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Sabotage in der Ostsee? Was wir über die Defekte an den Seekabeln wissen


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Verwundbare Infrastruktur
Was über die mögliche Sabotage an den Unterseekabeln bekannt ist


20.11.2024 - 15:10 UhrLesedauer: 5 Min.
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Bilder einer Überwachungskamera zeigen das chinesische Schiff "Yi Peng 3" am Dienstagmittag auf dem Rückweg Richtung Osten. (Quelle: t-online)

Am Sonntag und Montag wurden zwei Unterseekabel in der Ostsee beschädigt. Verteidigungsminister Pistorius spricht von Sabotage. Was wir wissen – und was nicht.

Nach der Beschädigung zweier Kommunikationskabel in der Ostsee ermitteln die schwedischen Behörden wegen des Verdachts auf Sabotage. Im Fokus der Ermittlungen steht der chinesische Frachter "Yi Peng 3", den die dänische Küstenwache am Dienstagabend festsetzen konnte.

Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) und Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) sind besorgt wegen der Vorfälle in der Ostsee, Pistorius spricht gar von "Sabotage". Doch was ist überhaupt passiert? Und wie gefährdet ist die Kommunikationsinfrastruktur in der Ostsee? t-online beantwortet die wichtigsten Fragen.

Was ist mit den Unterseekabeln in der Ostsee passiert?

Am Montagmorgen, etwa gegen vier Uhr, stellte das finnische Kommunikationsunternehmen Cinia einen Defekt am Untersee-Datenkabel C-Lion1 fest. Das Kabel verläuft auf einer Länge von 1.173 Kilometern zwischen Helsinki und Rostock. Wie Cinia am Montag mitteilte, sei C-Lion1 südlich der schwedischen Insel Öland durchtrennt worden, etwa 700 Kilometer von Helsinki entfernt.

Auch ein zweites Kabel ist betroffen. Es verläuft zwischen Litauen und der zu Schweden gehörenden Insel Gotland. Andrius Šemeškevičius, Chief Technology Officer des litauischen Telekommunikationsbetreibers Telia, erklärte, das Kabel sei am Sonntagmorgen gegen 10 Uhr durchtrennt worden. "Unsere Systeme meldeten sofort, dass wir die Verbindung verloren hatten. Weitere Untersuchungen zeigten, dass das Kabel beschädigt worden war", sagte Šemeškevičius dem litauischen Fernsehsender LRT-TV.

Da beide Kabel in schwedischen Hoheitsgewässern durchtrennt wurden, ist die schwedische Polizei für die Ermittlungen verantwortlich. Diese werden wegen des Tatbestands der Sabotage geführt, teilte der schwedische Staatsanwalt Henrik Södermann am Montag mit.

Wie reagieren die betroffenen Länder?

Am Montagabend veröffentlichten Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) und ihre finnische Amtskollegin Elina Valtonen eine gemeinsame Stellungnahme. Darin äußern sich beide Politikerinnen "besorgt" über den Zwischenfall. Die Tatsache, dass ein solcher Vorfall sofort den Verdacht einer vorsätzlichen Beschädigung aufkommen lasse, spreche Bände über die "Unbeständigkeit unserer Zeit". Die europäische Sicherheit sei nicht nur durch Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine bedroht, sondern auch "durch die hybride Kriegsführung böswilliger Akteure", heißt es in der Mitteilung.

Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) äußerte sich am Dienstag zum Vorfall in der Ostsee. "Niemand glaubt, dass diese Kabel aus Versehen durchtrennt worden sind", sagte er bei einem Treffen mit seinen EU-Amtskollegen in Brüssel. Auch CDU-Verteidigungsexperte Kiesewetter warnte, Russland teste die Grenzen des Artikels 5 aus.

Zurückhaltender äußerte sich der finnische Verteidigungsminister Antti Häkkänen, der zu den möglichen Ursachen keine Vermutungen anstellen wollte. Doch auch Häkkänen betonte, es werde in der ernsthaften Annahme ermittelt, dass "ein externer Akteur" beteiligt sei. Auch Sicherheitsdienste aus verschiedenen Ländern seien beteiligt. Außerdem koordinieren die beteiligten Länder Deutschland, Litauen, Schweden und Finnland die Arbeit ihrer Sicherheitsbehörden, um die Ursachen für die Zwischenfälle zu klären.

Auch Litauen machte noch keine Angaben zu möglichen Gründen für den Defekt der Unterseekabel. Vilmantas Vitkauskas, Leiter des Nationalen Zentrums für Krisenmanagement in Litauen, erklärte t-online, Regierungsvertreter und Mitglieder des Krisenzentrums hätten sich am Dienstag mit den Sicherheitsdiensten und weiteren Institutionen ausgetauscht, um sich mit internationalen Verbündeten zu koordinieren. "So wollen wir die wirklichen Gründe für die Zwischenfälle schnellstmöglich ans Tageslicht bringen", so Vitkauskas.

Sollte sich herausstellen, dass die Kabelschäden vorsätzlich entstanden sind, werde man in Litauen entsprechend reagieren, so der Sprecher des Krisenzentrums. "Wir werden die Widerstandsfähigkeit unserer kritischen Infrastruktur weiter stärken, eventuelle Anstifter und Täter ermitteln und sie vor Gericht stellen", erklärte Vitkauskas. Zum jetzigen Zeitpunkt sei es zu früh, um eindeutig zu sagen, dass es sich um einen Sabotageakt handle. Allerdings widersprach sich Vitkauskas kurz danach selbst, indem er sagte: "Wir müssen die Widerstandsfähigkeit der Nato- und EU-Staaten weiter stärken, um gemeinsam auf die russische hybride Kriegsführung zu reagieren."

Auf wen fällt der Verdacht?

Zunächst vermuteten Experten wie der auf Konflikte spezialisierte X-Nutzer "NOELreports", dass Russland hinter der möglichen Sabotageaktion stecken könnte. Das wichtigste Indiz dafür war ein Zwischenfall, der sich bereits am Freitag vor der irischen Küste ereignet hatte. Dort hatte ein Schiff der irischen Marine das russische Spionageschiff "Yantar" aus irischen Gewässern eskortiert, nachdem es in einem Gebiet umhergefahren war, in dem sich wichtige Energie- und Tiefsee-Internetleitungen und -kabel befinden.

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Am Dienstagabend folgte die Wendung im Krimi um die Unterseekabel. Über viele Stunden folgten verschiedene Schiffe der dänischen Marine dem chinesischen Frachter "Yi Peng 3" durch den Großen Belt zwischen Fünen und Seeland. Gegen 21 Uhr setzte ein Patrouillenboot das 225 Meter lange Schiff nördlich von Seeland fest.

Das Schiff wird laut Recherchen von t-online verdächtigt, für die Beschädigungen an den Unterseekabeln verantwortlich zu sein. Es war vor einigen Tagen im russischen Ust-Luga aufgebrochen und hatte als Zielhafen das ägyptische Port Said angegeben. Ob das Schiff Verbindungen zum russischen Staat hat – und wenn ja, welche –, ist allerdings noch nicht bekannt.

Nun kommen die X-Benutzer "Gary Gnutter", "Pekka Lund" und "auonsson" zu dem Ergebnis, die "Yi Peng 3" habe in der Zeit, als die Schäden an den Internetkabeln C-Lion1 und BCS East-West Interlink am Sonntag und Montag auftraten, die Kabel an den fraglichen Stellen überfahren. Jeweils habe das Schiff dabei an Geschwindigkeit verloren und auffällige Kursänderungen vorgenommen. Jetzt ist das Schiff Gegenstand weiterer Ermittlungen, neue Meldungen bezüglich der Rolle der "Yi Peng 3" im möglichen Sabotagefall gab es bis Mittwochmittag nicht.

Peking hielt sich zunächst bedeckt. Angesprochen auf einen Bericht der "Financial Times", wonach der unter chinesischer Flagge fahrende Frachter "Yi Peng 3" zum Zeitpunkt der Beschädigungen in der Nähe der Kabel gefahren sei, erklärte das Außenamt, die entsprechende Situation sei nicht bekannt.

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Sind ähnliche Fälle an den Ostsee-Unterseekabeln bekannt?

Ja. Im Oktober 2023 wurde die die Balticconnector-Gaspipeline sowie ein Unterseekabel zwischen Finnland und Estland beschädigt. Schon damals erklärte die finnische Regierung, die Schäden seien vermutlich mutwillig verursacht worden.

Wie die Deutsche Welle berichtet, führen China und Finnland seit dem Zwischenfall intensive diplomatische Gespräche über die mögliche Rolle eines in Hongkong registrierten Frachtschiffs bei der Beschädigung der Pipeline.

Welche Gefahr geht von Russland und China aus?

Die USA haben Europa bereits mehrfach vor russischer Sabotage an den Unterseekabeln in der Ostsee gewarnt – zuletzt im September. Zwei Regierungsbeamte erklärten damals im Gespräch mit dem Fernsehsender CNN, die US-Geheimdienste hätten verstärkte russische Militäraktivitäten in der Nähe wichtiger Unterseekabel festgestellt. Russland sei bereit, Sabotageaktionen zu starten und damit einen wichtigen Teil der weltweiten Kommunikationsinfrastruktur auszuschalten.

Die USA seien besorgt über die erhebliche Marineaktivität und befürchteten, dass Russland bald auf Angriff schalten könnte. Auch die Nato zeigt sich zunehmend besorgt über die Bedrohung. Die westliche Allianz verstärke derzeit ihre Maßnahmen zum Schutz der Kabel, denn "seit dem Beginn des russischen Krieges in der Ukraine haben die Bedrohungen für die Unterwasserinfrastruktur, einschließlich der Öl- und Gaspipelines sowie der Datenkabel, zugenommen", sagte ein Nato-Beamter dem "Business Insider".

Die aktuelle Bedrohung der Infrastruktur geht nach Einschätzung der USA von einer besonderen Einheit aus. "Russlands Truppe für Unterwasser-Sabotage ist Gugi, eine streng geheime Einheit, die Überwasserschiffe, U-Boote und Marinedrohnen betreibt", so US-Offizielle im Gespräch mit CNN.

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