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Nordsee: Frachter "Ruby" aus Russland mit explosiver Ladung alarmiert Experten


Putin-Frachter auf Irrfahrt
"Die Sprengkraft entspricht der Atombombe über Hiroshima"

Von t-online, mk

Aktualisiert am 21.09.2024 - 19:42 UhrLesedauer: 4 Min.
imago images 104852495Vergrößern des BildesEin Frachtschiff (Symbolbild): Aktuell liegt das Frachtschiff "Ruby" in der Nordsee – mit einer gefährlichen Ladung. (Quelle: Huang Hao via www.imago-images.de)

Ein Frachter mit 20.000 Tonnen Ammoniumnitrat an Bord steuert Richtung Litauen. Doch Experten sind nicht nur wegen der explosiven Fracht in Sorge.

In friedlicheren Zeiten würde die Irrfahrt der "Ruby" wohl keine große Beachtung finden. Im stürmischen Nordatlantik geraten Schiffe schon mal in Seenot, werden beschädigt und müssen dann notankern. Doch in Zeiten der hybriden Kriegsführung Russlands gegen den Westen erregt der Frachter vor der Küste Norwegens das Interesse von Sicherheitsexperten – und das nicht nur wegen seiner explosiven Fracht.

Etwa 20.000 Tonnen Ammoniumnitrat hat die unter maltesischer Flagge fahrende "Ruby" geladen. Das Salz dient als Grundlage für Düngemittel – aber auch für Sprengstoffe. Wie gefährlich Ammoniumnitrat sein kann, zeigte sich im August 2020 im Hafen von Beirut, als etwa 2.750 Tonnen der Chemikalie explodierten.

Mehr als 200 Menschen starben bei der Katastrophe, große Teile der libanesischen Hauptstadt wurden verwüstet. Und die "Ruby" hat fast siebenmal so viel Ammoniumnitrat an Bord und soll bei einem Sturm an Rumpf, Hülle und Antrieb beschädigt worden sein.

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"Sprengkraft entspricht der Hiroshima-Bombe"

"Wenn dieses Schiff explodieren würde, wäre das der bei Weitem größte Unfall mit Ammoniumnitrat in der Geschichte", zitiert das Magazin "Newsweek" den Sprengstoffexperten Roland Alford. "Die Sprengkraft dieser Menge Ammoniumnitrat entspricht in etwa der Atombombe, die über Hiroshima abgeworfen wurde."

Auch der Hintergrund der "Ruby" wirkt nicht gerade vertrauenerweckend. Seine gefährliche Fracht hat das Schiff Mitte August im nordrussischen Hafen Kandalaksha aufgenommen. Russland ist der größte Exporteur von Ammoniumnitrat weltweit.

Die unmittelbare Gefahr eines versehentlichen Unglücks ist aber offenbar gering, schätzt ein anderer Fachmann ein. "Das ist das Gute an Ammoniumnitrat. Es ist eigentlich ziemlich schwer zu entzünden", sagte der Sprengstoffexperte Peter Hald von der dänischen Universität Aarhus dem dänischen Sender DR. "Es ist nicht so, dass es explodiert, wenn das Schiff irgendwo anstößt oder jemand etwas in die Ladung fallen lässt."

Die "Ruby" fährt zwar unter maltesischer Flagge, wird aber von einer libanesisch-syrischen Firma betrieben und das syrische Assad-Regime ist ein enger Verbündeter Russlands. Diese Umstände legen den Verdacht nahe, dass die "Ruby" Teil von Russlands "Schattenflotte" sein könnte.

Gehört die "Ruby" zu Russlands "Schattenflotte"?

Um westliche Sanktionen zu umgehen und weiter Rohstoffe wie Erdöl zu exportieren, unterhält Russland eine ganze Armada von offiziell herrenlosen Schiffen, die oft ohne Versicherung und in bedenklichen Zuständen über die Weltmeere kreuzen. Westliche Maßnahmen gegen die "Schattenflotte" des Kremls haben sich bislang als weitgehend wirkungslos erwiesen.

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Dem Trackingportal "Marine Traffic" zufolge ist auch die "Ruby" derzeit "ohne Kommando" unterwegs. Das ursprüngliche Ziel des 183 Meter langen Frachters war Gran Canaria, doch jetzt steuert er den litauischen Hafen Klaipeda an. Wie das Fachmagazin "Maritime Executive" berichtet, könnte das Ammoniumnitrat dort entladen und das Schiff repariert werden.

Dielitauische Ministerpräsidentin Ingrida Simonyte hat aber die Einfahrt verboten. Verteidigungsminister Laurynas Kasciunas sagte, es gebe immer wieder Probleme mit altersschwachen, rostigen Schiffen aus Russland in der Gegend.

Darum ist Ammoniumnitrat so gefährlich

In Norwegen jedenfalls durfte die "Ruby" nicht lange bleiben. Anfang September war der Frachter im Nordatlantik in einen Sturm geraten und bat um Einlass in den Hafen von Tromsø, um Reparaturen vorzunehmen. Doch nachdem die norwegischen Behörden das Schiff untersucht hatten, musste es den Hafen von Tromsø schon am nächsten Tag wieder verlassen und weiter draußen vor der Küste ankern.

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Die norwegischen Behörden haben sich zwar nicht konkret zu einer möglichen Gefährdung durch die "Ruby" geäußert, doch das Risiko einer Katastrophe war den Verantwortlichen womöglich doch zu hoch. Ammoniumnitrat ist eine reaktionsfreudige Chemikalie. Schon bei Raumtemperatur können die Salzkristalle verbacken.

Auch Feuchtigkeit verändert die chemische Struktur der Substanz. Stehen zu große Mengen Ammoniumnitrat zu nah beieinander, kann sich der Stoff erhitzen und anfangen zu brennen. Eine schnelle Erhitzung des Stoffes kann wiederum zur Explosion führen.

Furcht vor russischer Sabotage

Doch die Norweger fürchten womöglich nicht nur einen Unfall auf der "Ruby" – auch der Gedanke an einen möglichen russischen Sabotageakt liegt nahe. Der Kreml betreibt eine ganze Flotte von Kampfschiffen, U-Booten und Kleinst-U-Booten, die zur Aufklärung und Sabotage am Meeresboden dienen. Die Nato fürchtet zum Beispiel, dass Russland mit solchen Einheiten die Unterseekabel zwischen Europa und Nordamerika kappen könnte.

So wurde im Oktober 2023 das Unterseekabel zwischen Schweden und Estland beschädigt. Schon damals fiel der Verdacht auf Russland, auch wenn die Hintergründe des Vorfalls unklar sind. Im Frühjahr behinderte dann wochenlang ein GPS-Störsignal den Flugverkehr im Baltikum – das Signal kam aus der russischen Exklave Kaliningrad und wird von Fachleuten als Akt der hybriden russischen Kriegsführung bewertet. Auch in den Ermittlungen um die Sprengung der Nord-Stream-Pipeline führt eine Spur nach Russland: Wenige Tage vor dem Anschlag im September 2022 waren russische Spezialschiffe genau über den Explosionsstellen im Einsatz. Wer genau hinter dem Anschlag steckt, ist bislang ungeklärt.

Auf ihrem Weg Richtung Süden entlang der norwegischen Küste ist die "Ruby" in den vergangenen Tagen an wichtigen Einrichtungen der norwegischen Marine und der Ölindustrie vorbeigefahren – in nur wenigen Kilometern Abstand. Zwischendurch blieb das Schiff immer wieder liegen, trotz ruhiger Wetterverhältnisse. Auch das dürfte die norwegische Marine aufmerksam verfolgt haben. Am Samstagnachmittag befand sich die "Ruby" vor der norwegischen Südküste.

Verwendete Quellen
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