t-online - Nachrichten für Deutschland
t-online - Nachrichten für Deutschland
Such IconE-Mail IconMenü Icon



HomePolitikAuslandInternationale Politik

Konflikte bei G7-Treffen in Kanada: Trump lässt sie vortanzen


Kampf um Einigung bei G7-Treffen
Putin sorgt für Einschlag


Aktualisiert am 14.03.2025 - 18:58 UhrLesedauer: 7 Min.
Wladimir Putin: Der russische Präsident schlägt den Friedensplan der USA für die Ukraine aus.Vergrößern des Bildes
Wladimir Putin: Der russische Präsident schlägt den Friedensplan der USA für die Ukraine aus. (Quelle: IMAGO/Gavriil Grigorov/imago-images-bilder)
News folgen

US-Präsident Donald Trump kehrt dem westlichen Bündnis den Rücken zu und nähert sich Russland an. Das löst auch beim G7-Treffen in Kanada Konflikte aus. Droht die nächste Eskalation?

Aus Charlevoix berichtet Patrick Diekmann.

Loading...

Auf den ersten Blick scheint alles zu sein wie immer. Die Außenministerinnen und Außenminister der G7-Staaten arbeiten bei ihrem Treffen im kanadischen Charlevoix ihr gewohntes Programm ab: Arbeitssitzungen, gemeinsame Essen, Vieraugengespräche in Hotelzimmern und Fototermine, die Einigkeit demonstrieren sollen. Auch in Kanada debattieren die wirtschaftsstärksten westlichen Industriestaaten über Russlands Krieg in der Ukraine, über den Umgang mit China und über Frieden im Nahen Osten.

All das findet an einem abgelegenen Ort statt. Im Hotel Fiarmont Le Manoir Richelieu scheint die Zeit stehen geblieben zu sein. Von außen erinnert das Gebäude an ein altes Schloss, das mit seinen spitzen Türmen und alten Straßenlaternen vor dem Eingang inmitten der winterlichen Kulisse etwas verwunschen daherkommt. Die Sonne scheint auf die Schneeberge, die sich vor dem Hotel türmen. Die Außenministerinnen und Außenminister haben immer wieder Gelegenheit, den Blick in die Ferne zu werfen, auf den Sankt-Lorenz-Strom. Hier kann man von Mai bis Oktober Wale beobachten, sagen Hotelbedienstete. Es ist frostig und ruhig in Charlevoix.

Empfohlener externer Inhalt
X
X

Wir benötigen Ihre Einwilligung, um den von unserer Redaktion eingebundenen X-Inhalt anzuzeigen. Sie können diesen (und damit auch alle weiteren X-Inhalte auf t-online.de) mit einem Klick anzeigen lassen und auch wieder deaktivieren.

Frostig ist aktuell auch die Stimmung innerhalb der G7, wenngleich die Streitigkeiten nicht immer ruhig ablaufen. Tatsächlich ist bei diesem Treffen nur sehr wenig so wie immer.

Das liegt an US-Präsident Donald Trump. Fast täglich löst er neue Eskalationen in den Beziehungen zu den traditionellen US-Verbündeten aus. Der Republikaner startet mit seinen Zöllen Handelskriege, er setzt die Ukraine unter Druck, taktiert mit Kremlchef Wladimir Putin. Damit gefährdet Trump auch das Verhältnis zu den übrigen G7-Staaten. Auf dem Treffen in Kanada geht es deshalb auch darum, nicht noch mehr Porzellan zu zerschlagen. Um Schadensbegrenzung also.

imago images 0569236785
(Quelle: IMAGO/imago)

Zur Organisation

Die G7 ist ein Zusammenschluss führender Industrienationen mit liberaldemokratischen Werten. Sie stimmen sich zu globalen Themen ab. Mitglieder sind: Deutschland, Frankreich, Italien, Japan, Kanada, Großbritannien, USA sowie die EU als ständiger Gast.

Das gelingt zumindest teilweise: Die restlichen G7 und die Europäische Union wirken auf die USA ein – vor allem mit subtilen Botschaften. Dabei kommt ihnen ausgerechnet Putin ungewollt zu Hilfe.

USA gehen auf Distanz

Im Mittelpunkt des Treffens in Kanada steht vor allem US-Außenminister Marco Rubio. Dieser hatte zuvor in Saudi-Arabien mit der Ukraine ein Abkommen über eine 30-tägige Waffenruhe erzielt. Nur Russland muss noch zustimmen.

Loading...
Symbolbild für eingebettete Inhalte

Embed

Aus der Perspektive der übrigen G7-Länder war die Übereinkunft ein Hoffnungsschimmer. Immerhin erkennen die Amerikaner an, dass die Ukraine an Frieden interessiert ist. Rubio verwies nach diesen Verhandlungen darauf, dass der Ball nun in der Spielfeldhälfte von Putin liege. Das führt vor allem bei den Europäern zu Zweckoptimismus: Sollte Putin nicht kooperativ sein, könnte Trump die US-Sanktionen gegen Russland verschärfen und die Ukraine mit schlagkräftigeren Waffensystemen versorgen.

Doch das ist nicht mehr als eine Hoffnung. Rubio jedenfalls steckt in Kanada in einem Dilemma. Einerseits versucht er, nicht als Sprengmeister des westlichen Bündnisses aufzutreten und die Europäer zu beruhigen. Andererseits geht er auch auf Distanz zu den anderen G7-Mitgliedern.

Bereits am Mittwochabend verpasste der US-Außenminister das gemeinsame Abendessen. Am Donnerstag berichten dann einige Teilnehmer der Gespräche von einer Überraschung: Rubio wird als sympathisch beschrieben, intelligent, etwas zurückhaltend, nicht aufgeblasen. Er soll Verständnis für die Europäer und für Kanada geäußert haben. Er ist also nicht Donald Trump – und muss trotzdem die Politik des US-Präsidenten vertreten.

"Genießen Sie Ihren Job noch?"

Dieser Zwiespalt zeigt sich in Kanada immer wieder. Auf dem Weg zum gemeinsamen Familienfoto am Donnerstagmorgen fragt Außenministerin Annalena Baerbock ihren US-Amtskollegen: "Genießen Sie Ihren Job noch?" Rubio zögert. "Ähm", antwortet er. Der weitere Gesprächsverlauf ist nicht mehr zu hören.

Empfohlener externer Inhalt
X
X

Wir benötigen Ihre Einwilligung, um den von unserer Redaktion eingebundenen X-Inhalt anzuzeigen. Sie können diesen (und damit auch alle weiteren X-Inhalte auf t-online.de) mit einem Klick anzeigen lassen und auch wieder deaktivieren.

Baerbock spielt mit ihrer Frage vermutlich auf Trumps chaotische Außenpolitik an. Rubio muss die Scherben dieser Politik einsammeln, obwohl er sich einst für eine starke Unterstützung der Ukraine ausgesprochen hatte. In Kanada wird außerdem klar: Der US-Außenminister steht in Konkurrenz zu den US-Sondergesandten Keith Kellogg und Steve Witkoff.

Trump lässt sie alle vortanzen und begünstigt den, der die besten außenpolitischen Ergebnisse zurück nach Washington bringt. Das Problem dabei: Witkoff befindet sich am Donnerstag noch in Moskau und führt dort Gespräche mit dem Kreml. Inhaltlich soll Rubio in Kanada über Ablauf und Inhalte kaum Bescheid gewusst haben, heißt es. Es ist ein großes Chaos.

Am Donnerstagmittag platzt eine Nachricht aus Moskau in das G7-Treffen: Putin lehnt den US-Vorschlag für eine Waffenruhe in der Ukraine weder ab, noch stimmt er zu. Stattdessen formuliert er eigene Bedingungen. Er fordert eine dauerhafte, friedliche Lösung des Konflikts – rückt aber nicht von Maximalforderungen ab. Ein Spiel auf Zeit, das Trump nicht gefallen wird. Zwar könnte man bei einem Stopp der Kämpfe über ebendiese Lösungen verhandeln. Aber Putin möchte eben keinen Frieden, das ist die bittere Erkenntnis.

Loading...
Loading...

Der russische Präsident stößt damit vor allem die US-Regierung vor den Kopf. Zeitgleich zum G7-Treffen sagt Trump in Washington zu Putins Weigerung: "Schade für die Welt", während er in seinem sozialen Netzwerk Truth Social gegen die Europäische Union schießt: Die EU sei in erster Linie gegründet worden, um die Vereinigten Staaten von Amerika zu "verarschen", schreibt Trump. All das, während sein Außenminister mit führenden EU-Mitgliedern verhandelt.

Kanada ist wütend auf US-Regierung

Diese Angriffe verstärken den Eindruck, dass Trump die USA nicht mehr als Teil eines westlichen Bündnisses sieht. Auch deshalb vermeidet Rubio wohl Bilder in lockereren Momenten, die Geschlossenheit demonstrieren könnten. Nach Arbeitssitzungen soll er immer schnell aufgestanden sein, um sich Gesprächen zu entziehen. Während Baerbock mit ihren Amtskolleginnen und -kollegen aus Großbritannien, Frankreich, Kanada und der EU-Außenbeauftragten auf dem Hotelbalkon in der Sonne ein Ahorn-Toffee am Stiel probiert und sich ausgelassen unterhält, biegt Rubio nach der Arbeitssitzung in die entgegengesetzte Richtung ab.

Trumps Außenminister nimmt nicht an den Momenten des G7-Treffens teil, die dazu dienen, die sozialen Bindungen zu stärken. Keine gemeinsamen Heißgetränke auf dem Balkon, keine Spaziergänge, keine Gespräche am Lagerfeuer vor dem Hotel. Dass Rubio sich dabei zurückhält, war im Vorfeld erwartet worden. Immerhin forciert Trump gegenüber seinen westlichen Verbündeten das genaue Gegenteil von Bindungen.

Auch darüber hinaus hat Rubio in Kanada keinen einfachen Stand. Als Trumps Repräsentant schlägt ihm viel Wut entgegen, weil der US-Präsident die nationale Souveränität Kanadas infrage stellt. Er sieht das Nachbarland als 51. US-Bundesstaat und bezeichnete in den sozialen Medien den ehemaligen kanadischen Premier Justin Trudeau immer wieder als "Gouverneur".

Dementsprechend ist die kanadische Presse am Donnerstag in Aufruhr. Jede Außenministerin, jeder Außenminister wird gefragt, wie sie zur Souveränität Kanadas stehen.

Empfohlener externer Inhalt
X
X

Wir benötigen Ihre Einwilligung, um den von unserer Redaktion eingebundenen X-Inhalt anzuzeigen. Sie können diesen (und damit auch alle weiteren X-Inhalte auf t-online.de) mit einem Klick anzeigen lassen und auch wieder deaktivieren.

Die Verhandlungsstrategie der restlichen G7-Mitglieder geht allerdings in eine andere Richtung. Ruhe bewahren, nicht auf jede Eskalation eingehen, die Trump ins Netz schießt. Vor allem die Europäer setzen in Kanada auf subtilere Botschaften. Es geht allgemein darum, Stärke zu demonstrieren, ohne die Beziehungen zu den USA weiter zu schädigen. Denn schließlich könnte lautstarke Kritik Trump dazu veranlassen, irrational zu reagieren. Deswegen setzen die restlichen Mitglieder der G7 an diesem Donnerstag eher auf Symbole. Baerbock trägt etwa ein weißes, die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas ein rotes Kleid mit einem Ahornanstecker. Das soll die Solidarität mit Kanada demonstrieren, Rot und Weiß sind die Nationalfarben des Landes.

Trump gilt als unberechenbar

Ob diese Strategie aufgeht, ist unklar. Denn das Treffen der Außenministerinnen und Außenminister ist nur die Vorlage für den Gipfel mit den Staats- und Regierungschefs im Juni, an dem Trump dann wahrscheinlich persönlich in Kanada teilnehmen wird. Und es gibt schon die Sorge in Charlevoix, dass der US-Präsident jegliche Einigung am Ende zerschlagen könnte.

Empfohlener externer Inhalt
X
X

Wir benötigen Ihre Einwilligung, um den von unserer Redaktion eingebundenen X-Inhalt anzuzeigen. Sie können diesen (und damit auch alle weiteren X-Inhalte auf t-online.de) mit einem Klick anzeigen lassen und auch wieder deaktivieren.

Doch noch ist es nicht so weit. Aktuell sorgt Trump zumindest dafür, dass die EU, Kanada und Großbritannien zusammenrücken, am Donnerstagabend dann auch sinnbildlich: Als die G7-Teilnehmerinnen und -Teilnehmer zum Abendessen fahren, teilt sich Kanadas Außenministerin Mélanie Joly mit Baerbock, Kallas und dem britischen Außenminister David Lammy ein Auto. Der Rest kommt allein, sogar Rubio ist dieses Mal vor Ort.

Das Vertrauen in die USA ist beschädigt. Doch immerhin reicht es nach zähen Verhandlungen in der Nacht zum Freitag für einen Minimalkonsens. Die Außenminister der G7-Staaten sichern am Ende ihre "unerschütterliche Unterstützung" für die "territoriale Integrität" der Ukraine zu. In einer gemeinsamen Abschlusserklärung werden Russland sogar neue Sanktionen angedroht, falls es eine Waffenruhe für die Ukraine nicht unterstützen sollte. Zudem fordern die G7-Staaten demnach "glaubwürdige Sicherheitsmaßnahmen", um die Ukraine vor jeglicher neuer "Aggression" zu schützen. Die Formulierungen sind durchaus ein Erfolg für die Europäer. Aber Russland wird nicht mehr als "Aggressor" und Putins Krieg nicht mehr als "Verbrechen" bezeichnet.

Am Ende herrscht überwiegend Freude im Hotel Fiarmont Le Manoir Richelieu, dass diese Einigung gelungen ist, auch mit den Amerikanern. Doch einen Wermutstropfen gibt es: Denn diese Einigung ist eine wahre Kraftanstrengung gewesen. Die G7 und das westliche Bündnis waren mit Blick auf eine gemeinsame Haltung gegenüber Russland schon einmal weiter.

Empfohlener externer Inhalt
X
X

Wir benötigen Ihre Einwilligung, um den von unserer Redaktion eingebundenen X-Inhalt anzuzeigen. Sie können diesen (und damit auch alle weiteren X-Inhalte auf t-online.de) mit einem Klick anzeigen lassen und auch wieder deaktivieren.

Trotzdem äußern sich Rubio und die Europäer optimistisch. "Es ist ein wirklich guter Tag", sagt Baerbock gleich zu Beginn ihrer abschließenden Pressekonferenz. Mit dem gemeinsamen Statement hätten sich die G7 einen Fahrplan in diesen stürmischen Zeiten gegeben. "Wir stehen als G7 felsenfest hinter der ukrainischen Souveränität." Baerbock ergänzt: "Ich habe immer gesagt, dass die Gesprächstemperatur wärmer als die Außentemperatur ist." Es sei ein Treffen unter Freunden gewesen.

Hinter diesen warmen Worten steckt aber vor allem eine Hoffnung: Die USA sollen sich auch in Zukunft an die Absprachen zwischen den G7 gebunden fühlen. Aber Trump ist unberechenbar, schließlich hat er in den vergangenen Wochen die transatlantischen Beziehungen in eine neue Eiszeit gestürzt. Als die Außenministerinnen und Außenminister am Freitagmittag Kanada verlassen, haben sie zumindest einen noch größeren Schaden begrenzt – zumindest für den Moment. Nicht mehr, nicht weniger.

Viele Fragen bleiben weiterhin offen: Erlässt Trump weitere Zölle? Wie geht es weiter in der Ukraine und mit Russland? Noch herrscht Winter in den Beziehungen der USA zu ihren westlichen Verbündeten, von Frühling ist in Kanada weder in der Diplomatie noch beim Wetter etwas zu spüren.

Verwendete Quellen
  • Begleitung von Außenministerin Baerbock beim G7-Gipfel in Kanada
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...

ShoppingAnzeigen

Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...



Telekom