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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Drohnen im Krieg China könnte zum Problem werden

Drohnen sichern das ukrainische Überleben an der Front. In Zukunft könnten sie in Kriegen deutlich wichtiger werden. Doch es gibt Probleme.
Seit dem russischen Überfall auf die Ukraine hat sich die Kriegsführung im Osten des europäischen Kontinents verändert. Die Zeit der schweren Kampfpanzer, die viele Millionen Euro in der Herstellung kosten, scheint zumindest in diesem Konflikt vorbei zu sein. Zu einfach ist es, die teuren und schwerfälligen Kolosse mithilfe von günstigen Drohnen entweder manövrierunfähig zu machen oder gleich komplett zu zerstören.
Doch Drohnen sind nicht nur im Einsatz gegen Fahrzeuge überaus effektiv. Roman Kostenko, der Vorsitzende des Verteidigungs- und Geheimdienstausschusses im ukrainischen Parlament, erklärte der "New York Times" im März 2025, 70 Prozent aller Verluste beider Kriegsparteien seien auf Drohnen zurückzuführen – und nicht etwa auf die große und schwere Artillerie, die einst die Schlachtfelder des Zweiten Weltkrieges dominierte.
Artillerie wird zwar immer noch genutzt – etwa die von Deutschland gelieferte Panzerhaubitze 2000 – um Infanterievorstöße abzusichern. Doch die sogenannten FPV-Drohnen, die von ihrem Piloten mithilfe einer Brille und einem Handcontroller gesteuert werden, sind mittlerweile auf den Schlachtfeldern der Ukraine allgegenwärtig.
Drohnen sind einfach zu beschaffen
Samuel Bendett, ein Drohnenexperte des US-amerikanischen Center for Naval Analyses, erklärt im Gespräch mit dem "Guardian", die militärisch genutzte Drohne habe sich "von einer Neuheit im Jahr 2022 zu einer der bevorzugten Waffen des Jahres 2023 entwickelt", mittlerweile dominiere sie den gesamten taktischen Raum und damit auch die Schlachtfelder in der Ukraine. Grund dafür dürfte unter anderem sein, dass der Ukraine schlichtweg nicht so viele Soldaten zur Verfügung stehen wie den Russen. Der Kampf mit Drohnen ist eine gute Möglichkeit, um das direkte Aufeinandertreffen und damit den unweigerlichen Verlust von Soldaten zu vermeiden.
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Der Einsatz der unbemannten Flugobjekte hat noch einen weiteren großen Vorteil: Sie sind einfach zu beschaffen. Drohnen können bereits kampffertig importiert werden, zivile Drohnen sind leicht umzurüsten. Die Umrüstung einer zivilen Drohne kostet außerdem einem Bericht der "New York Post" zufolge nur rund 300 Euro. Zum Vergleich: Eine Panzerhaubitze 2000 schlägt mit etwa 15 Millionen Euro zu Buche, für einen Leopard 2A6 werden rund drei Millionen Euro fällig – und dafür bekommen Käufer nur die Basisversion ohne zusätzliche Extras.
Außerdem ist die Herstellung der Kampfgeräte einfacher als die eines Panzers – vermutlich einer der Gründe, warum der militärisch-industrielle Komplex in der Ukraine sich mittlerweile stark auf die Fertigung von Drohnen konzentriert.
Verschiedenen Berichten zufolge hat sich die Fertigungskapazität von Drohnenfabriken in der Ukraine im Jahr 2024 verzehnfacht. Konnten ukrainische Waffenhersteller im Januar des Vorjahres noch 20.000 Drohnen herstellen, waren es laut "Kyiv Post" und "Forbes" bereits 200.000 Drohnen im Januar 2025 – Tendenz steigend. In diesem Jahr will die Ukraine 4,5 Millionen Quadrocopter produzieren.
Die Ukraine verbraucht 10.000 Drohnen pro Monat
"Die Ukraine ist mittlerweile der Vorreiter beim Kampf mit Drohnen geworden", postete Wolodymyr Selenskyj im Februar auf dem Kurznachrichtendienst X. Damit hat der ukrainische Präsident wohl recht. Statistiken aus dem September des vergangenen Jahres zeigen, dass die ukrainischen Streitkräfte mehr als 10.000 Drohnen pro Monat verbrauchen – sei es, weil sie als sogenannte Kamikaze-Drohnen zerstört werden oder russischen Anti-Drohnen-Maßnahmen zum Opfer fallen.
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Wie enorm der Maßstab des Drohnenkampfes in der Ukraine wirklich ist, zeigt die Fertigungskapazität der größten westlichen Kriegsindustrie: Die Vereinigten Staaten produzieren laut einem Bericht des Fachmagazins "Defense One" gerade einmal 5.000 Drohnen pro Monat – die Hälfte von dem, was ukrainische Truppen auf dem Schlachtfeld verbrauchen.
Doch nicht nur die Masse der produzierten Drohnen spricht dafür, dass die Ukraine zu einem der neuen Marktführer beim Kampf mit dem unbemannten Kriegsgerät geworden ist. Auch innovative Entwicklungen wie das Drohnenboot Magura, mit dem die Ukraine wichtige Ziele wie Schiffe der russischen Schwarzmeerflotte oder die Krimbrücke angreifen konnte, sprechen dafür.
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Nicht jedes Schlachtfeld ist gleich
Wird sich also das internationale Machtgefüge verschieben und Drohnen in Zukunft alle Kriege dominieren? Nicht zwingend, schreibt die Verteidigungsexpertin Ulrike Franke in einem Artikel für das European Council on Foreign Relations. So seien die Voraussetzungen zur Nutzung von umgebauten zivilen Drohnen in der Ukraine nahezu perfekt: Das Gelände ist relativ flach, die Windstärke moderat, ein großer Teil der Kampfhandlungen findet zu Land statt.
Hinzu kommt die rege Nutzung von Flugabwehrsystemen auf beiden Seiten, was dazu geführt hat, dass viele bemannte Kampfflugzeuge in den ersten Monaten des Krieges zerstört wurden. Somit wurden die Armeen beider Seiten quasi gezwungen, auf andere Mittel der Kriegsführung zurückzugreifen.
In künftigen Kriegen könne etwa die Zahl der verwendeten umgebauten zivilen Drohen stark sinken, schreibt Franke. Etwa, weil die Wetterbedingungen ihren Einsatz verhindern oder die Kampfhandlungen vor allem zu Wasser ausgetragen werden, wo die Distanz zum Gegner zu groß für die kleinen zivilen Drohnen ist.
Die Gefahr geht von China aus
Sollte China ein aktiver Teilnehmer eines künftigen Krieges sein, könne die Verfügbarkeit von Drohnen laut Franke zu einem großen Problem werden. Hier müssten die westlichen Staaten dringend nachbessern. Zahlen der "Los Angeles Times" zeigen, dass der chinesische Hersteller DJI seit 2016 den Markt dominiert. Zwei Drittel aller verkauften zivilen Drohnen kamen damals aus den Fabriken des Herstellers aus der Metropole Shenzhen. Heute gibt es mehr Hersteller ziviler Drohnen – trotzdem dominiert China mit mehr als 80 Prozent den Markt, berichtet das US-amerikanische Center for Strategic and International Studies.
In einem möglichen zukünftigen Krieg mit chinesischer Beteiligung könnte genau dieser Umstand zum Problem werden, schreibt Ulrike Franke. Schon jetzt gebe es Berichte über defekte Teile in chinesischen Drohnen, die Gerüchte über bewusste Sabotage befeuern. Hinzu komme der Handelskrieg mit den USA, in dessen Zuge China den Export von Drohnenkomponenten beschränkt habe. Für Kiew habe dieser Schritt direkte Auswirkungen, weshalb die Ukraine mittlerweile auf die heimische Produktion von Drohnen angewiesen sei.
Wie der Westen sich vorbereitet
Der Westen will natürlich auf einen zukünftigen Konflikt vorbereitet sein. In Deutschland hat die Umstellung auf die unbemannten Flugobjekte gerade erst begonnen: Im April beschloss das Bundesverteidigungsministerium erstmals die Anschaffung sogenannter Kamikaze-Drohnen zur Erprobung.
Andere Länder sind schon weiter. Am Hans-Christian-Andersen-Flughafen im dänischen Odense entsteht derzeit ein neues Drohnenzentrum der dänischen Armee, in dem bis zum Jahr 2026 mehr als 100 Drohnenpiloten ausgebildet werden sollen. Auch Finnland investiert in ein heimisches Drohnenprogramm, während die kanadische Firma ZenaTech künftig militärische Drohnen zusammen mit dem türkischen Hersteller Bayraktar entwickeln will.
Auch wenn nicht klar ist, ob Drohnen künftige Schlachtfelder in ähnlichem Maße dominieren, wie es derzeit in der Ukraine der Fall ist: Fest steht, dass Drohnen in Zukunft eine größere Rolle spielen werden als in vergangenen bewaffneten Konflikten. Die Staaten der Nato sollten sich darauf vorbereiten.
- nytimes.com: "Ukraine’s Drone War With Russia Intensifies in the Air and on the Ground" (Englisch, kostenpflichtig)
- nytimes.com: "How Drones Are Reshaping the Ukraine War" (Englisch, kostenpflichtig)
- guardian.com: "‘It is impossible to outrun them’: how drones transformed war in Ukraine" (Englisch)
- ecfr.eu: "Drones in Ukraine: Four lessons for the West" (Englisch)
- spectrum.ieee.org: "Killer Drones" (Englisch)
- euromaidanpress.com: "Ukraine showed how to kill Russians with drones. Now Europe’s all in" (Englisch)
- france24.com: "Drone warfare stalls progress on Ukraine’s front line" (Englisch)
- cfr.org: "How the Drone War in Ukraine Is Transforming Conflict" (Englisch)
- researchcentre.army.gov.au: "Drones in Modern Warfare" (Englisch)
- icds.ee: "Russia’s War in Ukraine: Drone-Centric Warfare" (Englisch)
- en.defence-ua.com: "Drone Warfare: Ukrainian Intelligence Units Erase Russian Footholds One Strike at a Time (Video)" (Englisch)
- ipg-journal.de: "Schlachtfeld der Zukunft"
- forbes.com: "4.5 Million Drones Is A Lot Of Drones. It’s Ukraine’s New Production Target For 2025" (Englisch, kostenpflichtig)
- kyivpost.com: "Ukraine Aims to Produce 1 Million Drones in 2024 – Fedorov" (Englisch)
- polymernanocentrum.cz: "How America's Drone Manufacturing Sector Is Failing" (Englisch)