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Zum journalistischen Leitbild von t-online.US-Konflikt mit Kanada Trump kommt mit der Abrissbirne

Donald Trump führt einen Handelskrieg gegen Kanada und spricht dem engen US-Verbündeten die nationale Souveränität ab. Die kanadische Bevölkerung reagiert weniger schockiert als vielmehr verärgert.
Oft prägen Konflikte die Berichterstattung über internationale Politik, aber gelegentlich bilden sich in den Wirrungen der politischen Krisen auch Freundschaften. So zum Beispiel zwischen Außenministerin Annalena Baerbock und ihrer kanadischen Amtskollegin Mélanie Joly. Nach dem G7-Treffen der Außenministerinnen und Außenminister in Kanada schrieb Joly auf X: "Liebste Annalena. Bei unzähligen Gipfeltreffen und Zusammenkünften warst du ein ständiger Quell der Freude und der Kraft." Baerbock sei eine "fabelhafte Außenministerin und eine noch bessere Freundin" gewesen.
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Dass Freundschaften durchaus auch politische Vorteile mit sich bringen, zeigte sich vergangene Woche im kanadischen Charlevoix. Während sich andere G7-Außenminister zu bilateralen Gesprächen mit dem neuen US-Außenminister Marco Rubio trafen, bekam Baerbock diese Möglichkeit als scheidende Ministerin nicht. Für Deutschland war es allerdings vorteilhaft, dass das kanadische Protokoll Baerbock am runden Verhandlungstisch direkt neben Rubio platzierte. Die Folge: Obwohl Rubio bei dem Gipfel stets versuchte, sich Gesprächen und gemeinsamen Bildern abseits des Familienfotos zu entziehen, ist auf Videos oft zu sehen, wie die deutsche Außenministerin auf Rubio einredete.
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Kanada und Deutschland sind aktuell vereint im Streit mit der US-Regierung von Donald Trump. Die Bundesrepublik hat aktuell aber vor allem die Zukunft des transatlantischen Bündnisses und den Schutz der Ukraine im Fokus. Dagegen kämpft die kanadische Regierung gegen politische Angriffe, gegen bereits erlassene Zölle und Annektierungs-Fantasien von Trump. Der US-Präsident demoliert aktuell mit der politischen Abrissbirne die amerikanisch-kanadische Beziehung, was in Kanada einen Sturm der Entrüstung auslöst.
Trumps Handelskrieg gegen Kanada
Kanadas traditionell freundschaftliches Verhältnis zum Nachbarn USA ist in den ersten knapp zwei Monaten von Trumps Amtszeit bereits erheblich beschädigt worden. Kurz nach seinem Amtsantritt brachte Trump zusätzliche Zölle auf Einfuhren aus dem 41-Millionen-Einwohner-Land auf den Weg – und setzte diese mittlerweile zweimal wieder aus. Am vergangenen Mittwoch traten darüber hinaus 25-prozentige Einfuhrzölle auf Aluminium und Stahl aus der ganzen Welt in Kraft, die insbesondere Kanada treffen.
Aber damit nicht genug. Trump verkündete mehrfach, dass er Kanada zum 51. US-Bundesstaat machen möchte, und titulierte den ehemaligen kanadischen Premier Justin Trudeau in den sozialen Netzwerken hämisch als "Gouverneur Trudeau". In Kanada wurde all das als Drohung aufgefasst.
Baerbock unterschätzte beim G7-Treffen anfangs, wie ernst Kanada Trumps Anfeindungen nimmt. Die deutsche Außenministerin lobte zwar das kanadische Verständnis von Patriotismus, ohne aber die US-Regierung zu kritisieren. Man wolle Trumps politischen Wirrungen nicht zu viel Raum geben, nicht jede Äußerung aus Washington kommentieren, hieß es auch von europäischen Diplomaten in Kanada.
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Als Baerbock und die Europäische Union merkten, dass ihre Reaktion nicht genügte, setzten sie nonverbal ein Zeichen. Aus Solidarität mit Kanada trugen die deutsche Außenministerin und die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas am Donnerstag auf dem G7-Treffen die Farben Rot und Weiß.
Freundschaft kühlt sich schlagartig ab
Doch für kanadische Beobachter reichte das offenbar nicht aus. Kanadische Journalistinnen und Journalisten fragten auf den Pressekonferenzen viele G7-Mitglieder, wie die jeweiligen Staaten zu Kanadas Souveränität stehen. Es schien gar so, als hätte Trump mit seinen Drohungen eine kanadische Urangst geweckt. Denn die Sorge vor den militärisch viel stärkeren Nachbarn spielte schon oft eine Rolle – selbst bei der Wahl der Hauptstadt. So soll sich die kanadische Regierung im Jahr 1857 für Ottawa als Regierungssitz entschieden haben, weil die Lage der Stadt im dicht bewaldeten Hinterland Schutz vor Angriffen aus den USA bietet.
Trotzdem gehörte Kanada stets zu den engsten Verbündeten der USA. Fast immer, wenn die Amerikaner in einen Krieg zogen, starben kanadische Soldaten an der Seite der Amerikaner.
Die Motive für Trumps feindselige Politik gegen den langjährigen US-Verbündeten sind dagegen unklar. Offiziell wirft der US-Präsident Kanada vor, die Grenze nicht ausreichend vor illegaler Migration und Drogen zu schützen. Aber nur wenige Migranten kommen über Kanada in die USA, und US-Zollbeamte stellten im vergangenen Jahr auch nur 20 Kilogramm der Problemdroge Fentanyl an der kanadischen Grenze sicher.
Zwar hat Kanada gegenüber den USA einen Handelsüberschuss – und das könnte Trump ein Dorn im Auge sein. Aber dieser Überschuss belief sich 2024 lediglich auf 71 Milliarden US-Dollar. Dieser Handelsüberschuss kommt aber vor allem durch kanadische Energieexporte – Öl und Gas – zustande.
- Kampf um Einigung bei G7-Treffen: Trump lässt sie vortanzen
- Konflikte mit Trump-Regierung: Es ist ein Warnschuss
Martine Biron, Ministerin für internationale Beziehungen von Quebec, sagte dem US-Politmagazin "Foreign Policy": "Zölle werden uns alle treffen: Amerikaner, Kanadier und Quebecer." Inflation, Arbeitslosigkeit, Rezession – das wollen wir nicht. Wir wollen keine Zölle." Derzeit sei die freundschaftliche Beziehung, die sie stets zu den Amerikanern hatten, eher geschäftlicher Natur. "Sie ist kühler." Biron ergänzte: "Wenn es zu Zöllen oder anderen Maßnahmen kommt, die die Beziehungen belasten, wird es für uns alle eine harte Zeit. Es wird sehr schwierig werden. Zölle werden uns schwer treffen."
"Im Handel wie im Eishockey wird Kanada gewinnen"
Der Grund dafür liegt auf der Hand: Kanada ist massiv wirtschaftlich von den USA abhängig.
Trotzdem wehrt sich die kanadische Regierung gegen Trump, kündigte immer wieder Gegenzölle auf US-Produkte oder Stromexporte an. Mit Mark Charney hat Kanada seit Freitag einen neuen Premierminister, der sich als Kapitän von "Team Canada" inszeniert. Das ist eine Bewegung von Kanadiern, die amerikanische Waren boykottieren, auf Urlaube in den Vereinigten Staaten verzichten und die immer beliebter werdende Parole "Kanada steht nicht zum Verkauf" proklamieren.
"Die Amerikaner sollten sich nicht täuschen", so Carney nach seiner Wahl zum Parteivorsitzenden der Liberalen in Kanada. "Im Handel wie im Eishockey wird Kanada gewinnen", sagte er. Dieser Satz erntete den größten Jubel des Tages.
Kanada gibt sich selbstbewusst und sucht den Schulterschluss mit seinen europäischen Partnern. So warb Carney am Montag bei seinem ersten Auslandsbesuch für eine verstärkte Zusammenarbeit mit "verlässlichen Partnern" seines Landes. Zunächst traf er sich mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron, später mit dem britischen König Charles III., dem Staatsoberhaupt Kanadas. Es war durchaus eine besondere Reise: Denn üblicherweise führten die ersten Auslandsreisen kanadischer Premierminister ins Nachbarland USA. Dass Carney stattdessen nach Europa flog, ist ein weiteres Anzeichen für das außergewöhnlich angespannte Verhältnis zwischen Ottawa und Washington.
Am Abend kam der kanadische Regierungschef im Londoner Buckingham-Palast zu Gesprächen mit dem britischen König Charles III. zusammen. Auf seiner Rückreise plant er einen Zwischenhalt in der Stadt Iqaluit im nordkanadischen Territorium Nunavut, das fast unmittelbar an das ebenfalls von Trump beanspruchte Grönland angrenzt. Ziel des Aufenthalts sei es, Kanadas "Sicherheit und Souveränität in der Arktis zu bekräftigen", hieß es aus Regierungskreisen.
Trump schwächt seine politischen Verbündeten
Das alles sind gewichtige Signale gegenüber der Trump-Regierung, und es scheint im Moment gar so, als habe der US-Präsident mit seiner Politik den kanadischen Patriotismus geweckt – und damit ein Eigentor geschossen.
Denn nach dem Ausscheiden von Justin Trudeau wird Kanada noch im Jahr 2025 ein neues Parlament und eine neue Regierung wählen müssen. Lange schien die Konservative Partei mit ihrem populistischen Parteichef Pierre Poilievre im Aufwind zu sein. Poilievre teilt Trumps Kritik an den Medien, er sympathisiert mit der Wirtschaftspolitik des Republikaners und vertritt eine "Kanada First"-Ideologie. Sogar der Tech-Milliardär und Trump-Berater Elon Musk drückte seine Begeisterung für Poilievre aus.
Nun unterstützen Kanadier aus allen politischen Lagern Handelsvergeltungsmaßnahmen und fordern eine scharfe Zurückweisung von Trumps Annexionsplänen. Indem Trump Kanadas Souveränität und die Stabilität seiner Wirtschaft attackiert, gefährdet er sowohl die Wahlchancen der Konservativen Partei als auch deren Fähigkeit, selbst im Falle eines Wahlsiegs eine freundliche Haltung gegenüber den USA einzunehmen. Damit untergräbt die US-Führung ihre eigenen Ziele.
Denn ohne Zölle und Annexionspläne hätte Trump, wenn die Konservativen die Wahl in Kanada gewinnen würden, einen mit ihm sympathisierenden Nachbarn an seinen Nordgrenzen gehabt. Das wird wahrscheinlich nicht mehr funktionieren. Auf dem G7-Treffen scherzten Kanadierinnen und Kanadier, dass sie sich viel lieber in die Arme des britischen Königs flüchten würden, anstatt Vertrauen in Washington zu setzen. Die Wut in Kanada ist groß.
- Begleictung von Außenministerin baerbock zum G7-Treffen in Kanada
- foreignpolicy.com: Where U.S.-Canada Relations Go From Here (englisch)
- foreignpolicy.com: Trump Is Undermining the Canadians Most Sympathetic to Him (englisch)
- foreignpolicy.com: Canada’s New Leader Is Ready to Fight Trump (englisch)
- Mi Material der Nachrichtenagenturen dpa und afp