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Nahostkonflikt | Explosionen im Libanon: So arbeitet der Mossad aus Israel


Anschlag gegen die Hisbollah
"Jetzt stehen sie nackt da"


18.09.2024Lesedauer: 4 Min.
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Libanon: Eine Überwachungskamera filmt die Explosion. (Quelle: t-online)

Auf Knopfdruck explodieren Hunderte Funkempfänger im Libanon. Experten sehen darin die Überlegenheit des Mossad über die Hisbollah.

Eine offizielle Bestätigung gibt es zwar nicht, aber niemand zweifelt daran, dass der koordinierte Anschlag auf Tausende Mitglieder der schiitischen Terrororganisation Hisbollah eine unverkennbare Handschrift trägt. "Die meisten Menschen im Nahen Osten glauben, dass es Israel war – und ich gehöre auch dazu", sagt Shlomo Shpiro im Gespräch mit t-online. Kaum eine andere Organisation als der Mossad, der israelische Auslandsgeheimdienst, sei dazu in der Lage, sagt der Professor an der Bar-Ilan-Universität in Tel Aviv – und erklärt auch, wie der Mossad wohl vorgegangen ist.

Bei den gleichzeitigen Explosionen Hunderter Pager am Dienstag im Libanon wurden mindestens 12 Menschen getötet und etwa 2.800 weitere verletzt. Rund 300 der Verletzten schwebten am Mittwoch in Lebensgefahr, sagte der geschäftsführende libanesische Gesundheitsminister Firas Abiad in Beirut. Unter den Todesopfern seien ein acht Jahre altes Mädchen und ein elf Jahre alter Junge. Am Mittwochnachmittag kam es nach Medienberichten erneut zu Explosionen, dieses Mal flogen Walkie-Talkies in die Luft. Mehr dazu lesen Sie hier.

Zwei Fliegen mit einer Klatsche

Laut dem Experten Shpiro muss eine solche Operation monatelang vorbereitet werden. Der Mossad habe die Geräte so erfolgreich sabotieren müssen, dass selbst Experten keinen Unterschied zu nicht präparierten Kommunikationsgeräten bemerken würden, so Shpiro. Die noch größere Herausforderung müsse dann jedoch gewesen sein, Tausende Geräte in die Hisbollah einzuschleusen. "Die Terroristen hätten die Geräte nie benutzt, wenn sie kein Vertrauen in den Verkäufer gehabt hätten", sagt der Professor.

Shpiro vermutet, dass die Geräte mehr als nur Sprengfallen waren: "Wenn der Mossad Bomben platzieren konnte, ist es durchaus möglich, dass sie auch die Kommunikation der Nutzer abhören konnten", schätzt er. Somit haben sie "zwei Fliegen mit einer Klatsche schlagen" können, sagt er.

Ob die Geräte auch abgehört werden konnten, ist unklar. Unstrittig ist jedoch, dass es sich um eine neue und bislang nicht dagewesene Form der Kriegsführung handelt. "Mir fehlen noch die richtigen Worte für die Aktion", sagt Shpiro.

Mossad schaltet Feinde Israels aus

Die zum Teil tollkühnen Aktionen der Agenten des israelischen Auslandsgeheimdienstes haben die Organisation weltweit bekannt gemacht. Großes Aufsehen erregte der Mossad mit der Entführung des Nationalsozialisten Adolf Eichmann, der sich bis 1960 in Argentinien versteckt hielt. Seitdem hat der Mossad unzählige Feinde des Landes aufgespürt und teilweise umgebracht. Die Liste der Mordanschläge ist lang.

Die Kriegsführung per Sprengfalle gegen Tausende Menschen gleichzeitig hat jedoch eine neue Qualität. Der Mossad hat den Kampf gegen die Feinde Israels nach dem Überfall der Hamas am 7. Oktober 2023 verschärft. Der Geheimdienstchef David Barnea drohte am Anfang dieses Jahres, mit den Planern und Drahtziehern des Massakers abzurechnen. Es werde "Zeit brauchen, aber wir werden sie ergreifen, wo sie auch sind", sagte Barnea am 3. Januar in Jerusalem.

Israels Kampf gegen die Hisbollah

Zuletzt haben die israelischen Sicherheitsbehörden ihren Fokus dabei verstärkt auf den Libanon gelegt. Die dort operierende Hisbollah begann schon zu Beginn des Krieges aus Solidarität mit der Hamas, Raketen auf Israel zu feuern. Seitdem hat die Hisbollah ihr Schicksal mit dem der Hamas verknüpft und geschworen, dass sie nicht aufhören wird zu kämpfen, bis Israel sich aus dem Gazastreifen zurückzieht.

Dort ist es den israelischen Streitkräften nach der fast einjährigen Bodenoffensive nicht gelungen, die Hamas vollständig auszuschalten. Auch befinden sich die Verhandlungen über einen Waffenstillstand in einer Sackgasse. Jetzt hat Israel den Druck auf die Hisbollah erhöht.

"Letztes Mittel vor einem großen Krieg"

In dieser Woche erhob das Sicherheitskabinett die Rückkehr von 60.000 vertriebenen Israelis aus dem Norden des Landes zu einem offiziellen Ziel des Krieges. Zudem betonte Verteidigungsminister Joav Galant, dass "militärische Maßnahmen" der "einzige Weg" seien, um den Konflikt zu beenden.

So interpretiert auch Shlomo Shpiro die Strategie hinter dem Anschlag. Es sei "die allerletzte Botschaft und das letzte Mittel vor einem großen Krieg" gewesen. Israel habe zeigen wollen, dass es der Hisbollah großen Schaden zufügen kann. Es sei dagegen kein Auftakt für einen Krieg gewesen, denn dann hätte Israel die Gunst der Stunde nutzen und die Hisbollah mit konventionellen Methoden angreifen müssen. Das sei bislang jedoch nicht geschehen.

Die Strategie Israels

Yossi Melman bezweifelt dagegen die strategische Sinnhaftigkeit des Anschlags. Der Autor mehrerer Bücher über den israelischen Geheimdienst sieht darin eher "ein Zeichen von Panik", sagte er im "Guardian". Es zeige zwar eine außergewöhnliche Fähigkeit, das Herz der Hisbollah zu treffen, aber sei weder sehr gezielt noch verändere es das allgemeine strategische Bild. "Ich sehe darin keinen Fortschritt", analysiert Melman.

Shpiro bezeichnet das Vorgehen dagegen als sehr gezielt. "Jeder, der so ein Gerät im Gürtel oder vor dem Gesicht hatte, hatte das nicht umsonst", sagt er. Es sei ausschließlich zur Kommunikation von Terroristen genutzt worden. Zudem habe Israel die wichtigsten Leute aus dem innersten Kreis treffen können, da nicht jeder Aktivist ein solches Gerät besessen habe.

Der Zeitpunkt des Angriffs

Unklar ist auch, warum Israel den Angriff jetzt ausgeführt hat. Der Nahostexperte Simon Fuchs erklärt den Zeitpunkt mit dem Stand des Krieges in Gaza. Dort seien die Kampfhandlungen größtenteils abgeschlossen. Deshalb würde Israel nun den Iran und die Hisbollah in den Blick nehmen, so Fuchs im Interview mit dem Deutschlandfunk. "Israel will die Achse des Widerstands provozieren und zeigen, dass die gar nicht so stark sind", sagte der Professor an der Hebräischen Universität in Jerusalem.

Die Hisbollah würde mit ihren Hunderttausenden Raketen eine Drohkulisse aufbauen wollen. Doch nun sei der Norden Israels evakuiert und die Terrorgruppe könne mit ihrem Arsenal kaum mehr etwas anrichten. "Die Hisbollah hat alles auf den Tisch gelegt, was sie haben. Jetzt stehen sie nackt da", so Fuchs.

Möglicherweise hatte der Zeitpunkt des Angriffs jedoch auch ganz andere Gründe. Nach einem Bericht des Nachrichtenportals "Axios", der sich auf amerikanische Quellen beruft, könnte auch eine praktische Entscheidung dahinterstecken. So soll Israel davon ausgegangen sein, dass die Hisbollah kurz davor stand, die manipulierten Pager zu entdecken. Es habe sich um eine "Jetzt-oder-nie-Situation" gehandelt und Israel habe sich daraufhin entschieden, die Sprengsätze zu zünden.

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