Verhaftung von Erdoğan-Gegner Auswärtiges Amt: "schwerer Rückschlag für die Demokratie"
Der Istanbuler Bürgermeister und Erdoğan-Konkurrent İmamoğlu ist verhaftet worden. Die Aktion erfolgte nur wenige Tage, bevor İmamoğlu zum Präsidentschaftskandidaten aufgestellt werden sollte.
Die Bundesregierung hat die Festnahme des prominenten türkischen Oppositionspolitikers, Ekrem Imamoğlu, scharf kritisiert. Die Verhaftung erfolgte wenige Tage vor seiner geplanten Ernennung zum Präsidentschaftskandidaten der größten Oppositionspartei in der Türkei. Der Istanbuler Bürgermeister gilt als der wichtigste Kontrahent von Staatschef Recep Tayyip Erdoğan.
Die Vorgänge seien "ein schwerer Rückschlag für die Demokratie in dem Land am Bosporus", sagte ein Sprecher des Auswärtigen Amts am Mittwoch in Berlin.
Die Festnahme "reiht sich ein in eine Serie erhöhten juristischen Drucks" gegen Imamoglu, kritisierte der Außenamts-Sprecher weiter. Er betonte, für die Bundesregierung seien "die Achtung demokratischer und rechtsstaatlicher Prinzipien Grundbedingungen für eine funktionierende Demokratie". Diese Haltung der Bundesregierung werde "in angemessener Weise gegenüber unseren türkischen Ansprechpartnern adressiert werden". Zu Details äußerte sich der Sprecher nicht.
Das Büro des Gouverneurs der Provinz Istanbul verhängte nach der Verhaftung eine viertägige Demonstrations-, Versammlungs- und Nachrichtensperre bis Sonntag.
Festnahme von Erdoğan-Gegner: Hunderte Polizisten vor der Haustür
İmamoğlu veröffentlichte am Morgen auf der Plattform X ein Video, in dem er mitteilte, es stünden Hunderte Polizisten vor seiner Haustür. "Wir befinden uns im Angesicht einer großen Tyrannei", schrieb er vor seiner Festnahme dazu. Darüber hinaus erklärte er auf der Online-Plattform, dass er nicht aufgeben und trotz des Drucks standhaft bleiben werde. Die Republikanische Volkspartei (CHP) hatte vor, ihn in einigen Tagen zum Herausforderer von Erdoğan bei der bevorstehenden Präsidentschaftswahl zu küren.
Die Staatsanwaltschaft Istanbul teilte mit, dass es bei den Ermittlungen gegen İmamoğlu um zwei Verfahren gehe. Zum einen handele es sich um den Vorwurf krimineller Aktivitäten im Zusammenhang mit Ausschreibungen der Stadtverwaltung, in die 100 Personen verwickelt seien. Darunter seien Journalisten und Geschäftsleute.
"Die jüngsten Verhaftungen werfen ein zutiefst beunruhigendes Licht auf die Einhaltung demokratischer und rechtsstaatlicher Grundprinzipien in der Türkei, zu denen sie sich als EU-Beitrittskandidat, aber eben auch als Mitglied des Europarats verpflichtet hat", sagte der Außenamts-Sprecher dazu. Er betonte auch: "Die Menschen in der Türkei haben ein Recht auf demokratisch legitimierte Volksvertreterinnen und Volksvertreter, und das ist Herr Imamoglu ja zweifellos."
Festnahme von İmamoğlu: Istanbuls Bürgermeister soll PKK unterstützt haben
Im zweiten Fall werde İmamoğlu und sechs weiteren Personen vorgeworfen, die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK, die von der Türkei als Terrororganisation eingestuft wird, unterstützt zu haben. Nach der Festnahme von İmamoğlu meldete die Internetbeobachtungsorganisation NetBlocks, dass der Zugang zu mehreren Online-Plattformen in der Türkei eingeschränkt worden sei. Dazu zählten X, YouTube, Instagram und TikTok.
Am Dienstag hatte die Universität Istanbul den Hochschulabschluss von İmamoğlu aufgrund von Unregelmäßigkeiten annulliert. Damit könnte der Erdoğan-Rivale von der kommenden Präsidentschaftswahl ausgeschlossen werden. İmamoğlu hatte die Entscheidung der Universität als unrechtmäßig bezeichnet und rechtliche Schritte angekündigt.
- Nachrichtenagenturen dpa und Reuters