von 10 Euro pro Tonne CO2 ist viel zu niedrig, um eine substantielle Lenkungswirkung zu entfalten. Nach unseren Berechnungen hätte er beim fünffachen, nämlich bei 50 Euro pro Tonne CO2 liegen müssen und dann bis 2030 auf 130 Euro ansteigen müssen. Der jetzt genannte Preispfad wird auch nicht reichen, um die notwendigen Investitionen in CO2-arme Technologien anzureizen.


Die Kanzlerin fährt nun zwar nicht mit ganz leeren Händen nach New York zum UN Klimaaktionsgipfel, aber sie hält viel Sand in den Händen, der schnell zwischen den Fingern zerrinnen kann. Das erhoffte Signal auch an die internationale Staatengemeinschaft, dass Deutschland ein ambitioniertes Klimaschutzprogramm vorlegt, ist ausgeblieben. Deutschland hat keinen mutigen Einstieg in die CO2-Bepreisung vorlegt, sondern den Einstieg verstolpert.

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Für viele Menschen sind Klimawandel und Klimakrise noch immer abstrakte Begriffe. Warum betreffen sie nicht nur den Bauern im Amazonas, bei dem der Regenwald brennt, oder das Fischerdorf auf den Philippinen, das vom steigenden Meeresspiegel bedroht wird?

Spätestens im letzten Jahr haben wir gesehen, dass der Klimawandel auch in Deutschland angekommen ist – mit all seinen Auswirkungen. Im Sommer haben wir lange Dürreperioden ohne Niederschläge erlebt, und die hatten nicht nur Auswirkungen auf den eigenen Garten. Durch die Dürren steigt die Trockenheit in den Wäldern und damit die Waldbrandgefahr – besonders in Brandenburg ist das ein ernstes Thema geworden. Die Dürre führt auch dazu, dass die Pegel der Flüsse immer niedriger sind. Das hat die Schifffahrt auf dem Rhein beeinträchtigt, sodass dort Benzin nicht mehr transportiert werden konnte und es an den Tankstellen zu Engpässen gekommen ist.

Ist es nur die Dürre, die uns den Klimawandel aufzeigt?

Zu der Trockenheit haben wir mittlerweile auch mit extremen Niederschlägen zu kämpfen. In Berlin zum Beispiel kommt es immer häufiger zu solchen Starkregenereignissen. Diese Regenmassen werden künftig vor allem im Herbst und Winter zunehmen. In Deutschland werden sich die Niederschlagsmuster durch den Klimawandel ändern: Im Sommer wird es weniger Regen und im Winter mehr geben – mit der Gefahr von Hochwassern und Überschwemmungen.

Wird sich der Klimawandel in Zukunft noch stärker auf Deutschland auswirken?

Er wird künftig auch Auswirkungen auf unsere Lebensmittelversorgung haben – durch Ernteausfälle. Natürlich ist die Versorgung in Deutschland sichergestellt. Aber unsere Nahrungsmittelpreise werden steigen, wenn Ernteausfälle häufiger werden. Der letzte Sommer wurde als extrem empfunden – das könnte in 30 Jahren aber unser normaler Sommer sein. Dann werden auch Auswirkungen auf unsere Gesundheit hinzukommen. Schon jetzt haben viele erfahren, wie schwer es fällt, bei solch hohen Temperaturen zu arbeiten. Kreislaufschwierigkeiten werden künftig vor allem den Älteren zu schaffen machen. Aber auch immer mehr ernsthafte Gesundheitsprobleme kommen mit diesen Temperaturen auf uns zu.


Für Forscher ist der Klimawandel keine neue Sache – lange hatte man aber das Gefühl, dass er von den Menschen und der Politik nicht wirklich ernst genommen wurde. Wie haben Sie das als Wissenschaftlerin empfunden?

Lange Zeit war das frustrierend. Allerdings mussten wir Forscher auch erst lernen, dass Fakten allein die Menschen noch nicht zum Handeln bewegen. Wenn Wissenschaftler gesagt haben, den Klimawandel gibt es, antworteten viele: „Ja, wissen wir, das ist ein großes Problem – aber wir können ja deshalb nicht unser Leben auf den Kopf stellen.“ Das Problem war also, dass niemand so richtig etwas ändern wollte. Durch die Sommer-Hitze in den letzten Jahren hat sich das geändert. Die Leute merken jetzt: Der Klimawandel betrifft mich ganz konkret. Und dadurch steigt auch die Bereitschaft, etwas gegen den Klimawandel zu tun.

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Abwrackprämie für Ölheizungen, Forderungen nach Quoten für E-Autos, das Aus für die Kohlekraftwerke. Viele Maßnahmen, um die die Politik seit Monaten gerungen hat, beschreiben Instrumente, die erst in einigen Jahren wirksam werden könnten. Haben wir diese Zeit überhaupt noch?

Die Zeit drängt, das muss uns allen klar sein. Wenn wir den Temperaturanstieg auf 1,5 Grad begrenzen wollen, so wie es sich die Weltgemeinschaft 2015 beim Klimagipfel in Paris als Ziel gesetzt hat, dann ist unser CO2-Budget dafür bereits in acht Jahren aufgebraucht – wenn wir so weitermachen wie bisher. Das ist eine immens kurze Zeitspanne. Selbst wenn wir den Temperaturanstieg auf 2 Grad begrenzen wollen, würde die entsprechende Zeitspanne nur noch rund 26 Jahre betragen. Deshalb muss jedem klar sein: Wir müssen auf null Emissionen runter. Das heißt, wir müssen heute damit anfangen, Klimagase einzusparen.

Wie könnte das gelingen?

Es gibt einige Maßnahmen, die von der Politik besprochen wurden, die sofort wirken können: Wenn wir beispielsweise Prämien für Elektro-Autos erhöhen und gleichzeitig dafür sorgen, dass Autos, die viel CO2 ausstoßen, teurer werden, greift das sofort in die Kaufentscheidung der Verbraucher ein. Aus meiner Sicht wäre aber vor allem wichtig, dass wir ein übergeordnetes Rahmenwerk bekommen, das den Klimawandel stoppt. Dazu gehört für mich, dass CO2 endlich einen Preis bekommt. Es muss ab morgen etwas kosten, CO2 in der Atmosphäre zu deponieren.

Wie wird ein CO2-Preis gegen den Klimawandel helfen?

Im Moment haben wir die Situation, dass jeder CO2 in die Luft blasen kann – und das umsonst. Die Schäden, die dadurch entstehen, werden aber auf die Allgemeinheit abgewälzt. Das ist nicht gerecht. Ein CO2-Preis würde dafür sorgen, dass das Verursacherprinzip greift. Er macht fossile Energieträger wie Kohle, Öl und Gas teurer, sorgt dadurch aber auch für Innovationen. Für Unternehmen lohnt es sich schlicht und einfach, energiesparende Technologien zu entwickeln, weil der Bürger eher zu diesen greifen wird. Zudem hat der Staat mit einem CO2-Preis Einnahmen, die er den Bürgern zurückerstatten kann, um die steigenden Energiepreise sozial abzufedern. Das kann entweder pro Kopf geschehen, durch geringere Strompreise oder das Geld wird in den Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs gesteckt.

Gibt es darüber hinaus Maßnahmen, die sofort umgesetzt werden müssten und vielleicht gar nicht Teil der Beschlüsse des Klimakabinetts sind?

Es ist auch immer eine Frage, was Individuen tun können: Langstreckenflugreisen sind in der Klima-Bilanz zum Beispiel ein ganz großer Brocken. Auch Fleischverzehr hat hohe CO2-Emissionen.

Also liegt es am Bürger, CO2 einzusparen?

Generell ist es doch so: Jeder, der sich des Klimaproblems bewusst ist, versucht doch bereits CO2 zu reduzieren. Aber es ist einfach schwer, seine eigenen Handlungen zu beurteilen. Ein Beispiel: Sie sind in einem Supermarkt, dort gibt es ein Schnitzel vom Biobauern aus der Region. Und direkt daneben liegt ein Veggie-Burger, der aber aus den USA eingeflogen wurde. Sie können als Konsument kaum beurteilen, für welches dieser Produkte mehr CO2 bei der Herstellung freigesetzt wurde. Und es ist auch eine Zumutung, dass der Verbraucher das selbst beurteilen soll. Hätten wir jetzt einen Preis auf CO2, würden jeder deutlich sehen, dass eines der Produkte deutlich teurer ist. Und das würde den Anreiz geben, wahrscheinlich das andere Produkt zu kaufen. Es geht also Hand in Hand. Der übergeordnete Rahmen wird gebraucht. Und der kann dann eine Lenkungswirkung bei den Bürgern bewirken. Dann fällt es den Leuten auch leichter, sich in der Klimakrise umzustellen.

Müssen sich die Menschen künftig damit abfinden, häufiger verzichten zu müssen?

Ich halte von der Verzichtsdebatte nicht so viel – gerade, wenn sie von Politikern angeschoben wird. Da halte ich sie sogar für problematisch und unangebracht. Denn es lenkt davon ab, dass eigentlich die Politik Lösungen anbieten muss. Dabei hilft ein Blick auf die Finanzkrise. Diese Krise ist vollkommen ausgeufert, weil der Finanzmarkt kaum Regeln unterlag. Märkte brauchen diese Regulierung aber – und das ist Aufgabe der Politik.


Welche Aufgabe bleibt dann für den Bürger?

Natürlich hat der Verzicht auf Fernreisen und Fleisch einen positiven Einfluss auf unseren individuellen CO2-Fußabdruck. Aber wir müssen uns klarmachen, dass die privaten Haushalte gerade einmal für 20 Prozent der Emissionen in Deutschland verantwortlich sind. Vieles ist einfach vorgegeben: Wenn sie Mieter in einem Mietshaus sind, können sie an ihren Heizkosten nicht viel ändern, außer dass sie im Winter nicht die Fenster offenstehen lassen und sich vielleicht eine Decke nehmen, anstatt die Heizung aufzudrehen. Aber für die Dämmung bleibt der Vermieter verantwortlich. Dazu ist es der Staat, der immer noch an vielen Stellen falsch investiert: So gibt er beispielsweise immer noch zu viele Subventionen für fossile Energieträger. Er baut viele Gebäude, er plant den Straßenbau und bestimmt, ob es Radschnellstraßen geben soll – oder eben nicht. Ich finde, es ist eine wichtige Sache, wenn wir als Individuen über unseren CO2-Fußabdruck nachdenken. Wenn aber individueller Verzicht als die gesellschaftliche Lösung für das Klimaproblem gesehen wird, ist das Augenwischerei. Stattdessen sollte der CO2-Preis das Leitinstrument werden, das Ökonomie und Ökologie endlich versöhnt.

Vielen Dank für das Gespräch.

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