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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Trump-Vorstoß Abzug der US-Truppen würde Deutschland Milliarden kosten

Ein Abzug der US-Truppen aus Deutschland hätte weitreichende politische und wirtschaftliche Folgen. Europas Sicherheitsarchitektur stünde auf dem Prüfstand.
In der ohnehin angespannten internationalen Sicherheitslage hat US-Präsident Donald Trump jetzt den kompletten Abzug der US-Truppen aus Deutschland ins Spiel gebracht. Ein großer Teil der bis zu 37.000 Soldaten könnte nach Ungarn verlegt werden, so Trump. Die Soldaten der US-Armee sind auf 38 Militärbasen in Europa stationiert, allein in Deutschland sind es mehr als 20 Stützpunkte.
Neben der sicherheitspolitischen Bedeutung spielen diese Stützpunkte auch wirtschaftlich eine erhebliche Rolle für Deutschland: Zehntausende Angehörige der Soldaten leben in den umliegenden Regionen. Davon profitieren lokale Unternehmen, an der US-Armee hängen hierzulande viele Arbeitsplätze. Ein abrupter Truppenabzug könnte beides – Sicherheitslage wie wirtschaftliche Stabilität – beeinträchtigen.
Warum erwägt Trump den Truppenabzug?
Dass Trump mit dem Gedanken spielt, US-Truppen aus Europa abzuziehen, ist keineswegs neu. Bereits in seiner ersten Amtszeit hatte er dasselbe Ziel verfolgt. Die aktuelle Debatte steht jedoch für eine noch weitreichendere Frage: die Zukunft der Nato. Trump stellt den Fortbestand des Verteidigungsbündnisses zunehmend infrage. Am Donnerstag hatte er verbündete Länder gewarnt: "Wenn sie nicht zahlen, werde ich sie nicht verteidigen", so Trump auf die Frage eines US-Journalisten.
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Die Kehrtwende des amerikanischen Präsidenten wird zweifellos durch die aktuelle Lage der Ukraine im russischen Angriffskrieg weiter verstärkt. Unter Joe Biden waren die Vereinigten Staaten der wichtigste Verbündete der Ukraine – mit der Amtseinführung Trumps änderte sich das schlagartig. Trump versucht, in der Ukraine einen Frieden zu erzwingen. Dabei nutzt er die Abhängigkeit der Ukraine von den USA gezielt aus.
Auf dem Weg zu möglichen Verhandlungen hat er den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj bereits dazu gedrängt, Rohstoffdeals im Wert von einer halben Billion Dollar zu unterzeichnen. Gleichzeitig hat er die amerikanischen Hilfen für die Ukraine vollständig ausgesetzt und bewegt sich sowohl politisch als auch rhetorisch immer stärker in Richtung Russland. Angesichts dieser Entwicklungen stellt sich die Frage, ob die USA unter Trump überhaupt noch Teil einer westlichen Allianz sind.
Seit der Gründung der Nato 1949 hat das Bündnis die Sicherheit in Westeuropa garantiert. Ein Rückzug der USA würde ein radikales Umdenken und eine stärkere sicherheitspolitische Eigenständigkeit Europas erfordern. Europa müsste schnellstmöglich Wege finden, um die Lücken zu füllen, die die Amerikaner in der Sicherheitsarchitektur hinterlassen würden.
Wie reagiert Deutschland?
Mit Blick auf die aktuelle innenpolitische Debatte in Deutschland wird deutlich, dass sich die Entscheidungsträger auf ein entsprechendes Szenario vorbereiten. Zu Beginn der Woche haben die voraussichtlichen Koalitionspartner aus Union und SPD einen Plan für massive Investitionen in die Verteidigung und die Bundeswehr vorgestellt – ein klares Signal, dass Deutschland bereit ist, auf europäischer Ebene mehr Verantwortung zu übernehmen.
Zudem rückt das Thema Wehrpflicht zunehmend in den Fokus der kommenden Legislaturperiode. Viele halten eine Wiedereinführung angesichts der aktuellen sicherheitspolitischen Lage für unumgänglich.
Welche Rolle spielen die US-Stützpunkte in Deutschland?
Aus militärischer Sicht dienen die US-Stützpunkte in Deutschland vor allem als strategische Drehscheiben für weltweite Operationen. Die Militärbasis in Ramstein ist essenziell für den Lufttransport und die Nato-Luftverteidigung, in Stuttgart sitzt die Kommandoführung für Europa und Afrika, Wiesbaden beherbergt die allgemeine Heeresführung, und in Grafenwöhr werden Truppen ausgebildet.
Doch um diese Stützpunkte herum haben sich über Jahrzehnte Infrastrukturen entwickelt, die tief in die lokalen Wirtschaftskreisläufe eingebettet sind.
Daten aus dem Jahr 2020 zeigen, dass die US-Regierung die Standorte mit erheblichen Investitionen unterstützt – ein Vorteil, von dem die deutsche Wirtschaft profitiert. Nach Angaben des US-Verteidigungsministeriums beliefen sich die Ausgaben für die Truppenstandorte allein im Jahr 2020 auf etwa 7,2 Milliarden Dollar. Zum Vergleich: Deutschland trägt jährlich rund 130 Millionen Euro zu den Kosten der US-Truppenstationierung bei.
Die wirtschaftlichen Vorteile für die betroffenen Regionen sind beträchtlich. Die Präsenz der US-Armee schafft Arbeitsplätze, und die gut bezahlten Soldaten geben einen Großteil ihres Einkommens in Deutschland aus. Zusätzlich investiert das US-Militär in Bauprojekte, wovon lokale Zulieferer und Unternehmen profitieren.
Eine mittlerweile über zehn Jahre alte Studie ergab, dass die US-Stützpunkte in Deutschland eine Wirtschaftskraft von etwa 2,3 Milliarden Dollar allein in Rheinland-Pfalz generieren – dem Bundesland, in dem die Mehrheit der US-Truppen stationiert ist. Hochgerechnet auf die Gesamttruppenstärke in Deutschland wären es rund vier Milliarden Dollar. Auch wenn die Studie nicht mehr ganz aktuell ist, dürften sich diese Zahlen kaum wesentlich verändert haben, da die Anzahl der stationierten Truppen in dieser Zeit weitgehend konstant geblieben ist.
Was verändert sich in den Regionen?
Doch der Einfluss der US-Streitkräfte reicht über wirtschaftliche Aspekte hinaus. In vielen Regionen sind über Jahrzehnte enge gesellschaftliche Verflechtungen entstanden, die auch kulturelle und soziale Auswirkungen haben.
US-Soldaten und ihre Familien sind fester Bestandteil vieler Gemeinden. Sie besuchen Restaurants, Einkaufszentren und Veranstaltungen, engagieren sich in Vereinen und nehmen am gesellschaftlichen Leben teil. Ein vollständiger Abzug der US-Truppen würde daher nicht nur wirtschaftliche, sondern auch tiefgreifende soziale und kulturelle Veränderungen für zahlreiche Kommunen bedeuten.
Noch ist unklar, ob und in welchem Umfang die USA tatsächlich Truppen aus Deutschland abziehen werden. Sicher ist jedoch, dass ein solcher Schritt nicht nur wirtschaftliche und soziale Folgen hätte, sondern auch die Sicherheitsarchitektur Europas grundlegend verändern könnte.
- spiegel.de: "Kosten für US-Truppen: Deutschland zahlte fast eine Milliarde Euro in zehn Jahren"
- fr.de: "Abzug von US-Truppen aus Deutschland: Trump könnte nun ernst machen – was bekannt ist"
- dw.com: "German towns face economic hit should US troops go" (Englisch)
- telegraph.co.uk: "Donald Trump considers pulling troops out of Germany" (Englisch, kostenpflichtig)
- fr.de: "Trump lehnt Truppenabzug aus Europa ab – das sind die US-Basen"
- globalsecurity.org: US-Basen in Deutschland