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J. D. Vance in Grönland: Amerikas Kalter Krieg in der Arktis


USA greifen nach Grönland
Beginn einer Eiszeit?


Aktualisiert am 29.03.2025Lesedauer: 6 Min.
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Im Video: J. D. Vance begrüßt US-Truppen in Grönland. (Quelle: reuters)
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Sieht so der Griff nach Grönland aus? J. D. Vance verbrachte mehr Zeit im Flugzeug als auf der Insel. Trotzdem hinterlässt sein Blitzbesuch geopolitische Spannungen. Über eine neue Eiszeit zwischen den USA und Europa.

Bastian Brauns berichtet aus Washington

Der amerikanische Vizepräsident saß länger im Flugzeug, als er schließlich auf der Insel blieb. Nach fast sechs Stunden Flugzeit mit der Air Force Two hielt sich J. D. Vance für nur drei Stunden in Grönland auf. Gemeinsam mit seiner Frau Usha und seiner Delegation, zu der auch Trumps diplomatische Allzweckwaffe Steve Witkoff gehörte, landete Vance gegen 13 Uhr Ortszeit auf der US-Militärbasis Pituffik. Gegen 16 Uhr hob die Maschine auch schon wieder Richtung Washington ab.

Diesen kurzen Besuch auf Grönland nutzte J. D. Vance für deutliche Attacken gegen Dänemark und die Europäer. Dabei hatten die grönländische und auch die dänische Regierung die Visite nach mehreren aggressiven Aussagen der Amerikaner ohnehin schon als untragbaren Affront gewertet. Zuletzt bekräftigte US-Präsident Donald Trump am Donnerstag, die USA wollten Grönland besitzen.

Vance: "Der Präsident hat gesagt, wir brauchen Grönland"

Jetzt aber legten der Vizepräsident in Grönland und auch der Präsident in Washington noch einmal nach. Als J. D. Vance von Reportern gefragt wurde, ob er auch denke, dass die USA die dänische Insel in der Arktis besitzen sollte, antwortete er: "Der Präsident hat gesagt, wir brauchen Grönland, und ich denke, wir müssen die Sicherheit Grönlands ernster nehmen." Es sind Aussagen, die bei Russland-Experten die Alarmglocken schrillen lassen. Denn sie würden an die Argumentation Putins erinnern, bevor er die Krim annektierte.

Vance fuhr fort: Man könne diesen Ort nicht einfach ignorieren. Und man könne auch die Wünsche des Präsidenten nicht einfach ignorieren. "Aber vor allem", so Vance, "können wir nicht die russischen und chinesischen Übergriffe auf Grönland ignorieren." Dann griff Vance den dänischen Verbündeten frontal an: "Unsere Botschaft an Dänemark ist ganz einfach: Sie haben für die Menschen in Grönland keine gute Arbeit geleistet."

Flankiert wurden die Aussagen von einem Propaganda-Video, das Donald Trump auf der Plattform X verbreitete. Darin bekräftigt eine Sprecherstimme, dass Grönland ähnlich wie einst im Zweiten Weltkrieg vor den deutschen Nazis auch heute von den USA beschützt werden müsse. Man sei auch damals nicht zur Eroberung, sondern zum Schutz gekommen. Die aktuellen Bedrohungen aber, in Zeiten von schmelzendem Eis, würden eben China und Russland heißen. Das Video in englischer Sprache sehen Sie hier:

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Was aber ist dran an diesen amerikanischen Aussagen, die auf die Europäer und im Speziellen auf die Dänen und die Grönländer beinahe imperialistisch anmuten? Denn niemand hat die USA gebeten, die Kontrolle über die dänische Insel so wie einst im Zweiten Weltkrieg zu übernehmen.

Nato-Mitgliedschaft und US-Schutz

Irritierend klingt die Aussage von J. D. Vance, dass Grönland besser unter den amerikanischen Schutzschirm kommen solle, gepaart mit der wiederholten Attacke, Dänemark würde einen schlechten Job machen, wenn es um die Sicherheit der Insel geht. Denn Fakt ist: Da Grönland zu Dänemark gehört, fällt es unter das Nato-Bündnis und profitiert somit von den kollektiven Verteidigungsvereinbarungen, einschließlich des Schutzes durch die Vereinigten Staaten.

Die autonome Region innerhalb des Königreichs Dänemark hat in der Tat eine enorme strategische Bedeutung in der Arktis. Und darum unterhalten die USA dort bereits eine Militärpräsenz auf der Pituffik Space Base (der ehemaligen Thule Air Base). Es geht hier um Raketenwarnungen, Raketenabwehr, aber auch um Weltraumüberwachung, sowohl für die USA als auch für die Nato.

Dänemarks militärische Präsenz gilt als unzureichend

Dänemark hat geschichtlich seit jeher eine eher begrenzte Militärpräsenz in Grönland. Außer Patrouillenschiffen, Hubschraubern und Seeaufklärungsflugzeugen gehört dazu auch eine kleine Spezialeinheit aus Hundeschlitten, die selbst in der monatelangen arktischen Nacht über die Insel wacht. Schon im Dezember 2024 kündigte Dänemark jedoch Pläne an, seine eigene militärische Präsenz in Grönland zu verstärken.

Geplant sind unter anderem mehr Personal, zusätzliche Patrouillenschiffe, Langstreckendrohnen sowie der Ausbau eines Flughafens zur Aufnahme von F-35-Kampfjets. Das Bewusstsein für die sich verändernde Sicherheitslage scheint also zu wachsen. Aus Sicht der USA scheint das noch immer unzureichend zu sein – insbesondere angesichts der zunehmenden geopolitischen Konkurrenz in der Arktis.

Das unverhohlene amerikanische Interesse

Seit vielen Jahren ist die arktische Polarregion zu einem geopolitischen Brennpunkt geworden. Denn Russland und China bauen ihre Aktivitäten dort tatsächlich aus. Russlands Präsident Wladimir Putin betonte erst kürzlich den wachsenden Wettbewerb um die Vorherrschaft in der Arktis und zeigte sich besorgt über die zunehmende Nato-Präsenz in der Region.

Das Interesse der USA, die mit ihrem nördlichsten Bundesstaat Alaska selbst nur über einen kleinen direkten Zugang zur Arktis verfügen, hat also aus Sicht der Supermacht nachvollziehbare Gründe. Im Interview mit t-online stritt Trumps früherer Nationaler Sicherheitsberater John Bolton die amerikanischen Ambitionen auch gar nicht ab.

Bolton kritisierte lediglich die Art und Weise, wie Trump und Vance dabei vorgehen. "Wir haben dort ein enormes strategisches Interesse. Aber der Weg, dies mit Dänemark und den Grönländern zu lösen, führt eigentlich über stille und diplomatische Gespräche", sagte Bolton.

Sorgen vor imperialistischen Vorhaben bleiben

Obwohl Grönland also theoretisch durch den kollektiven Verteidigungsschutz der Nato geschützt ist und eine bedeutende US-Militärpräsenz beherbergt, lässt sich an der vehementen US-Kritik zumindest eines klar ablesen: Trotz Dänemarks Verteidigungsinvestitionen scheinen die USA die Schwachstellen in der Sicherheitsinfrastruktur der Region als so gravierend zu betrachten, dass Donald Trump und J. D. Vance ihre Kritik so deutlich äußern, dass Dänemark und Europa sogar eine feindliche Übernahme befürchten müssen.

Deswegen hatte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) schon im Januar bei einer ungewöhnlichen Stellungnahme in Richtung Washington klargestellt: Der Grundsatz der Unverletzlichkeit der Grenzen gelte für jedes Land, egal, wie mächtig es sei. Er deutete an, dass die expansionistischen Äußerungen des damals noch designierten US-Präsidenten bei den europäischen Staats- und Regierungschefs auf Unverständnis stoßen.

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Video | So wird J. D. Vance in Grönland empfangen
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Quelle: t-online

Trump hatte da tags zuvor den Einsatz militärischer Gewalt zur Übernahme der Kontrolle über den Panamakanal und Grönland explizit nicht ausschließen wollen. Er erklärte damals und wiederholte seitdem mehrfach, dass die Kontrolle der USA über beide Gebiete für die nationale Sicherheit der USA von entscheidender Bedeutung sei.

Was auffällig ist: Während etwa der amerikanische Vizepräsident ein amerikanisches Eingreifen im Nahen Osten zugunsten europäischer Handelswege ablehnt, sorgt er sich bemerkenswert deutlich um die Sicherheit eines europäischen Gebietes in der Arktis. Gemessen am Interesse Chinas und Russlands an der Region um Grönland, wirkt auch das amerikanische Verhalten aus europäischer Sicht zunehmend feindselig. Ein Kalter Krieg um die Arktis scheint näher zu rücken. Europa könnte dabei einen wichtigen Zugang zur Arktis verlieren.

Was nun, Amerika?

Die begrenzten dänischen Militärressourcen für die Arktisverteidigung reichen möglicherweise wirklich nicht aus, um aggressive Aktionen von Russland oder China abzuwehren. Wie aber erst handeln angesichts der Vorlieben des amerikanischen Verbündeten? Klar ist: Der Vorschlag, Grönland unter "direkte Kontrolle" oder unter den "Schutz der USA" zu stellen, wirft komplexe geopolitische und ethische Fragen auf, die eigentlich ein gewisses Fingerspitzengefühl erfordern würden.

Ganz besonders, weil die Fragen der Souveränität und die Rechte der indigenen Bevölkerung Grönlands ohnehin seit Jahrzehnten in Bezug auf Dänemark ziemlich brisant sind. Es ist möglich, dass die amerikanische Regierung dies inzwischen zumindest nicht mehr ignorieren kann.

Nachdem die geplanten Besuche bei Bewohnern der Insel, insbesondere von J. D. Vance' Frau Usha, auf keinerlei Gegenliebe gestoßen waren, wurde der eigentliche Einzeltrip der Second Lady kurzerhand umgeplant. Stattdessen stieg der Vizepräsident persönlich ins Flugzeug, bewegte sich als ungebetener Gast in Grönland aber nicht aus der US-Militärbasis heraus. Abgesehen von rhetorischen Muskelspielen reisten J. D. Vance und seine Delegation zumindest vorerst unverrichteter Dinge wieder ab.

Militäroptionen sind nicht vom Tisch

Eine für die Europäer verstörende Uneindeutigkeit ließ der Vizepräsident aber in der Kälte Grönlands einfach stehen. Als er von Reportern danach gefragt wurde, was die US-Regierung von einer möglichen Invasion Grönlands halte, antwortete Vance: "Wir gehen davon aus, dass die Grönländer sich aus eigener Kraft für die Unabhängigkeit von Dänemark entscheiden werden. Anschließend werden wir Gespräche mit der grönländischen Bevölkerung führen."

Er halte es darum "für viel zu früh, über allzu weit in die Zukunft blickende Fragen zu sprechen", so Vance. Er glaube nicht, dass militärische Gewalt jemals notwendig sein werde. Man halte die grönländische Bevölkerung für vernünftig und gütig genug, um "einen Deal im Stil Donald Trumps" aushandeln zu können, um die Sicherheit dieses Gebiets und der Vereinigten Staaten von Amerika zu gewährleisten. Ein Dementi war das wie schon so oft auch dieses Mal nicht.

Verwendete Quellen
  • Eigene Überlegungen
  • Eigene Recherchen

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