Ekrem İmamoğlu Der Mann, der für Erdoğan zur Gefahr wird
Ekrem İmamoğlu wird festgenommen, kurz bevor seine Kandidatur gegen Erdoğan offiziell werden soll. Wer ist der große Konkurrent des Präsidenten?
Er ist der größte Rivale von Präsident Recep Tayyip Erdoğan, doch plötzlich wird er festgenommen: Der Istanbuler Bürgermeister Ekrem İmamoğlu sollte in Kürze als Präsidentschaftskandidat nominiert werden – und bei der Wahl 2028 gegen Erdoğan antreten. Er hätte bereits bei der vorangegangenen Wahl kandidieren sollen, wurde aber von Gerichten daran gehindert.
Nach Angaben der Staatsanwaltschaft wird gegen İmamoğlu nun wegen Vorwürfen der Korruption und Erpressung ermittelt. Zuvor hatte die Universität Istanbul İmamoğlu den an der Hochschule erworbenen Abschluss aberkannt. Der Oppositionspolitiker könnte damit bei der nächsten Präsidentschaftswahl von einer Kandidatur ausgeschlossen werden, für die ein Hochschuldiplom eine der Voraussetzungen ist.
İmamoğlus Verbündete sehen in den Aktionen einen gezielten Versuch, seine Präsidentschaftskandidatur zu verhindern. Der Vorsitzende von İmamoğlus Partei CHP, Özgur Özel, verurteilte die Festnahme als "Putschversuch gegen unseren nächsten Präsidenten". Es handele sich um einen "Putsch, um den Willen des Volkes zu behindern". Doch wer ist der Mann, der nun hinter Gittern sitzt?
"Er aß Köfte in meinem Restaurant"
Von Istanbul in die Welt, diese Losung galt bereits für Erdoğan. Denn auch der Präsident begann in der Metropole seine politische Karriere, war in den Neunzigerjahren Bürgermeister der Stadt. İmamoğlu stammt aus der Schwarzmeerregion Trabzon, mehr als 1.000 Kilometer von Istanbul entfernt, ist verheiratet und Vater dreier Kinder. Als junger Mann kam der heute 53-Jährige an den Bosporus, studierte Betriebswirtschaftslehre, führte ein Köfte-Restaurant und stieg in die Baufirma seiner Familie ein.
In einem Fernsehinterview berichtete er, dass Erdoğan als damaliger Bürgermeister in sein Köfte-Restaurant kam. "Er aß Köfte in meinem Restaurant. Ich habe sein Geld nicht angenommen", sagte er und fügte hinzu: "Er wird diese Rechnung nicht bezahlen, solange er lebt."
Seit Erdoğans Zeit als Bürgermeister war Istanbul bis auf einige Jahre in der Hand von Erdoğans islamisch-konservativer Partei AKP geblieben. Mit der Wahl İmamoğlus 2019 allerdings ging die Stadt an die Mitte-links-Partei CHP.
Probleme mit türkischer Justiz
Die AKP ließ die Wahl damals annullieren. In der zweiten Runde gewann İmamoğlu mit noch größerem Abstand – der Erfolg galt bislang als schwerster Rückschlag in Erdoğans politischer Karriere. Das lag auch daran, dass İmamoğlu nicht nur Anklang im klassischen CHP-Milieu findet, sondern auch konservativere Türken anspricht.
Dabei hatte İmamoğlu bereits in der Vergangenheit Probleme mit der türkischen Justiz. Nach seinem ersten Wahlsieg wurde er wegen Beleidigung von Amtsträgern zu einer Haftstrafe von zweieinhalb Jahren verurteilt, außerdem verhängte das Gericht ein Politikverbot. İmamoğlu legte Berufung ein, die Entscheidung steht noch aus. 2023 wurde ein weiteres Verfahren gegen ihn eröffnet, wegen angeblicher Wahlmanipulation.
Längst sind Vorwürfe laut geworden, Erdoğan und die AKP wollen so Imamoğlu ausbremsen. Die AKP streitet das zwar ab. Allerdings wäre es nicht das erste Mal, dass Erdoğan die Justiz nutzt, um unliebsame Gegner loszuwerden. Die juristischen Probleme Imamoğlus könnten also auch ein Ausdruck dafür sein, für wie gefährlich Erdoğan Imamoğlu hält.
Imamoğlu: "Demokratie wieder aufleben"
Dementsprechend aufgeheizt war auch die vergangene Bürgermeisterwahl 2024. "Dies ist mehr als eine Bürgermeisterwahl", hatte İmamoğlu während des Wahlkampfs gesagt. Es gehe darum, eine neue Mentalität zu prägen. Wenn diese in die Geschichte eingehe, "wird die Demokratie wieder aufleben, und Recht und Gerechtigkeit werden sich erholen".
Aus diesen Worten wird deutlich, um wie viel mehr als nur die Bürgermeisterschaft es İmamoğlu bereits da ging. Denn Erdoğan höhlt seit Jahren die türkische Demokratie aus, untergräbt Pressefreiheit und Bürgerrechte. Auch die Wahlen, ob die Kommunalwahlen oder die vergangene Präsidentschaftswahl, galten nicht als fair. Denn ein Großteil der Medien in der Türkei steht unter direkter oder indirekter Kontrolle der Regierung. İmamoğlu beschrieb seine Mission einst so: "Ich mache mich auf, um Istanbul erneut gegen Ungerechtigkeit und Umweltzerstörung zu verteidigen."
Imamoğlu als nächster Präsident gehandelt
Umso erstaunlicher erschien sein Wahlsieg 2024. 2019 war İmamoğlu noch für ein breites Oppositionsbündnis angetreten, das allerdings im vorvergangenen Jahr zerbrach. Zuletzt sei die Unterstützung von "einer starken Allianz des Gewissens, gegründet von Millionen, die nach Demokratie und Gerechtigkeit dürsten", gekommen, sagte İmamoğlu laut der US-Nachrichtenagentur Reuters.
- Mit Material der Nachrichtenagentur dpa
- reuters.com: "Who is Ekrem Imamoglu, the Turkish mayor who could challenge Erdogan?" (englisch)
- Eigene Recherche